UPDATE& – Nach jahrelangem Hin und Her ist es jetzt doch so weit: Auch in Mainz wird nun der Ausstoß von Ultrafeinstaubpartikeln in der Einflugschneise von Flugzeugen gemessen. In Mainz-Hechtsheim nahm am Dienstag eine Messstation des Hessischen Landesamtes für Umwelt den Betrieb auf, sie soll helfen, eine Frage zu klären: Reicht der Einfluss des Frankfurter Flughafens in Bezug auf die Luftqualität bis nach Mainz? Und wie stark beeinflussen die Ausstoßfahnen der Flugzeugtriebwerke die Luft in den südlichen Mainzer Vororten? Termintipp&: Der Arbeitskreis Fluglärm Lerchenberg lädt am Mittwoch zu einer Informationsveranstaltung zu diesem Thema.

Wolfgang Schwämmlein (links) und Joachim Alt im April 2018 mit Ergebnissen von Ultrafeinstaubmessungen aus Raunheim. – Foto: gik
Wolfgang Schwämmlein (links) und Joachim Alt im April 2018 mit Ergebnissen von Ultrafeinstaubmessungen aus Raunheim. – Foto: gik

Der Eröffnung ging ein jahrelanges Tauziehen um Ultrafeinstaubmessungen voraus, jahrelang wurde sogar um die Frage gerungen, wie giftig Ultrafeinstaubpartikel für die Gesundheit überhaupt sind – und ob Flugzeuge diese überhaupt ausstoßen. Nun heißt es ganz selbstverständlich aus dem Land Hessen: „Ultrafeinstaub beeinträchtigt unsere Gesundheit“ und „der Betrieb des Frankfurter Flughafens stellt eine bedeutende Quelle für ultrafeine Partikel dar.“

Es begann im Frühjahr 2018: Da gingen die beiden Mainzer Ingenieure Joachim Alt und Wolfgang Schwämmlein mit Ergebnissen eigener Messungen an die Öffentlichkeit. Mainz& berichtete damals exklusiv als erstes Medium, was die beiden Experten und Aktivisten der Anti-Fluglärm-Initiative in Mainz seit 2015 in Messaktionen rund um den Frankfurter Flughafen und bis nach Mainz festgestellt hatten: Exorbitant hohe Konzentrationen von Ultrafeinstaubpartikeln in der Luft – Mengen von bis zu 100.000, ja sogar 500.000 Partikel pro Kubikzentimeter Luft.

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Ultrafeinstaub: Winzig, giftig, extrem gefährlich

Ultrafeinstaubpartikel (UFP) sind ultrafeine Ruß-Partikel, die kleiner als 100 Nanometer sind, und primär bei Verbrennungsprozessen im Verkehr und in der Industrie entstehen – aber eben auch in Triebwerken von Flugzeugen. Diese ultrafeinen Partikel, die noch kleiner sind als regulärer Feinstaub der Größe PM10 oder PM2,5, können ins Lungengewebe und in die Bronchien eindringen und dort Entzündungsprozesse verursachen. Ja, Studien des Münchner Helmholtz-Instituts zufolge, überwinden die winzigen Partikel sogar die Schranken zu Gefäßen und Blutbahnen, und gelangen so nicht nur in Lungen, sondern auch ins Blut und bis ins Gehirn.

Grafik: Schäden durch Fluglärm, aber eben auch durch die Abgase von Flugzeugen. - Grafik: Unimedizin Mainz
Grafik: Schäden durch Fluglärm, aber eben auch durch die Abgase von Flugzeugen. – Grafik: Unimedizin Mainz

„Ultrafeinstaub ist extrem gefährlich“, warnte schon im Mai 2018 der Mainzer Herzspezialist Thomas Münzel zum Start einer eigenen Studie zu den Auswirkungen von Ultrafeinstaub auf den Körper: Die sogenannten „UFP“ könnten womöglich Auslöser für Herzkrankheiten, Lungenprobleme und auch Herz-Kreislaufprobleme sein. Das könnte den Raum Mainz besonders stark betreffen: Alt und Schwämmlein hatten unter Einflugschneisen von Flugzeugen rund um den Frankfurter Flughafen regelmäßig 20.000 bis 100.000 UFP-Partikel pro Kubikzentimeter Luft regelmäßig bei Überflug landender Maschinen gemessen – das zigfache einer durchschnittlichen Silvesterbelastung.

„Die Werte sind hoch erschreckend, da ist Gefahr im Verzuge“, hatte Alt bereits im April 2018 Alarm geschlagen: „Ich bin sicher, wenn Menschen diese Konzentrationen einatmen, dass das zu gesundheitlichen Folgen führt.“ Bereits ein einzelnes Partikel könne Auslöser von schwersten Krankheiten sein, „bei 500.000 Partikeln hat der Organismus sofort Stress“, sagte Alt. Einen solchen Spitzenwert hatte der Nachrichtentechniker tatsächlich in Raunheim in unmittelbarer Nähe zum Frankfurter Flughafen gemessen.

