Mainz hat noch immer ein Problem mit dem Wohnungsmarkt, die Landeshauptstadt liegt im bundesweiten Vergleich auf Platz sieben der teuersten Städte Deutschlands. Bezahlbarer Wohnraum ist weiter knapp, dazu fehlen auch immer mehr Wohnungen oder Häuser für junge Familien. Die Frage „Wie klappt eine Bauwende“ war deshalb auch erneut eines der Topthemen im Wahlkampf. Die Mainzer FDP legte nun ein Konzept vor: Sie fordert ein komplett neues Wohnungsbau-Programm für Mainz, die Neufassung der alten Bebauungspläne, Ideenwettbewerbe für grüne Lungen und neuen Schwung für die Stadtentwicklung – kurz: einen neuen Stadtentwicklungsplan für Mainz.

Die Mainzer Innenstadt: dichte Bebauung, wenig Grün - und vi3el zu wenig Wohnraum. - Foto: gik
Die Mainzer Innenstadt: dichte Bebauung, wenig Grün – und vi3el zu wenig Wohnraum. – Foto: gik

Der Kampf um mehr Wohnraum und vor allem bezahlbare Wohnungen bewegt Mainz seit Jahren: Spätestens seit die Landeshauptstadt am Rhein in den 2000er Jahren zur „Schwarmstadt“ wurde, die massenhaft junge Menschen anzog, kämpft Mainz massiv mit explodierenden Mieten und viel zu knappem Wohnraum – das betrifft bezahlbare Wohnungen in der Innenstadt ebenso wie Häuser für junge Familien in den Stadtteilen.

Dazu kommen die immer sichtbar werdenden Auswirkungen des Klimawandels: Mainz wird immer mehr zu einer „Hitzeinsel“, wie es die Experten der Klimprax-Studie schon vor Jahren prophezeiten. Immer mehr Bodenversiegelung, aber eben auch immer mehr Nachverdichtung in der Stadt sorgen für steigende Hitze in der Stadt und immer weniger Abkühlung – dazu kommen rund 40 Prozent des klimaschädlichen CO2-Ausstoßes aus dem Bausektor. Was also tun, um das Klima zu schonen, aber der Stadtent3wicklung nicht den Stecker zu ziehen?

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FDP: Bebauungspläne überarbeiten, Wohnungsbau fördern

„Was in Mainz in den vergangenen Jahren gemacht wurde, ist eine Kastastrophe“, kritisierte der Fraktionschef der Mainzer CDU im Stadtrat, Ludwig Holle, vor einigen Tagen bei einer Debatte im Zentrum Baukultur: „Wir haben keine städtischen Gebäude, wo wirklich Solar auf dem Dach oder eine Begrünung da ist“, kritisierte er, das habe die Ampel nicht umgesetzt bekommen. Es brauche eine Balance in der Stadt zwischen Wohnen und Arbeiten, Einkaufen und Mobilität, kurz: ein Gesamtkonzept. „Wir müssen die Stadt weiter entwickeln“, forderte Holle, bislang seien zu viele „Betonflächen“ wie etwa im Mainzer Zollhafen gebaut worden.

Blick von der Alten Sternwarte in Richtung Hilton Hotel und Mainzer Rathaus: Kaum Solar und kaum Grün auf den Dächern. - Foto: gik
Blick von der Alten Sternwarte in Richtung Hilton Hotel und Mainzer Rathaus: Kaum Solar und kaum Grün auf den Dächern. – Foto: gik

In eine ganz ähnliche Kerbe schlägt nun die Mainzer FDP: Wenige Tage vor der Kommunalwahl legten die Liberalen – bisher Teil der Ampel-Koalition im Mainzer Stadtrat – ein umfassendes Konzept für Bauen und Wohnen vor. „Wir halten es für wichtig und dringlich, Maßnahmen zu ergreifen, die Investitionen in den Wohnungsbau befördern“, sagte die FDP-Kreischefin und Spitzenkandidatin Susanne Glahn gemeinsam mit FDP-Fraktionschef David Dietz und dem baupolitischen Sprecher Thomas A. Klann. Ein Wohnungsbau-Programm sei „dringend notwendig und wird von liberaler Seite ein Schwerpunkt in der nächsten Wahlperiode sein“, betonten die Liberalen.

