Deutschland rutscht immer tiefer in eine Rezession, gerade erst musste die Bundesregierung ihre Wirtschaftsdaten für das Jahresende 2023 deutlich nach unten korrigieren. Und auch die Unternehmen in Mainz und Rheinhessen schauen pessimistisch in die Zukunft, ergab nun eine Umfrage der IHK Mainz-Rheinhessen: Die Lage sei angespannt, der Ausblick von Unsicherheit geprägt, die Konjunktur im Keller – in den Unternehmen herrschten Frust und Verunsicherung. Alarmierend dabei: Deutschland ist das einzige EU-Land, das dermaßen in die negativen Zahlen rutscht. Als Hauptgründe nennen Experten wie der Internationale Währungsfonds: Energiepreise und Inflation.
„Die aktuelle Geschäftslage der Unternehmen in Rheinland-Pfalz ist so schlecht wie seit dem Corona-Herbst 2020 nicht mehr“, stellte die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mainz-Rheinhessen an diesem Freitag fest: „Die Lage ist weiter angespannt, der Ausblick von Unsicherheit geprägt.“ Die wirtschaftliche Entwicklung in Rheinland-Pfalz stagniere bereits seit Frühsommer auf niedrigem Niveau, der ersehnte Aufschwung sei ausgeblieben – nun zeige die Konjunktur vor dem Winter sogar wieder nach unten.
Die Geschäftserwartungen der Unternehmen hatten sich zwar nach dem dramatischen energiepreisbedingten Einbruch im Herbst 2022 bis zum Frühsommer etwas stabilisiert, teilte die IHK mit, diese Entwicklung setze sich jedoch nicht fort – im Gegenteil: 55 Prozent ,und damit über die Hälfte der Unternehmen, rechneten in der jüngsten Konjunkturumfrage mit einer höchstens gleichbleibenden, 35 Prozent sogar mit einer schlechteren Geschäftsentwicklung. Mit -25 sei der entsprechende Saldo damit weiter ins Negative gefallen, im Frühsommer war er bereits um 14 Prozent eingebrochen.
Konjunktur im Keller, Frust und Verunsicherung in Firmen
Der IHK-Konjunkturklimaindex ist das Stimmungsbarometer der Wirtschaft, in der traditionellen Herbstumfrage rutschte er nun um 9 auf 88 Punkte weiter ab. Damit entferne sich der Index wieder weiter von der 100-Punkte-Marke, der Grenze zwischen positiver und negativer Gesamtstimmung, betonte die IHK. Der Abschwung halte damit seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine an. Demnach schätzen nur noch 28 Prozent der Betriebe ihre Lage als gut ein (Frühsommer 2023: 29 Prozent), 25 Prozent aber als schlecht (Frühsommer 2023: 19 Prozent), und 47 Prozent beurteilen ihre Lage als weiterhin gleichbleibend (Frühsommer 2023: 52 Prozent).
Immerhin scheine die aktuelle Finanzlage der Betriebe stabil zu sein: 60 Prozent geben an, dass ihre Finanzlage unproblematisch ist. Doch die Stimmung sei fast so schlecht wie beim Allzeittief aus dem Herbst 2022 (-51 Prozent). „Bereits der Sommer hat erwarten lassen, dass es um die Wirtschaft nicht gut bestellt ist“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Arne Rössel. Das bestätige sich nun: „Weniger Aufträge, Kostendruck, fehlendes Personal und dazu die vielen Debatten in der Politik: All das führt dazu, dass bei den Unternehmen Frust und Verunsicherung vorherrschen.“
Die Gründe für die schlechte Stimmung seien vielfältig: Mit 60 Prozent belegt der Fachkräftemangel Platz eins der größten Geschäftsrisiken. Dicht darauf folgen die Energiepreise (57 Prozent), der Inlandsabsatz (55 Prozent) und die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (54 Prozent) sowie die Arbeitskosten (51 Prozent). Damit werden fünf von zehn der abgefragten Geschäftsrisiken von über der Hälfte der Unternehmen als Gefahr für die betriebliche Entwicklung angegeben. Zum Vergleich: In der Vorumfrage waren das nur bei drei Faktoren – den Energiepreisen (61 Prozent), dem Fachkräftemangel (60 Prozent) und den Arbeitskosten (50 Prozent) – der Fall gewesen.
Schlechte Stimmung: Viele Risiken, wenig Wachstumsimpulse
Entsprechend zurückhaltend sind die Firmen bei Investitionen: 74 Prozent der Betriebe haben gleichbleibende oder geringere Investitionsabsichten. Auch die Exporterwartungen der Industrie brächen vor dem Hintergrund der schwächelnden Weltkonjunktur weiter ein: 81 Prozent der Industrieunternehmen rechnen mit gleichbleibenden oder geringeren Ausfuhren von Gütern ins Ausland. „Die Betriebe sehen sich mit mehr Risiken von unterschiedlichen Seiten konfrontiert. Das ist beunruhigend, denn nirgendwo gibt es wirklich Entlastung“, stellte Rössel fest. Entsprechend zurückhaltend seien Unternehmen mit der Ausweitung von Kapazitäten und bei der Innovation von Produkten. Der Handlungsspielraum und die Planungssicherheit seien zu begrenzt.
Den größten Einbruch beim Wirtschaftsindex verzeichnete die IHK bei der Industrie, vor allem in der der energieintensiven Vorleistungsgüterindustrie habe sich die Stimmung maßgeblich verschlechtert. Auch dem Handel bereite die Zukunft vor dem Hintergrund der Inflation und der damit verbundenen Konsumzurückhaltung der Kunden Sorgen. Die Dienstleistungsbranche habe zwar mit einem Konjunkturklimaindex von 95 Punkten noch die beste Grundstimmung doch auch hier sinke das Vertrauen in die Wirtschaftspolitik, warnte Rössel: „Die Unternehmerinnen und Unternehmer sind zusehends ratlos, wenn nicht gar entnervt.“
Hohe Energiepreise, die Folgen des demografischen Wandels, bürokratische Belastungen, marode Infrastrukturen, hohe Arbeitskosten – die Liste an strukturellen Problemen sei lang, doch in der Wirtschaftspolitik werde diese komplexe Gemengelage „noch zu sehr ausgeblendet oder gar verschärft“, kritisierte der IHK-Vertreter, und forderte: „Die Politik muss für wirkliche Reformen sorgen. Nur so kann das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort – und damit auch die Konjunktur – wieder gestärkt werden.“
Deutschland ist das einzige Land in Europa, das eine derart negative Wirtschaftsentwicklung aufweist – Frankreich, Italien, Niederlande, Spanien oder sogar Polen weisen alle ein Wirtschaftswachstum auf. Die EU warnte kürzlich sogar, die Schwäche der deutschen Wirtschaft werde immer deutlicher zu einem Problem für die Konjunktur im gesamten Europa. Anfang Oktober bescheinigte der Internationale Währungsfonds Deutschland sogar noch schlechtere Zahlen als noch im Juli und eine deutliche Rezession – als einziges Land aus der Reihe der stärksten Volkswirtschaften der Welt. Als einer der Hauptgründe nannte der IWF: die hohen Energiepreise und die Inflation.
Info& auf Mainz&: Die Umfrage zum IHK-Konjunkturklimaindex lief von 11. September bis 12. Oktober 2023. Teilgenommen haben 925 Unternehmen mit rund 164.000 Beschäftigten.