Flugzeugtriebwerke stoßen große Mengen UFP aus

Trotzdem dauerte es noch bis August 2019, bis man auch beim Hessischen Landesamt für Umwelt (HLNUG) einräumte: Die giftigen Rußpartikel werden von Flugzeugtriebwerken ausgestoßen, und das auch beim Starten und Landen. Zuvor hatte das HLNUG stets einen direkten Zusammenhang zwischen den Flugzeugen und dem Anstieg der Ultrafeinstaubkonzentrationen negiert, sogar die umliegenden Autobahnen und den Industriepark Höchst hatte man stattdessen als Quelle ausgemacht – vergeblich: An den Messungen von Schwämmlein und Alt kamen auch die Politiker in Hessen nicht vorbei.

Luftmessstation im hessischen Raunheim: Hier wird schon lange Ultrafeinstaub in der Einflugschneise gemessen. - Foto: gik
Luftmessstation im hessischen Raunheim: Hier wird schon lange Ultrafeinstaub in der Einflugschneise gemessen. – Foto: gik

„Die Flugzeugtriebwerke stoßen bei der Abfertigung, beim Starten, Landen und Rollen erhebliche Mengen an Ultrafeinstaubpartikeln aus“, räumte der Hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) schließlich Mitte August 2019 ein. Die benachbarte Autobahn A3 habe hingegen so gut wie keinen Einfluss auf die Werte, auch der Bodenbetrieb am Frankfurter Flughafen sei „eher gering einzuschätzen“, hieß es nun. Das HLNUG startete daraufhin eine eigene Wirkungsstudie und dafür auch umfangreiche Messungen von UFP-Partikeln rund um den Flughafen.

Nur: Am Rhein hörten die Messungen und Karten weiter schlagartig auf – für das Nachbarland Rheinland-Pfalz fühlte man sich nicht zuständig. Dabei führt die zweitwichtigste Anflugschneise für den Frankfurter Flughafen geradewegs über die Landeshauptstadt Mainz: Bei Ostwind schwenken die Flugzeuge im Landeanflug nach Frankfurt genau über die südlichen Mainzer Stadtteile Drais, Marienborn, Weisenau, Hechtsheim, Laubenheim und seit dem Bau der Nordwestlandebahn eben auch über der Mainzer Oberstadt ein.

In Mainz jahrelang keine UFP-Messungen in Einflugschneise

Doch in Rheinland-Pfalz weigerte sich die rot-grüne Landesregierung weiterhin, eigene Messungen in Sachen Ultrafeinstaub zu starten – und das, obwohl Schwämmlein und Alt stark erhöhte UFP-Werte auch in den südlichen Mainzer Stadtteilen gemessen hatten. Im August 2019 forderte sogar die damalige Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) Messstationen für Mainz, Abgeordnete aus Mainz und Rheinhessen forderten genau das in einem offenen Brief – vergeblich.

Ultrafeinstaubmessungen in Raunheim und ihre Beziehung zu Überflügen. Grafiken_ Schwämmlein/Alt
Ultrafeinstaubmessungen in Raunheim und ihre Beziehung zu Überflügen. Grafiken: Schwämmlein/Alt

Auch eine Untätigkeitsbeschwerde der Mainzer BI gegen Fluglärm gegen die damalige Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) samt Brief an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) brachten keinerlei Fortschritt: In der Mainzer Landesregierung weigerte man sich einfach. Nach der Landtagswahl 2021 wurde nun Eder Klimaschutzministerin, doch wieder passierte nichts – bis jetzt.

Am Dienstag wurden in Mainz-Hechtsheim die ersten offiziell-behördlichen Messungen Ultrafeiner Partikel (UFP) in Mainz gestartet, in Kooperation zwischen den beiden Landesumweltämtern von Hessen und Rheinland-Pfalz. Dafür wurde nun ein Messcontainer des hessischen Sondermessprogramms zu ultrafeinen Partikeln nach Mainz-Hechtsheim verlagert, der hier zunächst für die Dauer von einem Jahr Messungen durchführen soll.

Neue Messstation in Mainz-Hechtsheim: Dicke UFP-Luft?

Die erhobenen Messdaten und Ergebnisse sollen sowohl durch das LfU als auch durch das HLNUG im Internet veröffentlicht werden, „und die Grundlage für mögliche weitere Ultrafeinstaubmessungen in Rheinland-Pfalz“ bilden, heißt es weiter. Die Ergebnisse sollen helfen, „die räumliche Verteilung ultrafeiner Partikel im Rhein-Main-Gebiet zu charakterisieren“, erste Ergebnisse sollen noch in diesem Jahr der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Die neue Messstation für Ultrafeinstaub in Mainz-Hechtsheim - mit Flugzeug am Himmel. - Foto: Ditas/HLNUG
Die neue Messstation für Ultrafeinstaub in Mainz-Hechtsheim – mit Flugzeug am Himmel. – Foto: Ditas/HLNUG

