Adé Mainz-Gefühl? Die Mainzer sehen sich selbst ja immer als gesegnet an, als besonders glücklich in ihrer Stadt am Rhein, feiern ihre Lebensart mit dem „Mainz-Gefühl“. Doch nun die Überraschung: „Mainz gehört nicht zu den Städten, in denen die Menschen besonders glücklich sind“, konstatierte jetzt der SKL Glücksatlas: Die Landeshauptstadt landete beim Glücksatlas 2025 lediglich im Mittelfeld. Dabei habe Mainz eigentlich alle Voraussetzungen für ein Ranking in den Top Ten, wunderten sich die Prüfer, die Stimmung trübten drei Faktoren: zu hohe Mieten, eine schlechte Luftqualität – und eine sehr polarisierte Stimmung in der Stadt. Mainz& kommentiert: Die Stadt muss dringend nachsitzen – mehr Zuhören und mehr Wohlfühlorte, bitte!

Für das Städteranking 2025 der 40 glücklichsten Großstädte in Deutschland – bei dem die Süddeutsche Klassenlotterie SKL seit 2022 Partner ist – wurden die Ergebnisse von 23.468 Befragungen zwischen Januar 2022 und April 2025 ausgewertet. Die Befragten leben in den 40 größten Städten Deutschlands mit mehr als 200.000 Einwohner, pro Stadt waren es zwischen 504 (Lübeck) und 1.640 Befragten (Berlin), so die Angaben auf der Seite des Glücksatlas. Die wissenschaftliche Leitung der Glücksstudie liegt übrigens beim bekannten Zufriedensheitsforscher Professor Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg.
In deren Auftrag stellte das Institut für Demoskopie Allensbach in mündlich-persönlich Interviews folgende Frage: „Wenn Sie einmal alles in allem nehmen, wie zufrieden sind Sie insgesamt zurzeit mit Ihrem Leben? Null bedeutet ‚überhaupt nicht zufrieden‘, und Zehn: ‚völlig zufrieden‘.“ Die Befragten bewerteten dabei individuell, was ihr Leben lebenswert macht. Dazu erstellten die Forscher mittels öffentlich verfügbarer Statistiken ein Lebensqualitäts-Ranking der jeweiligen Stadt, in die insgesamt 50 Indikatoren einflossen, darunter: Wohnsituation, Demographie, Wohlstand oder Umweltqualität.
Hohes Glücksgefühl in Städten, die sicher, grün und familiär sind
Das Ergebnis für 2025: Der überwiegende Teil der Großstädte hat im Städteranking 2025 an Lebenszufriedenheit zugelegt. Nahezu alle 40 Städte im Ranking verzeichneten Zuwächse, so das Ergebnis, nur wenige verlieren – darunter die Großstadt Frankfurt. „Besonders gut schneiden kleinere Städte ab, die familiär, beschaulich, sicher und grün geblieben sind“, heißt es weiter. Großstädte mit über 400.000 Einwohnern liegen dagegen tendenziell zurück – trotz höherem Wohlstand. In reicheren Städten seien die Menschen kaum zufriedener als in ärmeren, stellten die Forscher fest.

Auf Platz 1 liegt deshalb genau wie im Vorjahr – zur Überraschung vieler – die Universitätsstadt Kassel in Nordhessen, gefolgt von Krefeld in Nordrhein-Westfalen und der NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf. Auf Platz 6 liegt übrigens die Mainzer Partnerstadt Erfurt in Thüringen, die ehemalige Bundeshauptstadt Bonn auf Platz 13. Die hoch verdichtete und überhaupt nicht „grüne“ Stadt Mannheim, gerade Schlusslicht beim Hitze-Check der DUH, liegt mit Platz 13 noch vor Mainz – Wiesbaden hingegen findet sich nur auf Platz 39. Berlin liegt gerade einmal auf Platz 37, Hamburg hingegen auf Platz 9.
„Entscheidend für hohes Lebensglück ist eine ausgeglichene Zufriedenheitsverteilung“, betonen die Forscher in ihrer Auswertung: Wo das Gefälle zwischen Hoch- und Unzufriedenen groß sei, leide das Glücksniveau der ganzen Stadt. Großstädte mit über 400.000 Einwohnern liegen tendenziell eher zurück, dort gebe es deutlich weniger Hochzufriedene als in kleineren Städten. „Mit wachsender Stadtgröße nehmen typischerweise Kriminalität, Mietpreise, Verkehrsstaus und Luftbelastung zu, während die verfügbare Wohnfläche pro Person sinkt“, so die Forscher. Das Ergebnis: Das Lebensglück in der Stadt ist erheblich ungleicher verteilt – und das senkt das allgemeine Glücksgefühl.
Wiesbaden: Spaltung zwischen Arm und Reich senkt Glücksgefühl
Das zeigt sich vor allem in Wiesbaden: Dort sei das Ungleichgewicht bei der Lebenszufriedenheit so hoch wie sonst nirgends im Städteranking, konstatierten die Forscher. Nur 38,4 Prozent der Wiesbadener zählen zu den Hochzufriedenen, während ganze 22,4 Prozent angeben, unzufrieden mit ihrem Leben zu sein – „dieses starke Glücksgefälle liefert eine plausible Erklärung für die schlechte Platzierung in einem Ranking“, heißt es weiter. Denn eigentlich sei Wiesbaden „wohlhabend, sicher und familienfreundlich“, liege bei Einkommen und Grünflächen unter den Top Ten – habe zugleich aber eine außergewöhnlich hohe Schuldnerquote. Kurz: Wiesbaden ist eine stark gespaltene Stadt zwischen Wohlhabenden und Einkommensschwachen.

