In der Causa Mainzer Zollhafen gibt es nun eine Wende: Die Staatsanwaltschaft in Koblenz hat Ermittlungen wegen des Verdachts illegaler Grundstücksverkäufe im Wohngebiet Mainzer Zollhafen eingeleitet. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch auf Mainz&-Anfrage. Auslöser war eine Strafanzeige der Freien Wählergemeinschaft Mainz von Anfang Juli dieses Jahres, über die Mainz& exklusiv berichtet hatte. Welche Fragen sich nun stellen und gegen wen die Staatsanwaltschaft nun ermittelt – und gegen wen nicht. Bei der Stadt Mainz sieht man derweil keine Notwendigkeit zu Konsequenzen.

Der Mainzer Zollhafen mit dem Yachthafen, der Marina. - Foto: gik
Der Mainzer Zollhafen mit dem Yachthafen, der Marina. – Foto: gik

Waren die gesamten Grundstücksverkäufe im Mainzer Zollhafen illegal? Diesen Vorwurf hatte eine Strafanzeige erhoben, die am 3. Juli 2025 an die Staatsanwaltschaft Koblenz ging – Mainz& hatte darüber exklusiv berichtet. Eingereicht hatte sie der Vorsitzende der Freien Wählergemeinschaft (FWG), Gerhard Wenderoth, der Vorwurf: Das Geschäftskonstrukt rund um die Zollhafen Mainz GmbH sei eine Art „Strohmann-Konstrukt“, um Zustimmungs- und Ausschreibungspflichten der öffentlichen Hand zu umgehen – zum Nachteil der Steuerzahler in Mainz.

Der Mainzer Zollhafen war 2013 als Industriehafen offiziell entwidmet und danach durch einen 2014 im Mainzer Stadtrat verabschiedeten Bebauungsplan in ein allgemeines Wohngebiet beziehungsweise in ein Wohn-Misch-Gebiet umgewandelt worden. Die Vermarktung und der Verkauf der Flächen wurde allerdings von den Mainzer Stadtwerken an die Zollhafen Mainz GmbH übergeben, die wiederum ein besonderes Konstrukt bekam: Die Mainzer Stadtwerke behielten nämlich nur 49,9 Prozent der Anteile, 50,1 Prozent aber übernahm die Immobilienfirma CA Immo – damit galt die Zollhafen Mainz GmbH als privatwirtschaftliche Gesellschaft.

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Wer hatte die Kontrolle über die Grundstücksverkäufe im Zollhafen?

Die operativen Geschäfte aber führte von Anfang an die Mainzer Hafen GmbH, und deren Aufteilung zwischen den beiden Partnern beträgt 50 Prozent zu 50 Prozent. Die Anzeige der FWG argumentiert nun, die Mainzer Hafen GmbH stehe tatsächlich unter der Oberhand der Mainzer Stadtwerke, denn die habe den Vorsitz in der Gesellschafterversammlung inne – und damit faktisch das letzte Wort bei Entscheidungen. Damit aber seien die dort getätigten Geschäfte eben Geschäfte eines Unternehmens der öffentlichen Hand – mit gravierenden Folgen: Sie unterlägen damit öffentlichen Ausschreibungspflichten und dazu den Zustimmungs- und Kontrollpflichten der öffentlichen Gremien.

Baufeld-Vermarktung im Mainzer Zollhafen durch die Zollhafen Mainz GmbH. - Foto: Zollhafen Mainz GmbH
Baufeld-Vermarktung im Mainzer Zollhafen durch die Zollhafen Mainz GmbH. – Foto: Zollhafen Mainz GmbH

Das aber geschah nicht: Sämtliche Grundstücksverkäufe im Mainzer Zollhafen wurden von den Mainzer Stadtwerken als „privatwirtschaftliche“ Geschäfte abgewickelt – zu Unrecht, kritisiert die Anzeige der FWG. „Die Mainzer Stadtwerke AG haben entgegen der nominellen Beteiligungsquote sowohl die wirtschaftliche, strategische als auch die tatsächliche Kontrolle über die Zollhafen Mainz GmbH“, heißt es in der Anzeige, die Mainz& vorliegt.

Und auch die Zollhafen GmbH handele „im Interesse und unter Kontrolle“ der Mainzer Stadtwerke – so, wie auch schon beim Verkauf der Marina: Deren Veräußerung an die beiden damaligen Hafen-Geschäftsführer Jochen Hener und Detlev Höhne wurde im März 2021 final durch einen Umlaufbeschluss des Stadtwerke-Vorstands besiegelt und genehmigt, der Mainz& vorliegt. Der Verkauf der Marina im Mainzer Zollhafen war ebenfalls nie ausgeschrieben worden, sondern erfolgte mit einem dubiosen Verfahren, bei dem die Anteile erst an Hener, und einen Tag später an Höhne weiterverkauft wurden.

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Staatsanwaltschaft: Ermittlungen zu Grundstücksverkäufen

Eine erste, anonyme Anzeige Ende 2024 hatte bereits diesen Verkauf der Marina angezeigt, weil er – wie Mainz& damals exklusiv berichtete – weit unter Marktwert erfolgte. Eine renommierte Anwaltskanzlei hatte den Marktwert der Marina auf zwischen 6 und 11 Millionen Euro taxiert, tatsächlich verkauft wurde der Yachthafen aber für ganze 86.000 Euro. Dazu kam: Eine Barkasse in Höhe von 240.000 Euro wurde bei dem Kauf gleich mit erworben, ob dafür ein Gegenwert geleistet wurde, ist bis heute unklar.

