Seit über einem Monat sind Restaurants, Bars und Kneipen wegen der Corona-Pandemie geschlossen, die Mainzer Gastronomieszene trifft das richtig hart: Wohl in kaum einer anderen Stadt wird so viel ausgegangen und auswärts genossen wie im lebensfrohen Mainz. „Der Mainzer wird durch diese Sache mitten in sein Herz getroffen“, sagt die Mainzer Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) – der Schaden für die Gastronomie in Mainz könne schnell einen dreistelligen Millionenbetrag ausmachen. Mit rund 150 leeren Stühlen machten deshalb Mainzer Gastronomiebetriebe am Freitagmittag auf dem Schillerplatz vor dem Osteiner Hof auf ihre prekäre Lage aufmerksam. Ihre Forderung: Einen Fahrplan für ihre Wiederöffnung, eine Mehrwertsteuersenkung von sieben Prozent auch auf Getränke und mehr Unterstützung vom Staat.

Mit der Aktion "Leere Stühle" machten am Freitag rund 30 Mainzer Gastronomiebetriebe auf ihre prekäre Situation in der Coronakrise aufmerksam. - Foto: gik
Mit der Aktion „Leere Stühle“ machten am Freitag rund 30 Mainzer Gastronomiebetriebe auf ihre prekäre Situation in der Coronakrise aufmerksam. – Foto: gik

Domsgickel und Goldstein, Extrablatt, Sixties und Mexiko Lindo – rund 30 Mainzer Gastronomiebetriebe hatten sich am Freitag spontan zu der Protestaktion „leere Stühle“ zusammengeschlossen. Der Leaders Club Germany hatte zu der Aktion aufgerufen bundesweit beteiligten sich Gastronomiebetriebe in rund 75 Städten an dem Protest. Und so bot sich den Passanten auf dem Mainzer Schillerplatz ein wahrhaft ungewohntes Bild: Eine Armee von leeren Stühlen, wie es sie im Normalfall in den Mainzer Lokalen, Kneipen und Weinstuben im Normalfall so niemals geben würde.

„Wir vermissen Sie, wir vermissen Sie sogar sehr“, sagt Jonas Kloos. Der Mainzer leitet das Restaurant Big Easy an der Rheingoldhalle, seine Terrasse am Rheinufer wäre normalerweise bei diesem Wetter brechend voll. Doch stattdessen steht Kloos auf dem Schillerplatz in Mainz, hinter sich gut 150 leere Stühle – und schaut mit Sorgen in die Zukunft. Mit Straßenverkauf hält er sich derzeit über Wasser, doch das mache höchsten zehn Prozent seines eigentlichen Umsatzes aus, erzählt Kloos. Wann er wieder öffnen darf, mit welchen Einschränkungen – Kloos weiß es nicht.

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Laurenz Burkhardt, Betriebsleiter des Szenerestaurants Aposto, auf leeren Stühlen auf dem Schillerplatz. - Foto: gik
Laurenz Burkhardt, Betriebsleiter des Szenerestaurants Aposto, auf leeren Stühlen auf dem Schillerplatz. – Foto: gik

„Wenn es so weiter läuft wie jetzt, werden wir den Winter nicht erleben“, sagt Laurenz Burkhardt, Betriebsleiter des Szenerestaurants Aposto am Gutenbergplatz. 50 Mitarbeiter beschäftigt er, knapp 40 Prozent sind Vollzeitkräfte, die musste er in Kurzarbeit schicken. Die Soforthilfen des Bundes greifen bei Burkhardt nicht, dafür hat er zu viele Mitarbeiter. Ob er Kredite bekommt, weiß er noch nicht, die Anträge seien gestellt, sagt er nur. Seine Mitarbeiter in Kurzarbeit müssten derzeit mit 30 bis 40 Prozent ihres normalen Lohns auskommen, berichtet er, weil Wochenend- und Nachtzuschläge sowie das Trinkgeld wegfielen.

„Für die Gastronomie ist der Shutdown ganz bitter“, sagt auch die Mainzer Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) im Gespräch mit Mainz&, sie glaubt: „Mainz wird sogar noch härter getroffen als andere Städte.“ Die Gastronomieszene in Mainz ist so vielfältig und auch so reichhaltig wie in wenigen anderen Städten: Da gibt es die vielen Weinstuben, die Restaurants, Pizzerien, aber eben auch Szenegastronomie und eine ungemein vielfältige Szene mit Essen aus aller Welt von Afrika bis hin zur Cajun-Küche des Big Easy – und in der Regel sind alle diese Lokale in den Abendstunden voll.

