Bereits im Februar warnte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag DIHK, Deutschland drohe die größte Wirtschaftskrise seit mehr als 20 Jahren, nun zeigt die Herbstumfrage der Kammern: Die Wirtschaft in Rheinhessen tritt weiter auf der Stelle, ein Ende der Konjunkturflaute ist nicht in Sicht. In Hessen ist gar von einem regelrechten Stimmungseinbruch die Rede: Der Geschäftsklimaindex sank hier von 96 auf 90 Punkte und fällt damit sogar unter das Vorjahresniveau. In Rheinhessen schauen vor allem Industrie, Handel und Dienstleister düster in die Zukunft.

Die deutsche Wirtschaft schaut auch auf das Jahr 2025 mit Pessimismus. - Foto: gik
Die deutsche Wirtschaft schaut auch auf das Jahr 2025 mit Pessimismus. – Foto: gik

Schon im Februar hatte der DIHK gewarnt, die deutsche Wirtschaft werde 2024 wohl im zweiten Jahr in Folge schrumpfen – und zwar um 0,5 Prozent. Damit würde Deutschland erst zum zweiten Mal in der Nachkriegsgeschichte eine Phase von zwei aufeinanderfolgenden Jahren mit schrumpfender Wirtschaftsleistung erleben, warnte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte da unverdrossen weiter ein leichtes Wachstum voraus, inzwischen musste der Minister seine zu positive Konjunkturprognose nach unten korrigieren: Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Rückwärtsgang.

Und dafür ist kein Ende in Sicht: „Die Wirtschaft in Rheinhessen tritt weiter auf der Stelle, und ein Ende der Konjunkturflaute ist nicht in Sicht“, meldete jetzt die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mainz-Rheinhessen. Die Ergebnisse der Konjunkturumfrage zum Herbst 2024 zeigten: Geschäftserwartungen und Investitionsabsichten seien negativ, die Exporterwartungen stagnierten – eben so die Beschäftigungspläne. Dazu erlebt Deutschland gerade eine Rekordzahl an Insolvenzen: Deren Zahl stieg im ersten Halbjahr 2024 um satte 31 Prozent.

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Herbstumfrage: düstere Aussichten und Stimmungseinbruch

Mit ihrer Herbstumfrage fragen die IHKs in Deutschland die Stimmung in der Wirtschaft ab, und die verdüstert sich immer mehr. In Hessen gibt es laut HIHK sogar einen „regelrechten Stimmungseinbruch“, hier sank der Geschäftsklimaindex von 96 auf 90 Punkte und drehte damit deutlich in den Bereich „pessimistisch“. Damit liege die Stimmung sogar noch unter der Herbstumfrage 2023, als der Index noch bei 91 Punkten lag. „Der Wachstumsbereich rückt wieder weiter in die Ferne“, klagte Frank Aletter, Geschäftsführer des Hessischen Industrie- und Handelskammertags.

Die Baubranche verzeichnet weiter erhebliche Probleme. - Foto: gik
Die Baubranche verzeichnet weiter erhebliche Probleme. – Foto: gik

Im Gegensatz zur letzten Umfrage im Frühsommer sei die Stimmung bei allen Branchen gesunken, allen voran die Industrie: Hier sackte der Geschäftsklimaindex von 92 auf 78 Punkte deutlich ins Minus. Auch in der Baubranche habe sich der Index mit einem Rückgang von von 93 auf 83 Punkte deutlich ins Negative gedreht, ebenso im Handel, wo der Index von 86 auf 79 Punkte sank. Der Dienstleistungssektor sei hingegen die einzige Branche mit einem Index über der Wachstumsschwelle von 100 Punkten, auch hier sind es aber nur 101 Punkte.

Das Ergebnis: Die Unternehmen planen weniger Investitionen – und tendenziell weiteren Beschäftigungsabbau. Das gilt auch für Rheinhessen, auch wenn hier der Konjunkturklimaindex aktuell mit 101 Punkten noch gerade so an der Wachstumsschwelle von 100 Punkten liegt. „Dieser Wert ist seit nunmehr eineinhalb Jahren fast unverändert“, stellte IHK-Präsident Marcus Walden besorgt fest: „Die Risiken sind seither nicht kleiner geworden, und auch die Wirtschaftspolitik hat es nicht geschafft, zum Turnaround beizutragen.“

Geschäftslage befriedigend, Investitionszurückhaltung alarmierend

Als „gut“ betrachten derzeit denn auch nur 30 Prozent der Unternehmen in Rheinhessen ihre Geschäftslage, für 51 Prozent ist sie lediglich „befriedigend“ – und für 19 Prozent sogar „schlecht“. Und nur 17 Prozent rechnen für die Zukunft mit einer besseren Geschäftslage, 57 Prozent erwarten gleichbleibende Geschäfte und 26 Prozent befürchten einen Rückgang. Das größte Risiko (71 Prozent) wird dabei in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland gesehen, gefolgt von Fachkräftemangel und Inlandsnachfrage (jeweils 53 Prozent). Für die Hälfte der Betriebe sind aber auch weiter  hohe Energie- und Rohstoffpreise ein Problem, die Arbeitskosten für 47 Prozent.