Denn die Forscher haben neben die individuellen Glücksgefühle der Befragten auch ein Ranking gesetzt, das auf der Grundlage der Strukturdaten erstellt wurde. Aus der Differenz zwischen beiden Rankings ergeben sich „Underperformer“ und „Overperformer“. „Overperformer“ sind dabei Städte, in denen die Zufriedenheit überraschend höher ist als es die objektiven Lebensumstände erwarten ließen – wie etwa Krefeld. „Overperformer-Städte sind ruhig, sauber und bieten eine gute öffentliche Daseinsvorsorge“, konstatieren die Forscher – Underperformer-Städte seien hingegen laut und teuer.
„Underperformer“ seien oft ökonomisch starke Städte mit größerem Zuzug, auch von Familien, „die Wertschöpfung ist hoch und es wird ‚an jeder Ecke‘ gebaut“, so die Forscher. Die Lebenshaltungskosten seien hoch, ein großer Teil der Bevölkerung lebe allein und die Umweltqualität sei nur unterdurchschnittlich. Und damit sind wir – Ihr ahnt es sicher schon – bei Mainz: Die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt ist ein klassischer „Underperformer“: „Gemessen an den positiven objektiven Lebensumständen würde man eine deutliche höhere Platzierung im Vergleich mit anderen Städten erwarten“, so die Studie, aber: „Hohe Mieten und eine hohe Luft- und Lärmbelastung trüben das Wohlbefinden in Mainz.“

Mainz: Im Glückranking nur im Mittelfeld, trotz guter Bedingungen
Damit landet die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt in diesem Jahr nun auf Platz 20, das ist eine Verbesserung um einen Platz im Vergleich zu 2024. Doch „trotz starker Rahmenbedingungen bleibt das subjektive Wohlbefinden hinter den Erwartungen zurück“, heißt es weiter: Mainz könne zwar mit hoher Wirtschaftskraft, niedriger Schulabbrecherquote und einem ausgeprägten akademischen Milieu punkten. „Gleichzeitig trüben weite Pendelwege, ein unterdurchschnittliches Freizeitangebot und große Unterschiede zwischen den Stadtteilen die durchschnittliche Zufriedenheitsbilanz.“

So zähle zwar mehr jede zweite befragte Person in Mainz zu den Hochzufriedenen (52,3 Prozent), das sei deutlich besser als der Durchschnitt der 40 größten Städte und „ein Hinweis auf ein insgesamt positives Lebensgefühl in der Bevölkerung.“ Gleichzeitig aber sei auch der Anteil der Unzufriedenen mit 13,2 Prozent überdurchschnittlich hoch – und dies deute „insgesamt auf eine polarisierte Stimmungslage hin“, so die Forscher: „In Mainz sind viele Menschen sehr zufrieden – aber auch auffällig viele mit ihrem Leben deutlich unzufrieden.“
Als Hauptgründe dafür macht die Studie vor allem die hohen Mieten aus, Mainz gehört seit Jahren zu den Städten in Deutschland mit den teuersten Mietpreisen. Dazu aber kommen eine ausgesprochen schlechte Luftqualität sowie eine hohe Lärmbelastung, die weit über dem Durchschnitt in Deutschland liegen. „Der Grenzwert für Stickstoffdioxid wird in Mainz an vielen Tagen im Jahr überschritten“, rechnen die Forscher vor. Zudem sei ein hoher Anteil der Bevölkerung dauerhaft einem Lärmpegel von über 40 Dezibel ausgesetzt – dazu dürfte gerade auch der wieder massiv gestiegene Fluglärm beitragen. Beide Faktoren minderten die Lebensqualität im Alltag, warnen die Forscher. Denn von den objektiven Faktoren her, müsste Mainz – eigentlich auf Platz 6 liegen.
Info& auf Mainz&: Das ganze Städteranking des SKL Glücksatlas findet Ihr hier im Internet mit ausführlichen Analysen und Tabellen. Übrigens: Rheinland-Pfalz fiel beim Glückscheck 2022 weit nach unten durch, Gründe waren damals hohe Unzufriedenheit mit Einkommen und Arbeitszufriedenheit, mit ihrem Familienleben waren die Rheinland-Pfälzer „so unglücklich wie nie zuvor“, die Einkommenszufriedenheit sei ausgesprochen gering – nachlesen könnt Ihr all das hier bei Mainz&.
Kommentar& auf Mainz&: Nachsitzen, bitte!
Was nützt die schönste „Mainz-Gefühl“-Werbekampagne, wenn die Menschen in der Stadt immer unzufriedener werden? So könnte man die Ergebnisse des neuen Städterankings im Glückatlas zusammenfassen. Mainz feiert sich so unglaublich gerne für sein tolles Lebensgefühl – das es fraglos gibt -, hat aber zugleich auch eine Eigenschaft, die es vielen Menschen zunehmend schwer macht, sich hier wohlzufühlen: Wer es wagt, auf Missstände und Fehlentwicklungen hinzuweisen, gilt sofort als Nörgler und Nestbeschmutzer.