„Mir ist noch nie eine Stadt begegnet, die so sehr ihre Lebensfreude nach außen lebt wie Mainz“, sagt Matz, „und das spiegelt sich ganz zentral in seiner Gastronomie.“ Der Shutdown mache der Stadt deshalb, „unglaublich zu schaffen“, die Verluste seien hoch. Nicht jedes Lokal werde die Krise überleben, so die Befürchtung. „Die Krise trifft jeden gleich, das kann keiner einfach so abfangen“, sagt Matz, „das sind zum Teil dramatische Schicksale.“

Sooo viele Stühle, so wenig Gäste: Mainzer Gastronomie leidet unter dem Shutdown. - Foto: gik
Sooo viele Stühle, so wenig Gäste: Mainzer Gastronomie leidet unter dem Shutdown. – Foto: gik

Der Unmut der Gastronomen sei verständlich, die Öffnung der Geschäfte habe zu einem Gefühl der Ungleichbehandlung geführt, findet auch die rheinhessische Industrie- und Handelskammer (IHK), die rund 2.200 Gastronomiebetriebe allein in Rheinhessen vertritt. „Die entgangenen Umsätze des Frühjahrsgeschäftes machen dieser Branche, die traditionell nur wenig Rücklagen bilden kann, schwer zu schaffen“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Günter Jertz gegenüber Mainz&: „Auch unsere IHK hatte gehofft, dass Unternehmen, die Hygieneregeln und Abstandsgebote für Mitarbeiter und Kunden erfüllen, wieder öffnen können.“ Vorgaben wie ein Kunde pro maximal zehn Quadratmetern, Warteschlangen-Regulierungen oder generell hohe Hygienestandards seien in der Branche gut umzusetzen.

Hygieneregeln, Abstand zwischen den Tischen, das sei doch alles machbar, sagt auch Burkhardt: „Hygiene ist unser tägliches Brot, wir könnten ohne Probleme Konzepte erarbeiten.“ Und wenn das bedeute, dass jeder Gast eben nur zwei Biere trinken dürfe, alles sei besser als die Schließung, sagt er noch: „Dass wir wenigstens zu einem Prozentsatz wieder arbeiten können.“

Selbst wenn es zu Lockerungen komme, seien die Probleme der Branche aber noch nicht vorbei, sagt Matz, mit den neuen Abstandsregeln seien ja nicht mehr 100 Prozent der Plätze in einem Lokal nutzbar. „Wenn man nur einen Bruchteil belegen kann, wird es schwierig“, fürchtet die Dezernentin, „dann ist die Frage, wie wirtschaftlich so ein Betrieb noch zu führen ist.“ Die Stadt Mainz hatte deshalb in ihrem Hilfsprogramm den Betrieben mit Außenbestuhlung versprochen, großzügige Sonderregelungen für mehr Flächen zu ermöglichen – doch auch solche Flächen muss man erst einmal haben. Eigene Hilfsgelder könne die Stadt angesichts ihrer Haushaltslage aber „nicht leisten“, bedauerte Matz.

Das Big Easy an der Mainzer Rheingoldhalle, hier bei einer Johannisnacht, wäre jetzt gut gefüllt. - Foto: gik
Das Big Easy an der Mainzer Rheingoldhalle, hier bei einer Johannisnacht, wäre jetzt gut gefüllt. – Foto: gik

„Was wir brauchen ist eine Exitstrategie“, sagt Markus Hoffmann, dessen Enchilada-Gruppe in Mainz mehrere Restaurants betreibt, und der die Aktion am Freitag koordinierte: „Wir brauchen einen Fahrplan und einen Maßnahmenkatalog, wann kann es weiter gehen, wie kann es weiter gehen.“ Gerade kleinen Kneipen helfe die jetzt angekündigte Mehrwertsteuersenkung von sieben Prozent auf Speisen so gut wie gar nicht: „Kneipen wie der Domsgickel machen ihren Umsatz mit Getränken, da machen Speisen nicht einmal 20 Prozent aus“, sagt Hoffmann, „da sind die sieben Prozent nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Die Branche brauche echte Zuschüsse als Unterstützung, bemessen etwa anhand der jeweiligen Steuererklärung, sonst drohe gerade kleinen Betrieben in kürzester Zeit die Überschuldung.

Die Aktion „Leere Stühle“ solle deshalb deutlich machen, was der Szene drohe, wenn hier nicht geholfen werde – leere Stühle statt fröhlichem Treiben. „Das hier ist ein gemeinsames Projekt der Mainzer Gastronomie“, betont Hoffmann noch, „egal ob klein ob groß, ob familiengeführt oder eine Kette, alle halten zusammen, denn es geht gerade allen gleich.“

Info& auf Mainz&: Ihr könnt den Mainzer Gastronomen übrigens helfen, durch die Krisenzeit zu kommen: Über die Aktion „Mainz liefert“ könnt Ihr bei Eurem Lieblingsrestaurant in Mainz Essen bestellen und Euch nachhause liefern lassen. Rund 20 Mainzer Restaurants machen dabei mit – welche das sind und wie es geht, seht Ihr auf dieser Internetseite. Alle Informationen, Meldungen und Hintergründe zur Coronavirus Epidemie findet Ihr weiter auf unserer Sonderseite „Alles zum Coronavirus“ genau hier bei Mainz&.

 

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