Er war „Mister Luftbrücke“, das Gesicht der Piloten, die in den Jahren 1948 und 1949 das eingeschlossene Berlin via Luftbrücke mit Lebensmitteln und Süßigkeiten versorgten: Gail Halvorsen war einer der Piloten der Berühmten „Rosinenbomber“, die auch von Wiesbaden-Erbenheim aus zur Berliner Luftbrücke abhoben. Halvorsen war eben jener Pilot, der als erster Süßigkeiten für die in Berlin eingeschlossene Kinder in kleine Päckchen packte und abwarf, nun ist der US-Airforce-Pilot im Alter von 101 Jahren gestorben.

Landung eines Rosinenbombers in Berlin-Tempelhof. - Foto: Henry Ries USAF
Landung eines Rosinenbombers in Berlin-Tempelhof. – Foto: Henry Ries USAF

Es war im Juni 1948, als die Sowjets Berlin von seinen Zugangswegen zu Lande und zu Wasser abriegelten – es war die Reaktion der Russen auf die Währungsreform der westlichen Alliierten. 13 Monate lang blieb Berlin von allen Nachschubwegen am Boden abgeschlossen, die Alliierten reagierten mit der legendären Luftbrücke zur Versorgung der eingeschlossenen Bevölkerung: Am 26. Juni 1948 hob einer der ersten Flieger mit Lebensmitteln an Bord von der US-Airbase Wiesbaden-Erbenheim in Richtung Berlin ab, es war nur der erste von mehr als 270.000 Flügen.

Einer der Piloten der später „Rosinenbomber“ genannten Versorgungsflieger: Gail Seymour Halvorsen, damals 27 Jahre junger Pilot der US Airforce. Am 17. Juli 1948 gönnte sich Halvorsen in Berlin eine kurze Auszeit von seinen pausenlosen Flügen. An einem Zaun des Flughafen Tempelhofs kam er mit ein paar deutschen Kindern ins Gespräch, und diese Begegnung verändert sein Leben: „Diese Kinder hatten nichts und baten dennoch um nichts. Ihnen war die Freiheit wichtiger als etwas zu essen – das machte mich fassungslos“, erzählte Halvorsen einmal bei einem Termin in Deutschland, fast 60 Jahre später.

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Gail Halvorsen, vermutlich im Jahr 1983, in Berlin-Tempelhof. – Foto: von Noop/Norbert Klähn via Wikipedia
Gail Halvorsen, vermutlich im Jahr 1983, in Berlin-Tempelhof. – Foto: von Noop/Norbert Klähn via Wikipedia

Halvorsen verteilte zwei Streifen Kaugummi, die er in seiner Tasche fand, die traurigen Augen der rund 30 Kinder aber ließen ihn nicht los. Zurück im Westen sammelte Halvorsen unter seinen Kameraden Süßigkeiten und warf sie vor seiner Landung in Tempelhof ab. Die Päckchen hatte er mit kleinen Fallschirmen aus Taschentüchern versehen, damit sie unbeschadet zur Erde schwebten. Mit den Kindern hatte er ausgemacht, vor dem Abwurf mit den Flügeln seiner Maschine zu wackeln, damit sie die Päckchen auch fanden – die Operation klappte, und Halvorsen wurde berühmt unter dem Spitznamen „Onkel Wackelflügel.“

So wurde die Operation „Kaugummi und Schokolade“ geboren, aus den Versorgungsfliegern wurden die „Rosinenbomber“ – und die Gruppe derer, die mit Süßigkeiten nach Berlin flogen, wuchs stetig. “Wir legten alle zusammen, ließen unsere Maschine beim Anflug auf Tempelhof mit den Flügeln wackeln, entfachten einen Jubelsturm und warfen unsere Ladung zielgenau ab”, notierte Halvorsen in seinen 2005 auf Deutsch erschienenen Erinnerungen. Mehrere Tonnen Süßigkeiten warfen Halvorsen und seine Kollegen bis zum Ende der Luftbrücke 1949 über Berlin ab. Halvorsen wurde 1970 Kommandant des Berliner Flughafens Tempelhof und blieb es bis zu seinem Ruhestand Ende August 1974.

Gail Halvorsen in Berlin Tempelhof beim 40. Jubiläum der Berliner Luftbrücke - Foto: US Airforce via Wikipedia
Gail Halvorsen in Berlin Tempelhof beim 40. Jubiläum der Berliner Luftbrücke – Foto: US Airforce via Wikipedia

Der Luftbrücke und den „Candy Bombern“ blieb Halvorsen sein Leben lang verbunden, bei keinem Jubiläum durfte der legendäre Pilot fehlen. Noch 2019 kam Halvorsen im Alter von 98 Jahren zum 70. Jubiläum der Luftbrücke nach Wiesbaden-Erbenheim – und wurde von 50.000 Besuchern als „Held der Luftbrücke“ gefeiert.  „Zwei kleine Streifen Kaugummi haben mein ganzes Leben verändert“, pflegte Halvorsen zu sagen. Nun ist Halvorsen im Alter von 101 Jahren gestorben.

Der US-Amerikaner sei nach Angaben von Verwandten und Freunden am Mittwoch, den 16. Februar, in einem Krankenhaus in Utah gestorben, teilte die Landeshauptstadt Wiesbaden am Donnerstag mit: „Wir trauern um den ehemaligen Luftbrücken-Piloten Gail Seymour Halvorsen.“ Seine Süßigkeiten-Aktion und der Einsatz der „Rosinenbomber“ hätten das Bild von den amerikanischen Besatzern im Nachkriegsdeutschland maßgeblich positiv geprägt, sagte Oberbürgermeister Gertz-Uwe Mende (SPD): „Gail Seymour Halvorsen zeigte mit dem Abwurf von Süßigkeiten, dass auch kleine Gesten Großes bewirken können. Unsere Gedanken sind bei seinen Angehörigen und Freunden.“

Info& auf Mainz&: Die Erinnerungen des „Candy Bombers“ Gail Halvorsen sind 2005 unter dem Titel „Kaugummi und Schokolade – Die Erinnerungen des Berliner Candy Bombers“ erschienen, ein zauberhaftes Kinderbuch zum Thema gibt es mit dem Titel „Mercedes & der der Schokoladenpilot“, das auf Englisch „Mercedes & the Chocolate Pilot“ heißt – vielleicht kommt Ihr da ja noch mal dran. Unseren Bericht zum Jubiläum 70 Jahre Luftbrücke in Wiesbaden-Erbenheim könnt Ihr noch einmal hier auf Mainz& nachlesen.