Konkret fordert die FDP die Überarbeitung der der Bebauungspläne in Mainz: „Von Gastronomie bis zum Wohnungsbau merken wir, dass viele Bebauungspläne schlichtweg in die Jahre gekommen sind“, sagte Glahn, hier müsse die Stadt aktiv werden. So gab es zuletzt heftigen Streit um den Kulturcampus Ollohof in der Mainzer Neustadt, den ein Jahrzehnte alter Bebauungsplan derzeit verhindert, und um ein „Zaubercafé“ in der Mainzer Altstadt, das im Gegensatz zu seinen Nachbarn bereits um 20.00 Uhr schließen muss – erst im letzten Stadtrat im Mai beschloss das Stadtparlament, hier eine Änderung anzugehen.

Glahn: Innenstadt aufstocken, Hinterhöfe begrünen

Glahn argumentiert aber noch weiter: Gerade in der Innenstadt, in der Fußgängerzone zwischen Römerpassage und Kaufhof, gebe es viele Gebäude, die nach dem Krieg erst einmal niedrig gebaut wurden – hier sei „unheimlich viel Raum für Aufstockungen“, mit denen schnell neuer Wohnraum geschaffen werden könne, sagte Glahn im Mainz&-Gespräch. Auch gebe es dort wie in der Neustadt viele Hinterhöfe, die von veralteten Garagen blockiert würden, in die kein modernes Auto mehr passe. „Hier könnten viele grüne Lungen entstehen, die zum Beispiel von Anwohner gepflegt werden könnten“, schlägt Glahn vor: „Wir brauchen da Ideenwettbewerbe!“

Die Innenstadt rund um Römerpassage und Kaufhof wurde weitgehend in den 1960er Jahren gebaut. - Foto: gik
Die Innenstadt rund um Römerpassage und Kaufhof wurde weitgehend in den 1960er Jahren gebaut. – Foto: gik

Glahn fordert deshalb, die alten Bebauungspläne zu überarbeiten, „den Bedarf zu definieren, aber dabei nicht den Charakter eines Viertels kaputt zu machen.“ Natürlich wisse man „um die angespannte Personaldecke im Bauamt“, sagten Glahn, Dietz und Klann. Das alleine könne aber „kein Grund sein, um die Grundlage für eine dringend notwendige bauliche Weiterentwicklung in unserer Stadt weiter nach hinten zu verschieben.“ Deshalb wolle man eine „aktive Herangehensweise der zuständigen Verwaltung“ einfordern, um „die Blockade im Grundsatz aufzulösen.“

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Das ist interessant, weil das Baudezernat seit Jahrzehnten fest in Händen der SPD ist. Baudezernentin ist seit Februar 2010 die SPD-Politikerin Marianne Grosse, die im Mai 2017 erneut für acht Jahre gewählt wurde – ihre Amtszeit endet damit im Frühjahr 2025. Der neue Stadtrat wird deshalb auch diesen Posten neu zu bestimmen haben, dass die dann 63 Jahre alte Politikerin noch einmal antreten wird, dürfte unwahrscheinlich sein.

FDP will grundlegenden neuen Stadtentwicklungsplan

Der baupolitische Sprecher der Mainzer FDP, der Architekt Thomas A. Klann, fordert nun: „Mainz braucht einen Stadtentwicklungsplan.“ Die Stadt müsse „einmal von vorne bis hinten neu entwickelt werden“ heißt es bei der FDP, ansonsten werde ständig Geld aus dem Fenster geschmissen, weil Bauprojekte und Entwicklungen nicht zusammengedacht würden. „Die Stadtentwicklung führt ein Schattendasein, und das in einer Zeit, in der die Stadtentwicklung so dynamisch ist“, klagte Klann im Gespräch mit Mainz&.

