Kommende Woche jährt sich die Flutkatastrophe im Ahrtal zum zweiten Mal – 24 Monate ist es dann her, dass eine gigantische Flutwelle das gesamte Tal verwüstete, 9.000 Gebäude beschädigte und 136 Menschen in den Tod riss. Bis heute ist das Ahrtal vor allem mit dem Wiederaufbau beschäftigt, doch gerade zum zweiten Jahrestag rückt auch das Erinnern an so viele persönliche Tragödien wieder in den Fokus. Tatsächlich plant man im Ahrtal bereits ein Flutmuseum und Dokumentationszentrum – eine Machbarkeitsstudie schlägt nun zwei Orte im Ahrtal als zentralen Erinnerungsort vor.

Der blaue Kubus des MomAHR: Ein Stück eingefrorene Flut-Zeit. - Foto: gik
Der blaue Kubus des MomAHR: Ein Stück eingefrorene Flut-Zeit. – Foto: gik

Erinnern an die Flutkatstrophe im Ahrtal – für viele Menschen ist das mit viel Schmerz und tiefen Emotionen verbunden: Die Flutkatastrophe, die am 14. Juli 2021 das gesamte Ahrtal über eine Länge von 40 Kilometern verwüstete, war der tiefste Einschnitt, den Rheinland-Pfalz je gesehen hat. Doch die Flutschäden sind bei Weitem noch nicht beseitigt, der Wiederaufbau läuft zäh, die Aufbauquote liegt zwei Jahre nach der Flut bei etwa 50 Prozent. Noch immer kämpfen unzählige Menschen mit dem Trauma der Flutnacht und mit unzähligen erschütternden Erinnerungen.

Ein erster Baustein, die Erinnerungen aus der Flutnacht zu bewahren und ihnen eine Raum zur Erinnerung zu geben, ist das MomAHR, das Museum of Modern Ahrts – verkörpert durch einen leuchtend blauen Kubus aus Epoxitharz, in dem Gegenstände aus der Flutnacht eingearbeitet sind: Eine Weinflasche, eine Rettungsweste, das Nummernschild eines Autos. 130 Gegenstände sind in den rund 1,40 Meter großen Kubus eingearbeitet, eingefroren in die Ewigkeit eines Augenblicks – als wäre ein Taucher in der Nacht des 14. Juli 2021 in die neun Meter hohe Flutwelle der Ahr getaucht.

- Werbung -
Werben auf Mainz&

Kubus aus leuchtend blauem Harz: Ein Stück eingefrorene Flut

Der Kubus könnte das Herzstück eines Erinnerungsortes für die Flutnacht sein, im März 2023 hatte David Bongart von Ahrtal-Tourismus im Gespräch mit Mainz& angekündigt, es werde eine Machbarkeitsstudie zu dem Thema geben. Nun liegt die Studie mit dem Arbeitstitel „Ausstellungs-/Besucherzentrum Flut und Gedenkstätte“ vor, oberstes Ziel: „Eine zentrale und eine nationale Gedenkstätte/Museum zu konzipieren, die alle betroffenen Orte und Initiativen bündelt und eine für alle Beteiligten – insbesondere für die Einwohner des Ahrtals – , sensible Konservierung der Ereignisse des Sommers 2021 vornimmt.“

Die Alte Schule in Rech dienste bis zur Flutkatastrophe 2021 als Bürgerhaus,. wurde aber in der Flutnacht stark zerstört. - Foto: Ahr-Wiki
Die Alte Schule in Rech dienste bis zur Flutkatastrophe 2021 als Bürgerhaus,. wurde aber in der Flutnacht stark zerstört. – Foto: Ahr-Wiki

Für die Machbarkeitsstudie nahm das renommierte Atelier Brückner aus Stuttgart acht mögliche Standorte entlang des Ahrtals unter die Lupe, etwa in Antweiler, Schuld und Altenahr. Aus Sicht der Planer ergaben sich hierbei zwei Favoriten, hieß es nun bei der Vorstellung der Studie: Die Alte Schule in Rech und die Pius-Kirche in Bad Neuenahr-Ahrweiler, letzteres eine katholische Kirche mit einem modernen Hallenbau, der bei der Flut schwer getroffen wurde.

„Mit der Machbarkeitsstudie haben wir schon einen ersten Meilenstein erreicht, denn wir haben nun eine Basis für alle weiteren Schritte und Gedanken“, sagte Bongart, und betonte zugleich: Alle Standorte seien erst einmal nur aus Sicht der Machbarkeitsstudie bewertet worden. Genehmigungen und das Eruieren von Möglichkeiten könnten jedoch erst nach der erfolgreichen Akquise von Geldmitteln erfolgen. „Somit könnte sich theoretisch auch noch ein ganz anderer Standort in der finalen Planung ergeben“, betonte Bongart.