Neue Grachtenhäuser im Mainzer Zollhafen: War die Vergabe der Grundstücke ohne Ausschreibung rechtswidrig? - Foto: gik
Neue Grachtenhäuser im Mainzer Zollhafen: War die Vergabe der Grundstücke ohne Ausschreibung rechtswidrig? – Foto: gik

Die erste Anzeige erhob deshalb Vorwürfe wegen Steuerhinterziehung und Veruntreuung von Geldern der öffentlichen Hand, die Staatsanwaltschaft in Koblenz sah aber keinen Anfangsverdacht gegeben. Das änderte sich nun mit der zweiten Anzeige von Anfang Juli: „Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat in diesem Zusammenhang ein Ermittlungsverfahren eingeleitet“, teilte die Behörde am Mittwoch auf Mainz&-Anfrage nach tagelanger Verzögerung mit. Die Ermittlungen leite die Zentralstelle für Wirtschaftsstrafsachen, die Ermittlungen stünden noch am Anfang, hieß es weiter.

Welchem Verdacht die Behörde in Koblenz nun tatsächlich nachgeht, teilte sie jedoch nicht mit: „Es würde indes den Ermittlungszweck gefährden, wenn ich Ihnen die Personen der Beschuldigten, die Anzahl der Beschuldigten oder den Vorwurf mitteilen würde“, so Oberstaatsanwältin Martine Müller-Ehlen weiter. Zugleich betonte sie ausdrücklich, es werde nicht gegen den Mainzer Finanzdezernenten Günter Beck (Grüne) oder Innenminister Michael Ebling (SPD) ermittelt – gegen diese beiden bestehe „kein Anfangsverdacht einer Straftat.“

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Ermittlungen nun wohl gegen Stadtwerke-Vorstände

Die Anzeige hatte unter anderem auf Verdacht der Untreue, auf Vorteilsgewährung und Bestechlichkeit gelautet und sich neben Beck und Ebling gegen vier weitere Beschuldigte gerichtet. Damit bleiben als mögliche Beschuldigte, gegen die sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft richten könnten, vor allem die früheren Stadtwerke-Vorstände Detlev Höhne und Tobias Brosze sowie der heutige Stadtwerke-Chef Daniel Gahr übrig. Zentraler Bestandteil der Ermittlungen dürften nun die möglichen Verstöße im Vergaberecht sein.

Der Firmensitz der Mainzer Stadtwerke in der Rheinallee. - Foto: gik
Der Firmensitz der Mainzer Stadtwerke in der Rheinallee. – Foto: gik

Denn: Die Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz sieht eine Pflicht zur Ausschreibung vor – sofern die Kommune von dem Verkauf wirtschaftlich profitiert, bestimmte Bebauungselemente vorgeschrieben oder starken Einfluss auf die Art der Bebauung genommen hat. Experten zufolge liegt ein solcher „Beschaffungsbezug“ auch dann vor, wenn die Kommune etwa den Käufer zum Bau eines Gebäudes verpflichtet, das sie später mietet oder erwirbt – oder wenn die Stadt „einen entscheidenden Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung hat“.

Da die Stadt Mainz aber 2013 in einem „Städtebaulichen Vertrag“ konkrete Vorgaben für den Mainzer Zollhafen machte, und darin unter anderem „Planung des öffentlichen Raums, der Erstellung von Infrastruktur, wie z. B. einer Mehrfeldsporthalle oder einer Kindertagesstätte“ sowie die Ansiedlung von Einzelhandel und Versorgungseinrichtungen regelte, stellt sich die Frage: War die Vergabe der Grundstücke ohne öffentliche Ausschreibung überhaupt rechtmäßig? Die Frage ist hochgradig brisant, denn Fachjuristen betonen, ein ausschreibungspflichtiger, aber nicht ausgeschriebener Grundstücksverkauf sei vergaberechtswidrig – und könne eine Rückabwicklung erzwingen.

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Stadt Mainz: Grundstücksverkäufe weiter wie gehabt

Vor diesem Hintergrund hatten die Freien Wähler am Mittwoch im Stadtrat die Frage gestellt, wie die Stadt Mainz denn nun mit dem Verkauf der letzten verbleibenden Grundstücke im Mainzer Zollhafen umgehen wolle? „Wer entscheidet, ob und auf welcher gesetzlichen Grundlage der weitere Verkauf von Baufeldern im Zollhafen mittels eines privaten Bieterverfahrens oder einer öffentlichen Ausschreibung erfolgen soll?“, fragte die Stadtratsfraktion „Die Fraktion“ konkret.

Die Antwort von Beteiligungsdezernent Beck: Man werde weiter machen wie zuvor. „Es ist beabsichtigt den weiteren Verkauf der Baufelder wie bisher zu handhaben“, teilte Beck kurzfristig am Mittwoch mit – und beharrte auf der Haltung der Stadt: „Eine öffentliche Ausschreibung für Grundstücksverkäufe ist weder für die öffentliche Hand gesetzlich vorgeschrieben, noch für die gewerblich tätige Zollhafen Mainz GmbH & Co.KG.“

Info& auf Mainz&: Mehr zur Anzeige wegen des Verdachts illegaler Grundstücksverkäufe im Mainzer Zollhafen lest Ihr hier bei Mainz&. Sämtliche Mainz&-Artikel zum Komplex Zollhafen und Marina findet Ihr inzwischen hier in unserem Mainz&-Dossier.

Mainz& exklusiv: Waren Grundstücksverkäufe im Zollhafen Mainz illegal? – Neue Anzeige gegen Innenminister und Stadtwerke