Das 43. Open Ohr steht vor der Tür, und es ist das letzte Open Ohr für den scheidenden Sozialdezernenten Kurt Merkator (SPD). Und der nutzte seine Abschiedsposition für einen eindringlichen Appell zur Zukunft des Open Ohrs: „Es gibt zwei Dinge, an denen nicht gerüttelt werden darf: Der Standort Zitadelle und die Unabhängigkeit des Festivals“, betonte Merkator am Mittwoch in Mainz. Es gebe nämlich „immer wieder Diskussionen“, das Festival in andere Veranstaltungen einzubinden, sagte Merkator und warnte: „Ich sage hier heute ganz deutlich: Vorsicht.“ Die Gefahr, dass das Festival dann seinen Charakter verliere, sei groß. Werde zudem am Standort Zitadelle gerüttelt, „dann ist das Festival weg“, warnte der Dezernent.

Der scheidende Mainzer Sozialdezernent Kurt Merkator (SP) mit dem Plakat seines letzten Open Ohrs als Festivaldezernent. – Foto: gik

Tatsächlich gibt es derzeit in Mainz die Tendenz, Kultureinrichtungen und Festivals unter einem Dach zusammenzuziehen. Frankfurter Hof, das KUZ, die Mainzer Sommerlichter, Summer in the City und auch der Weihnachtsmarkt – sie alle sind bereits unter dem Dach der Mainzer Citymarketing Gesellschaft Mainzplus gelandet, die wiederum eine Säule der Zentralen Beteiligungsgesellschaft ZBM ist, jener städtischen Holding, die alle städtischen Gesellschaften unter einem Dach vereinen soll. Merkator hingegen sorgte sich nun um die Unabhängigkeit des Jugendkulturfestivals. Sollte ein Dritter das Open Ohr mit verantworten, wolle der auch mitreden, warnte er: „Die Gefahr, dass das Festival seine unabhängige Unschuld verliert ist groß.“

Es ist die Unabhängigkeit der Freien Projektgruppe, die dem Mainzer Festival von Anfang an seine besondere Ausrichtung gegeben hat. Die Unabhängigkeit von Politik und städtischen Strukturen sorgte für frische Themen, die oft genug unbequem waren und auch mal für heftigen Gegenwind der Politik sorgten – etwa bei jenem Open Ohr, das unter der Überschrift „Biedermeier und Brandstifter“ explizit auch rechtspopulistische Tendenzen in Parteien wie der CDU aufs Korn nahm. Es war die Sicht der Freien Projektgruppe, die dies zur Diskussion stellte, das daraus resultierende Festival war eines der spannendsten, die Mainz je erlebt hat.

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Überhaupt ist das Open Ohr, gegründet 1975, das letzte Festival in Deutschland, das nicht nur Jugend, sondern auch Kultur UND politische Diskussionen verbindet – und gerade deswegen pro Jahr rund 12.000 Besucher anzieht. „Wir sind stolz, dass wir das alternative Jugendkulturfestival haben“, sagte Merkator – die Stadt schmückt sich inzwischen gerne mit dem Event. „Die beiden Seiten Stadt und Freie Projektgruppe harmonieren wunderbar“, hob Merkator hervor, „das war nicht immer so….“

Kosten explodiert, Etat sollte angehoben werden, fordert Merkator

Doch die Arbeit werde nicht einfacher, und das liege vor allem an steigenden Kosten und immer weiter steigenden Infrastrukturauflagen: So seien die Kosten für die Infrastruktur in den vergangenen Jahren um 69 Prozent gestiegen, der Etat des Festivals aber nur um 40 Prozent, rechnete Lamb von der Freien Projektgruppe vor. Das habe die Künstlereinladungen schrumpfen lassen, denn auch deren Gagen seien gestiegen. 350.000 Euro beträgt inzwischen der Etat des Festivals, die vergangenen Jahre habe er stets beim Finanzdezernenten betteln gehen müssen, ob man nicht noch 10.000 Euro mehr bekommen könne, berichtete Merkator und forderte: „Man muss in den kommenden Jahren mal drüber nachdenken, ob der Deckel nicht dauerhaft angehoben werden kann.“

Stars wie Nina Hagen aufs Open Ohr zu holen, wird immer schwieriger – der Künstleretat schwindet. – Foto: gik

Denn das Festival trägt sich selbst und spielt seine Ausgaben durch die Einnahmen wieder ein. „Wir können nachweisen, dass wir ein Konzept haben, dass trotz der gedeckelten Besucherzahlen genug Geld reinbringt, um das Geld zurückzuzahlen“, betonte Merkator: „Wir haben meist sogar mehr zurückgezahlt, als wir eingenommen haben.“ Das Festival sei auch in diesem Jahr wieder sehr stark nachgefragt, bestätigte Markus Hansen von der Stadt, bereits jetzt seien im Vorverkauf 2.200 Karten weg. Vor zwei Jahren war das Open Ohr erstmals komplett ausverkauft gewesen, die Veranstalter mussten gar den Einlass dicht machen, weil sie nicht mehr Menschen auf das Gelände lassen durften. Auch 2016 war das wieder der Fall.

„Wir dürfen rechnerisch 8.800 Karten pro Tag ausgegeben haben“, sagte Hansen. Vergangenes Jahr hieß es, rund 9.500 Menschen dürften maximal gleichzeitig auf dem Gelände unterwegs sein. „Wir müssen dann die Türen dicht machen und können keine weiteren Leute rein lassen“, sagte Hansen: „Wir gehen davon aus, dass wir wahrscheinlich auch dieses Jahr wieder ausverkauft sein werden.“

Wie hoch ein neuer Etat sein müsse, um die Zukunft des Open Ohrs zu sichern, wollte sich Merkator aber nicht festlegen: Das müsse man im Laufe des Jahres auch anhand von Preisentwicklungen diskutieren, sagte er: „Ich würde da heute keine Summe nennen.“ Die Entwicklung sei Aufgabe seines Nachfolgers – und der wird am Mittwoch im Stadtrat gewählt. Eines aber sei klar: „65.000 Euro für den Künstleretat ist deutlich zu wenig“, fügte Merkator hinzu. 2017 werden mit dem Etat immerhin 70 Einzelveranstaltungen an vier Tagen gestemmt, darunter 23 Bands, 6 Theatergruppen, Lesungen, Podien und vier große Kabarettauftritte.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Programm des 43. Open Ohr-Festivals, das vom 2.-5. Juni 2017 auf der Zitadelle stattfindet, lest Ihr hier auf Mainz&.

 

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