Es ist einer der für Auswärtige eher kuriosen Bräuche in der Fastnacht: In der fünften Jahreszeit werden die Rathäuser von den Narren erstürmt, Bürgermeister in Ketten gelegt und mit lautem „Helau!“ die Macht übernommen. Der Brauch kommt eigentlich eher aus dem klassischen Rheinland, doch auch in Mainz hat sich die Tradition längst ausgebreitet: In den nächsten Wochen werden so gut wie alle Ortsverwaltungen in Mainz von den Narren „gestürmt“ – es ist ein Symbol dafür, dass in der Fünften Jahreszeit die gewohnte Ordnung auf den Kopf gestellt und außer Kraft gesetzt ist. Ursprung des Brauchs: revoltierende Weiber…
Es ist einer der Bräuche, der an revolutionäre Zeiten und den ursprünglich umstürzlerischen Charakter der Fastnacht erinnert: Rathauserstürmungen. Der Brauch kommt eigentlich eher aus dem karnevalistischen Rheinland um Köln, Bonn und Düsseldorf, dort sind Rathauserstürmungen große Events, bei denen – wie etwa in Bonn – die halbe Stadt auf dem Markt vorbeischaut, und sich an Erbsensuppe und Bier labt. Für Düsseldorf ist ein Brauch aus dem 14. Jahrhundert entwickelt, weiß Wikipedia, als Möhnen einmal im Jahr von den Ratsherren zu einem Festessen eingeladen wurden – daraus entwickelte sich die kurzzeitige „Machtübernahme“ des Rathauses.
„Möhnen“ ist die Bezeichnung im Rheinland für ältere Frauen, Geschichte schrieben die Möhnen im Jahr 1824 im heutigen Bonn-Beuel: Damals nämlich probten die Beueler Wäscherinnen „gegen das Patriarchat, die Dominanz der Männer und die damit verbundene Ausbeutung der Frauen“, wie es bei der Stadt Bonn heißt. Aus dem Aufstand der Wäscherinnen entstand damals das erste Damenkomitee des Karnevals – und die erste Weiberfastnacht, die traditionell am Donnerstag vor Rosenmontag gefeiert wird.
Weiberfastnacht: Revolte der Wäscherinnen in Bonn-Beuel
Denn traditionell fuhren die Männer der Wäscherinnen Donnerstag vor Karneval nach Köln, um dort die frisch gewaschene Wäsche auszuliefern, aber auch, um dort ausgiebig Karneval zu feiern. 1824 setzten sich die Wäscherinnen, als ihre Männer per Schiff nach Köln unterwegs waren, aus Protest zu einem Kaffeeklatsch zusammen, wie Wikipedia berichtet – es war die Geburtsstunde der Weiberfastnacht. In den Jahren danach wurde der Tag mit einem Festumzug begonnen, um anschließend in einem Saal die „Wieversitzung“ – also die Weibersitzung – zu feiern. Männer bekamen erst nach Abschluss der Sitzung Einlass in den Saal.
In Mainz gilt heute die Weiberfastnacht als Start in die Straßenfastnacht, doch in dieser Form gefeiert wird sie eigentlich erst seit 2004, wie Günter Schenk in seinem Buch „Die Mainzer Fastnacht“ zu berichten weiß: 2004 wurde erstmals ein größeres Programm auf dem Schillerplatz rund um den Fastnachtsbrunnen organisiert, da die Weiberfastnacht auch in Mainz immer mehr Nachfrage fand – 20 Jahre danach ist die große Freiluftparty am Fastnachtsdonnerstag nicht mehr wegzudenken.
Doch nicht nur die Weiberfastnacht hat den Sprung aus dem Rheinland in die Mainzer Fastnacht geschafft, auch Damensitzungen und Weiberabende sind Teil der Mainzer Fastnachtsszene – und da werdet Ihr in diesem Jahr noch mehr zu lesen: Mainz& macht die „Frane in der Fastnacht“ in diesem Jahr zum Schwerpunktthema. Denn nach vielen Jahren der männlichen Dominanz tut sich nun endlich etwas in Sachen Frauenpower; Mit der ersten „Meedcher Sitzung“ des Karneval Clubs Kastel (KCK) und der Sitzung GCVrau des Gonsenheimer Carneval Vereins (GCV) stehen in diesem Jahr gleich zwei neue Sitzungen an, die Frauen in den Mittelpunkt stellen.
Rathaus-Erstürmungen: Narren übernehmen Macht von Politik
Am heutigen Freitagabend findet zudem zum ersten Mal die „Rucki Rucki Dance Night“ des Mainzer Carneval Vereins statt, ein närrischer Tanzkontest für Showtanzgruppen aus der Fastnacht. Und bei GCVrau werden gar ausschließlich Frauen das Bühnenprogramm bestreiten – ein Novum in der Mainzer Fastnacht. Revolution aus Frauenhand – das ist auch der Ursprung der Rathaus-Erstürmungen, die in Mainz vor allem in den Stadtteilen stattfinden: In Bretzenheim und Marienborn gleich zu Jahresbeginn, in den übrigen Stadtteilen dann nach und nach übernehmen dabei Narren symbolisch die Macht von den Politikern. Damit spielten im November 2024 auch die Närrischen Kammerspiele des GCV – mehr dazu hier: „Narren an die Macht!“
Inszeniert wird die Machtübernahme als kleines Theaterspiel, mal mit mehr, mal mit weniger Kanonendonner, wobei statt Kugeln natürlich Konfetti fliegt. Der jeweilige Rathauschef wehrt sich natürlich – mancherorts wird dafür gar der Rathauseingang regelrecht verbarrikadiert. Aber es hilft ja nichts: Die Narren sind immer die stärkeren – ein Symbol dafür, dass Humor und fastnachtlicher Freiheitsdrang immer stärker sind als die Macht der Regierenden, wenn das Volk es nur will. Während des Ringens um die Macht werden öffentlichkeitswirksame Reden geschwungen, manchmal auch Scheinsäbel.
Am Ende aber triumphieren Lebensfreude und Freiheitsdrang, die Narren übernehmen die macht und stellen damit die gewohnte Ordnung auf den Kopf – fortan herrschen Rede- und Narrenfreiheit, denn der Narr, der nun der Obrigkeit den Spiegel vorhält und die Leviten liest, darf dafür rechtlich nicht belangt werden – so will es das Narrengesetz. Und den Politikern tut es ja vielleicht auch einmal gut, Macht abzugeben, und sich zu besinnen – während der Märzrevolution 1848 führten die Rathausstürme oft auch zur Auswechslung der Bürgermeister… Das dürfte in Mainz nicht zu erwarten stehen, die Erstürmungen der Ortsverwaltungen sind meist sehr friedliche und nette Termine – wann und wo genau lest Ihr unten.
Info& auf Mainz&: Was das Närrische Grundgesetz gebietet, könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen. Mehr närrische Termine findet Ihr übrigens auch im Veranstaltungskalender auf www.mainz.de.
Und hier die Termine der närrischen Erstürmungen der Ortsverwaltungen in Mainz 2025:
Sa, 11. Januar – Erstürmung Mombach & Laubenheim
So, 12. Januar – Erstürmung Marienborn
Sa, 25. Januar – Erstürmung Lerchenberg & Weisenau
Sa, 15. Februar – Erstürmung Hechtsheim
Sa, 22. Februar – Erstürmung Ebersheim & Finthen & HaMü
So, 23. Februar – Erstürmung Neustadt
Do, 27. Februar – Erstürmung Oberstadt
Sa, 01. März – Erstürmung Gonsenheim