Lieber mehr Hochhaus oder mehr Einfamilienhäuser? Mainz braucht einen neuen Stadtentwicklungsplan, fordert die FDP., - Foto: gik
Lieber mehr Hochhaus oder mehr Einfamilienhäuser? Mainz braucht einen neuen Stadtentwicklungsplan, fordert die FDP., – Foto: gik

Tatsächlich sei das Amt für Stadtentwicklung – heute „Amt für Stadtforschung und nachhaltige Entwicklung“ – aus dem Stadtplanungsamt auf der Zitadelle „herausgelöst, und ins Fort Malakoff verfrachtet worden“, von dort kämen keinerlei Impulse mehr, klagt Klann: Er wünsche sich nicht nur eine Sammlung von Studien, sondern auch „Impulse für eine kreative Umsetzung“, gerne auch gemeinsam mit der Architektenkammer und anderen Bauakteuren.

Einen „Masterplan für Mainz“ fordert auch die ÖDP seit Jahren, aktuell wendet sich die Partei zudem gegen den neuen Biotech-Campus an der Saarstraße: Die Bebauung werde genau in eine der wichtigsten Frischluftschneisen von Mainz gesetzt und „das Kaltluftentstehungsgebiet zerstören“, klagte ÖDP-Bauexpertin Ingrid Pannhorst auf der Podiumsdiskussion. Nach Ansicht der ÖDP hätte ein Biotechnologie-Campus entweder dezentral und stadtnah oder im Hechtsheimer Gewerbegebiet verwirklicht werden können. Auch sei denkbar, das Gewerbegebiet dort in ein Mischgebiet umzuwandeln, so könne dort zusätzlich Wohnraum geschaffen werden.

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Grüne für Biotech-Campus, Hochhäuser, gegen neuen Stadtteil

Ausgerechnet die Grünen sind derweil für den Biotech-Campus, der einen Großteil der Ackerflächen zwischen Saarstraße und Mainz 05-Stadion kosten würde. „Wir wollen den Campus, weil wir die Chance sehen für eine große Entwicklung“, sagte Grünen-Kreischef Jonas König in der Debatte. Einen Ausgleich wollen die Grünen mit einem „zweiten Grüngürtel“ schaffen, der sich ebenfalls über die Felder ziehen würde – die ÖDP hatte das scharf als unsinnig kritisiert: Es brauche Grün in der Innenstadt, nicht „auf der grünen Wiese.“ Im Wahlprogramm sprechen sich die Grünen zudem für mehr bezahlbares Wohnen aus, neue Wohngebiete wollen sie dafür aber nicht erschließen – statt dessen setzt man auf Nachverdichtung und die Bebauung von Konversionsflächen.

Auf diesen Feldern bei Bretzenheim entlang der Saarstraße soll der neue Biotech-Campus entstehen - und nach dem Willen der Grünen ein "zweiter Grüngürtel". - Foto: gik
Auf diesen Feldern bei Bretzenheim entlang der Saarstraße soll der neue Biotech-Campus entstehen – und nach dem Willen der Grünen ein „zweiter Grüngürtel“. – Foto: gik

„Bei uns im Wahlprogramm findet man keinen neuen Stadtteil mehr“, räumte König ein – das klang stark nach der Aussage von den „Grenzen des Wachstums“, die schon der OB-Kandidat der Grünen, Christian Viering, in seinem Wahlkampf propagiert hatte – Viering hatte dafür einen veritablen Empörungssturm geerntet. „Wir müssen Ökologie und Ökonomie verbinden“, betonte König nun, gleichzeitig aber wollen die Grünen „ein modernes, grünes Hochhaus“ auf dem Gelände des Alten Postlagers am Hauptbahnhof errichten. König erwähnte damit auch nicht, dass auch die Grünen die Potenzialanalyse für neue Stadtgebiete bei Hechtsheim und Ebersheim in der Ampel mitgetragen hatten

