02Sie war die größte humanitäre Hilfsaktion in der Geschichte, legendär ist sie sowieso: In diesem Jahr jährt sich das erfolgreiche Ende der Berliner Luftbrücke zum 70. Mal. 13 Monate lang versorgten zwischen Juni 1948 und September 1949 Flugzeuge der Amerikaner und der Briten die von den Russen abgeriegelte Stadt mit Lebensmitteln und Steinkohle aus der Luft, eine beispiellose Aktion. Mehr als 270.000 Flüge waren nötig – einer der ersten Flüge hob am 26. Juni 1948 von der US-Airbase Wiesbaden-Erbenheim ab. Heute ist hier das US-Hauptquartier für Deutschland angesiedelt, das Jubiläum 70 Jahre Berliner Luftbrücke wird deshalb groß an Pfingstmontag in Erbenheim gefeiert. Fast 40 der damaligen Rosinenbomber sollen an dem Tag zu Besuch kommen und die Luftbrücke noch einmal im Originaltakt aufleben lassen – Süßigkeitenabwürfe inklusive. Wie es dazu kam: Mainz& hat bereits vor Jahren mit dem Mann gesprochen, der die süße Aktion erfand.
Es war am 17. Juli 1948, als Gail Halvorsen sich eine kurze Auszeit von seinen pausenlosen Flügen nach Berlin gönnte. An einem Zaun des Flughafen Tempelhofs kam er mit ein paar deutschen Kindern ins Gespräch, es war eine Begegnung, die sein Leben veränderte: „Diese Kinder hatten nichts und baten dennoch um nichts. Ihnen war die Freiheit wichtiger als etwas zu essen – das machte mich fassungslos“, erzählte Halvorsen einmal, fast 60 Jahre später.
Was dann passierte, ging in die Geschichte ein: Halvorsen verteilte zwei Streifen Kaugummi, die er in seiner Tasche fand, die traurigen Augen der rund 30 Kinder aber ließen ihn nicht los. So wurde die Operation „Kaugummi und Schokolade“ geboren, denn Halvorsen war einer der Piloten der Berliner Luftbrücke. Am 26. Juni 1948 hoben die ersten Maschinen der US-Luftwaffe zur „Operation Vittles“, der „Operation Proviant“, in Richtung Berlin-Tempelhof ab, fast elf Monate lang versorgten die Flugzeuge die von den Sowjets eingeschlossene und abgeriegelte Stadt aus der Luft.
Am 12. Mai 1949 endete die Blockade Berlins, und genau dieser 70. Jahrestag wird nun groß gefeiert: Am Pfingstmontag, dem 10. Juni, lädt die US-Army zum großen Tag der Offenen Tür auf das Wiesbadener Airfield in Erbenheim. Genau von hier flog 1948 die erste US-Maschine in Richtung Berlin, zeitgleich mit einem Flieger aus Frankfurt. Mehr als 270.000 Flüge folgten bis September 1949 nach Berlin, die Bomber brachten Lebensmittel wie Mehl, Gemüse oder Trockenkartoffeln nach Berlin, aber auch Steinkohle. Bis zu 7.000 Tonnen pro Tag schaffte die Kette an Transportflugzeugen – Gail Halvorsen war einer der Piloten.
Am 11. Juli war der 27 Jahre junge Amerikaner auf der Frankfurter Rhein-Main-Airbase angekommen, drei Mal pro Tag flog er durch den Korridor nach Berlin und zurück. Nach der Begegnung mit den Berliner Kindern am Flughafenzaun sammelte Halvorsen unter seinen Kameraden Süßigkeiten und warf sie vor seiner Landung in Tempelhof ab. Die Päckchen hatte er mit kleinen Fallschirmen aus Taschentüchern versehen, damit sie unbeschadet zur Erde schwebten. Mit den Kindern hatte er ausgemacht, vor dem Abwurf mit den Flügeln seiner Maschine zu wackeln, damit sie die Päckchen auch fanden.