Der Mainzer Containerhafen des Unternehmens Frankenbach. - Foto: gik
Der Mainzer Containerhafen des Unternehmens Frankenbach. – Foto: gik

„Bürokratie, Steuerlast, Regelungswut, mangelnde Digitalisierung, lange Genehmigungsverfahren, restriktive Baubestimmungen, mangelnde finanzielle Mittel im öffentlichen Bereich, Kostensteigerungen, rechtliche Hürden im Bereich ausländischer Fachkräftegewinnung, Unzuverlässigkeit von Regierungsentscheidungen – die Liste der von den Unternehmen genannten Hausaufgaben für die Politik ist lang“, klagte Karina Szwede, Hauptgeschäftsführerin der IHK Rheinhessen.

Die Investitionszurückhaltung der Unternehmen sei „alarmierend“, sagte Walden zudem: Aufgrund der unsicheren Aussichten planten der Umfrage zufolge nur noch 21 Prozent der Unternehmen steigende Investitionen – ein Rückgang um 9 Prozentpunkte im Vergleich zum Herbst 2023. 26 Prozent wollen ihre Investitionen zurückfahren, 53 Prozent gehen von gleichbleibenden Investitionen aus. Damit bleiben auch Produktinnovationen, Investitionen in den Umweltschutz (-8 Punkte) und Kapazitätserweiterungen auf der Strecke.

Produktionseinbruch in der Industrie, Gastgewerbe positiv

Bereits im September hatte das Statistische Landesamt in Bad Ems einen Einbruch bei der Industrieproduktion gemeldet: Demnach sank der Output in der Investitionsgüterindustrie im Juli um 9,3 Prozent. Der Maschinenbau, die nach Umsatz drittgrößte rheinland-pfälzische Industriebranche, „verzeichnete einen Rückgang der Produktionsleistung um zwölf Prozent“, so das Landesamt, die Autobranche reduzierte ihre Produktion im Juli um 9,5 Prozent. Und auch die Chemieindustrie produzierte im Juli 7,4 Prozent weniger als im Monat zuvor.

Das Gastgewerbe ist eine der wenigen Branchen, die derzeit eher positiv in die Zukunft schauen. - Foto: gik
Das Gastgewerbe ist eine der wenigen Branchen, die derzeit eher positiv in die Zukunft schauen. – Foto: gik

Besonders düster blickt der Handel in die Zukunft: Bei der Frage nach den Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monaten rechnen nur noch 6 Prozent (im Frühjahr 19 Prozent) mit einer besseren Entwicklung, 65 Prozent rechnen mit einer gleichbleibenden Lage und 29 Prozent erwarten eine Verschlechterung. Die Unternehmen im Dienstleistungssektor sind noch vergleichsweise zufrieden, hier schätzen 20 Prozent ihre Lage in Zukunft sogar besser ein, 51 Prozent rechnen mit gleichbleibenden Ergebnissen, 29 Prozent befürchten aber auch einen Rückgang.

Überraschend positiv ist die Lage im Gastgewerbe: Hier bewerten aktuell 41 Prozent der Betriebe in Rheinhessen die Lage als gut, 36 Prozent sind mit der Situation zufrieden und 23 Prozent melden eine schlechte Geschäftslage. Für die kommenden zwölf Monate erwarten 32 Prozent eine bessere Lage, 54 Prozent kalkulieren mit einer gleichbleibenden Entwicklung und nur 14 Prozent rechnen mit einem Rückgang.

Insolvenzen um ein Drittel gestiegen

Allerdings dürften auch viele Unternehmen mit Problemen inzwischen schlicht nicht mehr da sein: Die Unternehmensinsolvenzen in Rheinland-Pfalz waren bereits im ersten Halbjahr 2024 um satte 31 Prozent gestiegen. Die meisten Insolvenzanträge hätten dabei Unternehmen aus dem Baugewerbe mit 84 Anträgen gestellt, teilte das Statistische Landesamt mit.

Es folgten die Wirtschaftsabschnitte „Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen“ mit 75 Anträgen – ein Plus von 67 Prozent. Und auch der Bereich „Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen Arbeiten“ verzeichnete mit 52 Fällen doppelt so viele Insolvenzen wie im Vorjahreszeitraum. Insgesamt gerieten so im ersten Halbjahr des Jahres 4.284 Arbeitsplätze in Gefahr.

Info& auf Mainz&: Mehr zur alarmierenden Stimmungslage in der Wirtschaft haben wir ausführlich im Frühjahr 2024 hier bei Mainz& aufgeschrieben.