Eine Hochhaus in der Neustadt kann sich auch die Linke vorstellen: „Neben den Bonifaziustürmen kommt der Anna Seghers Turm hin“, erneuerte Linken-Stadtrat Martin Malcherek seinen Vorschlag aus dem OB-Wahlkampf, betonte aber zugleich: „Wir müssen mehr Grün in die Stadt bringen, wir müssen entsiegeln.“ Wer aber rund 5.000 neue Arbeitsplätze in der Stadt schaffen wolle, wie mit dem Biotech-Hub, „dann müssen wir auch sagen, wo die wohnen sollen“, sagte Malcherek. Billiger werde das nur, „wenn die Wohnbau baut“, betonte der Linke, dafür aber dürfe die Stadt „nicht länger der Wohnbau ihre Gewinne wegnehmen“, damit diese auch investieren könne.

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SPD: flächenschonend bauen – FDP: Grundsteuer senken

Auch die SPD-Stadtratskandidatin Eva Riempp zeigte sich angesichts der Forderungen nach „grünen Hochhäusern“ skeptisch: „Sie können kein Gebäude bauen, das nicht am Ende klimawirksam ist“, betonte die Geographin – ein Klimaneutrales Bauen gebe es schlicht nicht. „Wir müssen möglichst flächenschonend bauen und Wohnflächenbedarfe reduzieren“, forderte sie: „Wenn wir neu bauen müssen, müssen wir flächenschonend und langlebig bauen.“

Das neue Wohngebiet im Mainzer Zollhafen im April 2024. - Foto: gik
Das neue Wohngebiet im Mainzer Zollhafen im April 2024. – Foto: gik

Die Mainzer FDP fordert derweil, den Wohnungsbau wieder anzukurbeln, und zwar durch die Erstattung von Gebühren bei Bauanträgen sowie eine Senkung der Grundsteuer. Mainz solle Investoren auf fünf Jahre die Grundsteuer erstatten, schlagen die Liberalen vor, das solle Investoren ermutigen, vermehrt den Bau von Wohnungen zu finanzieren und somit den Wohnraum in Mainz zu erweitern. Und überhaupt müsse die Grundsteuer in Mainz runter: Die derzeit laufende Grundsteuerreform führe „nach derzeitigen Erwartungen zu weiteren, neuen Belastungen im selbstgenutzten und im vermieteten Wohnungsmarkt“, kritisieren die Liberalen.

„Diese Verteuerung im Wohnungsbau muss abgewendet werden“, fordern Glahn, Dietz und Klann abzuwenden: Die FDP wolle deshalb auf Basis der Steuerdaten, die im Herbst 2024 erwartet werden, dem Stadtrat einen Vorschlag für die Senkung der Grundsteuersätze vorlegen. Das könnte ein interessantes Rechenexempel werden: Ersten Bescheiden zufolge sind die neuen Messbeträge in Mainz regelrecht explodiert – Hausbesitzer berichten von dem Sechsfachen bis zum 17-fachen ihrer bisherigen Steuerwerte. Dabei hatte die Politik versprochen, die Grundsteuerreform werde „aufkommensneutral“ werden, wie das in einer Stadt wie Mainz mit ihren völlig explodierten Immobilienpreisen aussehen soll, ist bislang völlig unklar.

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Ergebnissen der Grundsteuerreform in Mainz lest Ihr hier bei Mainz&. Unsere ausführliche Bilanz-Analyse zur Ampel 3.0 findet Ihr hier bei Mainz& – und alle unsere Berichte zur Kommunalwahl 2024 in diesem Mainz&-Dossier.