Möglicher Standort: Pius-Kirche in Bad Neuenahr

Natürlich sei den Organisatoren von Ahrtal-Tourismus bewusst, „dass noch nicht alle unsere Vision und Planung nachvollziehen können“, sagte Bongart weiter: „Wer tagtäglich noch über unbefestigte Straßen fahren muss, den Lückenschluss des Radwegs zwischen Altenahr und Walporzheim herbeisehnt oder noch nicht wieder seinen Betrieb eröffnen oder in sein Wohnhaus zurückziehen konnte, der kann die Überlegungen zu einem solchen Projekt eventuell nicht nachvollziehen.“

Wichtig sei aber, die Vorbereitungen für ein solches Projekt schon heute voranzutreiben, denn „wir müssen eine Projektdauer ab Startschuss von mindestens vier bis fünf Jahre einkalkulieren“, betonte Bongart. Man müsse auch heute bereits anfangen, potentielle Exponate auszusuchen und sicher zu stellen, da einige bereits unwiderruflich entsorgt worden seien. Die Zeit drängt also durchaus – der MomAHR-Kubus könnte deshalb in Zukunft auch eine wichtige Rolle in einem Flutmuseum spielen.

Erster Entwurf für ein Flutmuseum in dem großen Raum der Pius-Kirche in Bad Neuenahr. - Visualisierung: Atelier Brückner
Erster Entwurf für ein Flutmuseum in dem großen Raum der Pius-Kirche in Bad Neuenahr. – Visualisierung: Atelier Brückner

Für den Standort Pius-Kirche hat das Atelier Brückner nun exemplarisch eine erste Visualisierung und Storyline ausgearbeitet, hieß es weiter. Neben dem Gedenken an die Opfer und der Dokumentation der schrecklichen Katastrophe selbst, sollen dabei auch die einmaligen Solidaritätsleistungen und der Wiederaufbau ihren Platz in der Ausstellung finden. Das Atelier Brückner mit Firmensitzen in Stuttgart und Seoul, Korea, hat bereits so wichtige Museen wie das Natural History Museum Oslo, das GEM – Grand Egyptian Museum Gizeh, das Viking Kopenhagen oder das Nobel Museum Stockholm konzipiert.

Geldgeber für Flutmuseum gesucht: 10-20 Millionen Euro

Derzeit sei der Ahrtal-Tourismus dabei, alle Kernaussagen der umfangreichen Machbarkeitsstudie aufzubereiten und zusammenzufassen, um dann potentielle Förderer und Sponsoren anzusprechen, sagte Bongart weiter. Je nach Größe und Ausführung könnte ein Flutmuseum laut den ersten Schätzungen der Gutachter zwischen 10 und 20 Millionen Euro kosten. „Sollte sich jemand auf Landes- und/oder Bundesebene finden, der diese Option unterstützt, könnten wir in konkrete Gespräche einsteigen und eine Eröffnung des Flutmuseums noch in diesem Jahrzehnt anpeilen“, sagte Bongart.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) beim Besuch des MomAHR-Kubus im März in Bad Neueanahr. - Foto: gik
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) beim Besuch des MomAHR-Kubus im März in Bad Neueanahr. – Foto: gik

Tatsächlich hatte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) beim Besuch des MomAHR-Kubus im März versichert, es werde sich „auch ein Weg finden, was das Thema Finanzen angeht“. Ein Museum, das sich um den Kubus herum entwickele, könne sie sich gut vorstellen. Allerdings hatte Dreyer damals auch gesagt, es gebe bereits „viele Wünsche“, was ein Flutmuseum angehe.

Denn da ist ja auch noch vom Kreis Ahrweiler angestrebte  „ICCA – International Crisis Center Ahr“ – droht hier Konkurrenz, gerade auch in Sachen Fördergelder? Das ICAA sei ein „eher wissenschaftlich orientiertes Projekt“, das mit Laboren, Vortrags- und Tagungsräumen der Forschung und Lehre Raum bieten, „und professionelles, zukunftsweisendes Sprachrohr und Plattform der Krisenwissenschaft und Katastrophendienste sein soll“, wehrte Bongart ab. Auch solle das ICAA mit (Wechsel-) Ausstellungen als multimediales und interaktives Besucherzentrum zum Thema Krise dienen und sich mit den Auswirkungen des Klimawandels beschäftigen.

„Es wird keinen Wettbewerb zwischen den beiden Konzepten geben“, betonte Bongart, „wir stehen hier im engen Austausch mit der Kreisverwaltung.“ Denn der nun ausgearbeitete Part für ein Flutmuseum könne später durchaus auch ein Baustein des ICCA sein. „Ob man am Ende die Themen an zwei Standorten spielt oder die Inhalte in einem Projekt bündelt, wird sich in den weiteren Schritten zeigen“, sagt Bongart: „Aktuell wären beide Varianten denkbar.“

Info& auf Mainz&: Die ganze Pressemitteilung zum Thema Flutmuseum findet Ihr hier im Internet. Einen ausführlichen Bericht über den wirklich beeindruckenden Erinnerungskubus des MomAHR findet Ihr hier bei Mainz&. Mehr zum MomAHR könnt Ihr hier im Internet erfahren.