„Mit der Aufnahme von UFP-Messungen in Mainz beschreiten wir neue Wege für Rheinland-Pfalz in Sachen Luftreinhaltung“, betonte denn auch Klimaschutzministerin Eder bei der Vorstellung der Messstation. Nach jahrzehntelanger Überwachung von Schwebstaub und Feinstaub, rücke zunehmend die Belastung durch ultrafeine Partikel in den lufthygienischen Fokus. „Gerade in Mainz ist die Frage der Luftreinhaltung allgemein durch den Individualverkehr oder Einzelfeuerungsanlagen, und die besondere Situation durch die Nähe zum Frankfurter Flughafen in den letzten Jahren immer wieder Thema gewesen“, sagte Eder weiter: „Deswegen war es naheliegend, die Messstation in die Landeshauptstadt zu bringen.“

Auch die Mainzer Umweltdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) zeigt erfreut über die UFP-Messungen: „Mit der Aufstellung einer zusätzlichen Messstation für Ultrafeinstaub kommt das Ministerium dem Wunsch der Mainzer nun absolut entgegen“, sagte Steinkrüger. Schon jetzt sei klar: „Ultrafeinstaub beeinträchtigt unsere Gesundheit“, betonte HLNUG-Präsident Thomas Schmid, deshalb habe man bereits vor sechs Jahren mit UFP-Messungen begonnen. „Wir freuen uns, dass wir damit nun unser Nachbarbundesland unterstützen können – für sauberere Luft in Hessen und Rheinland-Pfalz“, fügte Schmid hinzu.

Messungen in Mainz: Wie weit reicht UFP-Ausstoß des Flughafens

Mit den nun startenden Messungen in Mainz-Hechtsheim werde der Einfluss des Flugbetriebs auf die UFP-Konzentration in Gebieten untersucht, die weiter vom Flughafen entfernt, aber unterhalb der Anfluglinien liegen, betonte der rheinland-pfälzische LfU-Präsident Frank Wissmann. Für die technisch sehr anspruchsvollen Messungen werde ein sogenannter Kondensationspartikelzähler des HLNUG zum Einsatz kommen, der die Gesamtpartikelanzahl von Partikeln größer als 10 Nanometer im Sekundentakt erfasst.

Abgasfahne eines Flugzeugs aus dem Jahr 1961: Wie dreckig sind die Flieger heute? - Foto: Alt
Abgasfahne eines Flugzeugs aus dem Jahr 1961: Wie dreckig sind die Flieger heute? – Foto: Alt

Zur Beurteilung der Luftqualität werden neben der Anzahlkonzentration ultrafeiner Partikel zusätzlich die Feinstaubmasse der Fraktionen PM10 und PM2,5, Stickoxide sowie meteorologische Parameter gemessen. Die Überwachung der Konzentration ultrafeiner Partikel ist derzeit nicht gesetzlich vorgeschrieben, es existieren auch keine gesetzlichen Grenz- oder Zielwerte, die eingehalten werden müssen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt jedoch die Erfassung der UFP-Konzentrationen, um mögliche gesundheitliche Auswirkungen untersuchen zu können.

Die Auswirkungen der UFP-Belastungen wird ab diesem Jahr auch im Rahmen einer umfangreichen wissenschaftlichen Studie des Forums Flughafen und Region (FFR) untersucht. Die aktuellen Messwerte für Luft in Rheinland-Pfalz kann man im Zimen-Messsystem des Landes einsehen – wenn Ihr in dem Fenster UFP anklickt, seht Ihr die Ergebnisse aus Hechtsheim: Am heutigen Dienstagabend waren es zwischen 5.760 Partikel pro Kubikzentimeter Luft gegen 19.30 Uhr und 15.825 Partikel um 16.00 Uhr – zum Vergleich: An Silvester wurde durch Mitternachtsfeuerwerk an Silvester 2016/2017 in Raunheim ein Mittelwert von rund 46.000 Partikeln UFP gemessen.

UPDATE&: Der Arbeitskreis Lerchenberg, eine der ältesten Initiativen in Mainz in Sachen Fluglärm, lädt am Mittwoch, den 12. April 2023, zu seiner Sitzung – und es geht um das Thema der Ultrafeinstaubmessungen in Mainz-Hechtsheim. Wer mehr Informationen möchte, ist hier genau an der richtigen Stelle. Treffpunkt ist am 12. April 2023 ab 19.00 Uhr in Mainz-Hechtsheim, und zwar im Sitzungssaal der alten Ortsverwaltung in der Morschstraße 1. Zu Gast ist auch die neue Hechtsheimer Ortsvorsteherin Ulrike Cohnen (CDU).

Info& auf Mainz&: Mehr zur Ultrafeinstaub-Studie des Forums Flughafen und Region gibt es hier im Internet, mehr zu den UFP-Untersuchungen des Hessischen Umweltamtes findet Ihr ausführlich hier im Internet. Die hessischen Messwerte zu UFP findet Ihr hier im Datenportal des HLNUG.