Die Politik ringt um die Frage, wann die Schulen wieder Corona-sicher geöffnet werden können, am Mittwoch muss wieder einmal entschieden werden: Schulen öffnen, ja oder nein? Und wenn ja: reichen die Hygienevorkehrungen? Reicht wirklich Stoßlüften, oder braucht es nicht doch Luftreinigergeräte, und was bringen die? Das wollte jetzt eine Firma aus Stuttgart ganz genau wissen: Bei DEMA-Airtech entwickelten sie 2020 einen Luftreiniger, der speziell für das Herausfiltern von Corona-Viren geeignet ist, nun wurde in einem wissenschaftlichen Experiment der Frage nach gegangen, wie gut die Geräte wirklich die Raumluft filtern. Ort des Experiments: Das Mainzer Willigis-Gymnasium. Dort ist man begeistert: Die Geräte könnten auch in Zukunft hochgradig nützlich sein – gegen schlechte Luft im Allgemeinen und Allergieauslöser im Speziellen.
Seit man weiß, dass sich das Coronavirus in erster Linie über die Luft verbreitet, mit Hilfe sogenannter Aerosole, diskutieren Politik, Schule und Wissenschaft über die Frage, wie der Betrieb in Schulen Corona-sicher gemacht werden kann. 25 bis 30 Kinder in einer Klasse, dicht an dicht – für Virologen ist das die beste Voraussetzung für Ansteckungen und Superspreader-Event. Die Politik verlegte sich schnell auf die Lösung: Lüften. Seither gilt in Schulen die Ansage, alle 20 Minuten zum Stoßlüften das Fenster zu öffnen, doch Virologen warnen: Das habe nur so lange einen Effekt, wie zwischen drinnen und draußen ein erheblicher Temperaturunterschied besteht – ist der zu gering, bleibt der Luftaustausch aus und damit auch die Reduzierung der gefährlichen Aerosole in der Luft.
Schon im Sommer 2020 hatten deshalb mehrere Studien den Einsatz von Luftfiltern an Schulen erprobt, an der Bundeswehr-Hochschule in München, aber auch an der Universität Frankfurt lautete das eindeutige Ergebnis: Luftreiniger mit hochwertigen HEPA-Filtern sorgen für eine echte Reduzierung der Virenlast im Raum, die Politik griff trotzdem nur zögerlich zu. Erst Ende Oktober legte das Land Rheinland-Pfalz ein Förderprogramm für Klassenräume in Höhe von sechs Millionen Euro auf – allerdings nur für Klassenräume, die nicht belüftet werden können, aber trotzdem gebraucht werden – etwa Fachräume.
Angekommen sind die Luftreiniger in den Schulen bislang aber so gut wie nicht: In einzelnen Schulen heißt es auf Nachfrage, man habe zwar Geräte bewilligt bekommen, die seien aber noch nicht eingetroffen. Im Mainzer Bildungsministerium betont man, es seien schon Anlagen im Oktober und November angeschafft worden, die jetzt mit dem Land abgerechnet würden. Wer die Gelder nicht vorlegen wollte, muss jedoch auf die Bewilligung der Landesmittel warten – das Mainzer Bildungsministerium erließ die notwendige Verwaltungsvorschrift allerdings erst am 14. Dezember 2020, erst seitdem können überhaupt Anträge gestellt werden. Wie viele Luftreiniger beantragt worden seien, könne man deshalb noch nicht mitteilen, sagte eine Sprecherin auf Anfrage von Mainz&.
Im Willigis-Gymnasium wollten sie so lange nicht warten: „Ich bin Homeschooling-gebeutelt und hätte gerne den Schulbetrieb wieder geöffnet“, sagt Yvonne Pabst, Mutter zweier Söhne im Teenager-Alter. Als sie die Option Luftfilteranlagen entdeckte, fragte sie sich sofort: „Warum setzen wir so etwas nicht ein?“ Ja, ein Gerät koste einige tausend Euro, sagt Pabst, aber am Geld könne so etwas doch wohl nicht scheitern: „Was kostet uns denn jeder Tag Lockdown? Für das Geld könnten wir jeden mit so einem Gerät ausstatten“, sagt sie resolut. Papst stellte einen Kontakt zur Herstellerfirma von Matthias Baun her, dort lief sie offenen Türen ein: Bauns Luftfilter sind inzwischen Teil einer wissenschaftlichen Studie – und dafür suchte man just eine Schule, in der die Geräte erprobt werden können.
Es ist still in der Bibliothek des Mainzer Willigis-Gymnasiums an diesem Januarmorgen, gut ein halbes Dutzend Schüler sitzen konzentriert vor ihren Laptops und arbeiten, es sind die Schüler in der Notbetreuung. 850 Gymnasiasten drängen sich sonst im Bischöflichen Jungengymnasium, jetzt sind die Gänge leer, die Klassenzimmer verwaist – die Schule ist im Corona-Lockdown. In der Bibliothek aber ist Betrieb: mehrere große, weiße Geräte summen leise vor sich hin, Luftsensoren messen die Aerosolkonzentration.
„Wir wollen einen Raumluftwechsel von fünf bis sechs Mal pro Stunde erreichen“, erklärt Matthias Baun im Gespräch mit Mainz&, „das ist eine so signifikante Reduzierung von Aerosolen im Raum, dass ich auch das Risiko signifikant senke.“ Baun ist Geschäftsführer der Stuttgarter Firma DEMA-Airtech, hier entwickelten sie Anfang 2020 Luftreiniger speziell gegen das Coronavirus. Auslöser war ein alter Kunde: Der Autobauer Daimler kam auf die eigentlich auf Solarien spezialisierte Maschinenbaufirma zu, auf der Suche nach einer technischen Lösung – die hauseigenen Klimaanlage entpuppte sich in Coronazeiten mehr als Virenverteiler denn als Verhinderer.