Die Operation klappte – und die Gruppe der Kinder wuchs stetig. „Wir legten alle zusammen, ließen unsere Maschine beim Anflug auf Tempelhof mit den Flügeln wackeln, entfachten einen Jubelsturm und warfen unsere Ladung zielgenau ab“, notierte Halvorsen in seinen 2005 auf Deutsch erschienenen Erinnerungen. Als ein Berliner Journalist einige Wochen später herausfand, was vor sich ging, wuchs die Aktion „Kaugummi und Schokolade“ zu einer richtigen Operation.
Mehrere Tonnen Süßigkeiten warfen Halvorsen und seine Kollegen bis zum Ende der Luftbrücke 1949 über Berlin ab, als „Rosinenbomber“ und „Schokoladenflieger“ wurden sie berühmt. „Zwei kleine Streifen Kaugummi haben mein ganzes Leben verändert“, sagte Halvorsen einmal bei einem Besuch in Deutschland 2005. Als Halvorsen 1970 zum Kommandanten des Flughafen Tempelhofs und Vertreter der US-Airforce in Berlin ernannt wurde, lautete die Anfrage aus dem Pentagon: „Colonel, sind Sie Onkel Wackelflügel?“
Halvorsen ist heute der letzte noch lebende Pilot der Berliner Luftbrücke, ob der inzwischen 98-Jährige zum Jubiläumsfest nach Erbenheim kommen kann, ist noch ungewiss. Falls nicht, werde ihn sein Sohn vertreten, teilte die Stadt Wiesbaden mit – das Jubiläum soll ein Fest zum Anfassen werden. Knapp 40 echte Rosinenbomber von damals werden dazu in Erbenheim erwartet, mit ihnen soll die Luftbrücke noch einmal mit den Original-Zeitabständen nachgestellt werden – Süßigkeitenabwürfe inklusive. Zum ersten Mal seit damals wird die Luftbrücke damit für die heutige Generation sichtbar und erlebbar sein.
Info& auf Mainz&: Das große Jubiläumsfest „70 Jahre Luftbrücke“ findet am Pfingstmontag, den 10. Juni, auf dem Flugplatz Wiesbaden-Erbenheim statt. Das Fest ist mit einem „Tag der Offenen Tür“ auf dem Airfield verbunden, die Clay-Kaserne öffnet dafür ihre Tore – benannt ist sie nach genau jenem US-General Lucius D. Clay, der 1948 die Luftbrücke ins Leben rief. Der Einlass auf das Gelände erfolgt nur mit einem Ticket, das 5,- Euro für Erwachsene und 2,- Euro für Kinder kostet.
40.000 Tickets sind ab dem 2. Mai online auf wiesbaden.de oder bei der Wiesbadener Touristinfo am Markt erhältlich – auf dieser Seite findet Ihr den direkten Link zum Ticketing. Alle Infos zum Jubiläumstag gibt es hier im Internet bei der Stadt Wiesbaden. Bitte beachten: Die Anreise kann am Pfingstmontag nur zu Fuß, mit dem Rad oder mit Shuttle-Bussen von ausgewiesenen Parkplätzen in der Umgebung erfolgen. Das Jubiläum wird mitorganisiert vom Förderverein Luftbrücke Berlin, Informationen zu dem Verein und dem Event 70 Jahre Luftbrücke gibt es hier im Internet. Gail Halvorsen hat übrigens seine Geschichte als Biographie unter dem Titel „Kaugummi und Schokolade“ veröffentlicht, das Buch ist für 19.90 Euro im Buchhandel zu haben – ein echtes Stück Zeitgeschichte. Und auch ein Kinderbuch gibt es dazu: „Mercedes und der Schokolade Pilot“ erzählt die wahre Geschichte der kleinen Mercedes, die 1948 in Berlin lebte und einen Brief schrieb – an „Onkel Wackelflügel“.