Die Ergebnisse des Glücksatlas sind eine Ohrfeige für die städtischen Verantwortlichen der letzten zehn Jahre, denn sie haben die Weichen gestellt für eine Stadt, die zunehmend polarisiert ist. Der explodierte Mietmarkt hat längst zu einer Verdrängung von normalen Mainzer Familien geführt, die rasante Bautätigkeit zu einer deutlichen Verschlechterung des Stadtklimas: Immer mehr schlechte Luft durch zugebaute Frischluftschneisen – hallo Rheinallee! -, Ignoranz gegenüber Industrieabgasen und eine nahezu komplette Untätigkeit in Sachen Fluglärm und Dreck aus der Luft, gepaart mit frisch gebauten Betonwüsten statt Grünzonen – wer in Mainz wohnt, weiß wahrlich, was schlechte Luft ist.
Doch die Lösung aus dem Mainzer Stadthaus lautet: einseitige Verteufelung des Autos, Blockade von Straßen durch Baustellen, permanente Verschlechterung der Parksituation. Dabei tragen auch Staus und unnötig lange Pendlerwege massiv zu steigender Unzufriedenheit bei, das sagt die Glücksstudie deutlich. „Weite Pendelwege und ein unterdurchschnittliches Freizeitangebot“ zählt der Glücksatlas auf – autsch. Marktfrühstück und Fahrradstraßen in der Innenstadt reichen eben nicht aus, um die breite Mehrheit in Mainz glücklich zu machen, es gebe „große Unterschiede zwischen den Stadtteilen“, konstatieren die Forscher.

Man könnte es auch anders sagen: Die Zufriedenheit ALLER Mainzer ist in den letzten Jahren erheblich vernachlässigt worden. Mehr Bademöglichkeiten und Erholung am Rhein wünschen sich die Menschen seit Langem – bekommen haben sie bislang abwiegelnde Studien und Grünanlagen in Designerstil, siehe Nordmole im Zollhafen. Und das ist nur ein Beispiel: Gerade erst bescheinigte der Hitze-Check zum zweiten Mal der Stadt, viel zu viel versiegelte Flächen und viel zu wenig Grünanlagen zu haben – wo sind denn die attraktiven neuen Angebote für ALLE Mainzer?
Viele Menschen, die schön lange hier leben, haben stattdessen das Gefühl: Mainz wird immer unattraktiver. Die Stadt wird als dreckig empfunden, die römischen Denkmäler und viele öffentliche Plätze – sorry – gammeln dahin, siehe Römisches Theater, siehe LEIZA-Vorplatz. Die Straßen sind Schlaglochpisten, der Verkehr zunehmend eine Katastrophe. Recht und Gesetz werden im Verkehrsdezernat nach Belieben ausgelegt, gleichzeitig ein Krieg gegen parkende Autos geführt – den Menschen vermittelt das erfolgreich das Gefühl: Eure alltäglichen Bedürfnisse der Mobilität sind uns egal. Denn wo ist denn gleichzeitig das zusätzlich ausgebaute ÖPNV-Angebot? Wo sind Alternativen, kluge Konzepte – ein Verkehrs-Masterplan? Mainz-Rider: abgeschafft. ÖPNV-Tickets: teurer. Das Angebot: geschrumpft. Ein Null-Euro-Samstag macht eben noch keine Alltagstauglichkeit eines Nahverkehrs….

Es wird höchste Zeit zu fragen: Warum gibt es denn in Mainz so überdurchschnittlich viele Unzufriedene mit ihrem Leben? Warum gründet sich gerade an jeder Ecke gefühlt eine Bürgerinitiative, warum hagelt es Petitionen und Offene Briefe – gegen den Abbau von Parkplätzen, gegen die Abschaffung der Flamingos, für Tempo 50 auf den Hauptverkehrsstraßen (und auch dagegen), sogar gegen das Durchdrücken von Fahrradstraßen durch die Verwaltung?
Der gemeinsame Nenner ist immer derselbe: Bürger, die verzweifelt an die Stadt appellieren, redet mit uns! Bezieht uns ein, arbeitet nicht GEGEN uns! Streicht nicht einfach so liebgewonnene Eigenheiten – Flamingos, Feuerwerk – tut endlich gute Dinge für die GESAMTE Stadt – und nicht immer nur für Eure Lobbygruppe(n). Kümmert Euch um Sauberkeit, Grünanlagen, römisches Erbe, kurz: schafft Wohlfühlorte in der Stadt! Um die Dann klappt’s demnächst auch wieder dem Glücksgefühl in Mainz.