Die Lösung bei DEMA-Airtech: Mobile Luftreiniger, die nicht nur mit HEPA- und Aktivkohlefilter ausgerüstet sind, sondern zusätzlich mit UV-Licht. „Die Filter können alle 99,5 Prozent der Viren und Bakterien aus der Luft filtern, wir können aber mit dem UV-Licht auch noch sterilisieren“, erklärt Baun. Dazu seien die Geräte mit hochgradig leistungsfähigen Lüftern zum Ansaugen der Raumluft ausgestattet, erklärt Baun: „Der Hepafilter kann in jedem Gerät das gleiche, das Problem ist die Lüfterleistung, denn das Gerät muss die zu reinigende Luft ja auch ansaugen.“
Und genau das erproben sie an diesem Januarmorgen in der Schulbibliothek des Willigis: Fünf große Raumluftreiniger und zwei kleinere hat Baun dafür in dem mehr als 100 Quadratmeter großen Raum verteilt. Zu Beginn des Experiments sei im leeren Raum die Grundlast erfasst worden, dann wurde mit Hilfe eines Aerosolgenerators die zehnfache Last des Ausgangswert in der Luft erzeugt. „Wir haben dann die Raumluftreiniger angeschaltet“, berichtet Baun weiter, „binnen einer Halbwertzeit von 15 Minuten hatte sich der Aerosolwert halbiert.“
Michael Oberst kann das bestätigen: Oberst ist Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Ostalpklinikum in Aalen, in seinen Sprechstundenräumen erprobte er die Luftreiniger bereits. „Auch bei uns gibt es Situationen, wo wir keinen Abstand halten können“, sagt Oberst, also stellte er einen Luftreiniger in der Praxis für ambulante Patienten auf, wo täglich Dutzende ein und aus gehen. Das Ergebnis: „Die Geräte reduzierten die Aerosolkonzentration signifikant, und das im realen Leben im Sprechstundenbetrieb“, berichtet Oberst: „Binnen sieben Minuten hatte sich die Aerosolkonzentration um die Hälfte reduziert, wir schaffen damit eine Risikoreduktion.“ Weniger belastete Aerosole in der Luft bedeuteten auch weniger Anstecklungen mit dem Coronavirus, davon ist Oberst überzeugt – seine Klinik denkt nun darüber nach, weitere Luftreiniger anzuschaffen.
Oberst arbeitet nun mit seinem Team an einer Studie zu den Luftreinigern, auch Messungen in einer großen Firmenkantine gab es schon. Saubere Luft, gereinigt von Aerosolen und damit eine Minimierung der Virenlast im Raum – für Schulen, Geschäfte oder Altenheime wäre das die Lösung in der Corona-Pandemie. „Wir sind gerne Versuchskaninchen“, sagt Roman Riedel, der Schulleiter des Willigis wird seit Beginn der Coronapandemie mit Nachfragen von Eltern in Sachen Luftreiniger konfrontiert. Bisher habe seine Schule die Pandemie gut gemeistert, die Hygienekonzepte griffen, Ansteckungswellen habe es bei ihm nicht gegeben, betont Riedel. Doch auch im Willigis gibt es schlecht oder gar nicht zu lüftende Räume.
„Ich hatte mir die Geräte aufwändiger vorgestellt“, sagt Riedel nun nachdenklich, „die brauchen ja nur so viel Strom wie eine Lampe.“ Auch der Austausch der Filter erscheine unproblematisch, einmal pro Jahr, das sei nicht wirklich aufwändig, berichtet er – mit solchen Bedenken hatte etwa das Umweltbundesamt noch im Sommer 2020 vor dem Einsatz von Luftreinigern gewarnt. Riedel hingegen sieht die Geräte nun mit anderen Augen: Als Einsatzort könnte er sich stark frequentierte Bereiche vorstellen, das Schülersekretariat etwa. „Ich sehe da mittlerweile auch nach Corona noch Einsatzmöglichkeiten“, sagt Riedel zuudem, „ein Drittel meiner Schüler haben inzwischen Allergien.“ Man müsse ja nicht alle Räume damit ausstatten, „aber wenn eine Schule ein Set hätte, das wäre eine smarte Lösung“, findet er.
Mittlerweile sind die Messungen in der Bibliothek beendet, das Team zieht um in einen Klassenraum. Geschäftsführer Baun ist zufrieden: „Wir haben nachgewiesen, dass wir in einer Stunde den fünf bis sechsfachen Raumluftwechsel hinkriegen“, berichtet er, „und dass wir die Aerosollast wirklich signifikant verringert haben.“ Masken abziehen und eine Party feiern, das gehe damit auch weiter nicht, sagte er noch: „Aber man kann verhindern, dass sich die Aerosole eines Infizierten über weite Strecken verteilen und den ganzen Raum infizieren.“
„Ich hätte nicht gedacht, dass die Geräte so effektiv sind“, staunt auch Pabst, und auch sie sieht in den Geräten mehr als nur eine kurzfristige Covid-Lösung: Sie selbst sei Allergikerin und Asthmatikerin, gute Luft werde auch nach Covid-19 ein Thema sein, glaubt sie: „Ich bin überzeugt, dass wir damit langfristig effizienter und gesünder sind.“
Info& auf Mainz&: Mehr zum Thema Lüften in Schulen und den Streit um den Einsatz der Raumluftreiniger in der Corona-Pandemie lest Ihr hier bei Mainz&. Das Land Rheinland-Pfalz und die Stadt Mainz setzen unter anderem auf eine vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie entwickelte Lüftungsanlage, die in den Schulen im Eigenbau eingesetzt wird – mehr dazu lest Ihr hier bei Mainz&.