Am Mittwoch will der Mainzer Stadtrat in einer Sondersitzung gleich drei neue Dezernenten für den Stadtvorstand wählen, doch dagegen regt sich Widerstand: Die Freien Wähler kritisieren das Wahlprozedere scharf und wollten eine Verschiebung der Wahl erreichen. Der Grund: Es habe 21 Bewerbungen für die Stellen gegeben, doch der Großteil davon sei überhaupt nicht berücksichtigt worden, kritisiert Freie Wähler-Stadtrat Erwin Stufler – eine Debatte über Fachleute oder gar eine Bestenauslese für die Stadt finde gar nicht statt. Die Linke sowie FDP und AfD schicken nun Gegenkandidaten ins Rennen.

Im Mainzer Stadtrat hat seit November 2024 eine Koalition aus Grünen, SPD und CDU eine große Mehrheit. - Foto: gik
Im Mainzer Stadtrat hat seit November 2024 eine Koalition aus Grünen, SPD und CDU eine große Mehrheit. – Foto: gik

Am 9. Juni 2024 wählte Mainz einen neuen Stadtrat, doch bis heute ist die Bildung der neuen Kenia-Koalition nicht abgeschlossen. Grund ist die lange Amtsdauer von Dezernenten im Kommunalwahlrecht von Rheinland-Pfalz: Weil hauptamtliche Dezernenten auf acht Jahre gewählt werden, kann die im November 2024 gebildete Kenia-Koalition ihr neues Personal erst über knapp zwei Jahre hinweg verteilt ins Amt hieven. Im Februar wählte der Stadtrat bereits die SPD-Fraktionschefin Jana Schmöller zur neuen Sozialdezernentin, die gerade einmal 33 Jahre junge Referentin in einem Mainzer Ministerium tritt ihr Amt zum 1. Juli an.

Nun soll an diesem Mittwoch die Wahl von gleich drei weiteren Dezernenten erfolgen: gesucht werden ein neuer Finanzdezernent als Nachfolger des Grünen Günter Beck, ein neuer Dezernent für Schule und Kultur sowie ein neuer Baudezernent. Nun müssen Dezernentenposten in der Verwaltung offiziell ausgeschrieben werden, gedacht waren sie ursprünglich als Fachleute, die im Auftrag des Bürgermeisters einen bestimmten Geschäftsbereich „im Rahmen der Beschlüsse des Gemeinderats und der allgemeinen Richtlinien des Bürgermeisters“ eigenständig leiten – so sieht es die Gemeindeordnung vor.

- Werbung -
Werben auf Mainz&
Werbung

 

Vergabe der Dezernentenposten: Externe haben keine Chance

In der Praxis hingegen einigen sich die politischen Parteien im Rahmen ihrer Koalition darauf, welche Partei künftig welches Ressort in der Stadtverwaltung leitet – die Besetzung der Dezernentenposten wird dann innerhalb der Parteien entschieden. Die öffentliche Ausschreibung findet zwar noch statt, doch Bewerbungen von außen finden praktisch überhaupt keine Berücksichtigung mehr – das hatte im April auch schon die ÖDP kritisiert. Denn im Stadtrat kann nur gewählt werden, wer von dem Gremium als Kandidat vorgeschlagen wird, damit haben externe Bewerber von vorneherein keine Chance. So hatte die Mainzer SPD vergangenes Jahr mit großer Geste eine „Findungskommission“ ins Leben gerufen, die nach kürzester Zeit ihre beiden Parteichefs als neue Dezernenten vorschlug: Jana Schmöller und Ata Delbasteh.

Die Mainzer SPD kürte als neue Dezernenten für Mainz ihre beiden Parteichefs: Ata Delbasteh soll Dezernent für Schule und Kultur werden, Jana Schmöller wurde bereist zur Sozialdezernentin gewählt. - Foto: SPD Mainz
Die Mainzer SPD kürte als neue Dezernenten für Mainz ihre beiden Parteichefs: Ata Delbasteh soll Dezernent für Schule und Kultur werden, Jana Schmöller wurde bereist zur Sozialdezernentin gewählt. – Foto: SPD Mainz

Schmöller und Delbasteh führen die Mainzer SPD erst seit Frühjahr 2023, beide waren nach dem für die Mainzer SPD desaströs verlorenen OB-Wahlkampf ins Amt gekommen, beide haben keinerlei Erfahrung im Leiten von großen Verwaltungen. Die 33 Jahre alte Schmöller war bisher als Referentin im Mainzer Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit tätig, ab Juli soll sie nun das Mainzer Sozialdezernat leiten. Delbasteh wiederum war viele Jahre als Gastronom in Mainz tätig, mit seinen künftigen Geschäftsbereichen Schule, Kitas und Kultur hat der 46-Jährige bisher keinerlei leitende Erfahrung.

Etwas anders sieht die Situation bei dem dritten Kandidaten am Mittwoch aus: Ludwig Holle wurde von der Mainzer CDU als neuer Baudezernent nominiert, der 52 Jahre alte Wirtschaftsingenieur soll das Dezernat allerdings im Ehrenamt führen – dafür brauchte es keine Ausschreibung im Vorfeld. Der studierte Wirtschaftsingenieur wurde 1972 in Düsseldorf geboren und war nach seinem Studium in verschiedenen größeren Unternehmen tätig, bevor er sich mit dem Software-Dienstleister FinaPLus für Wealth-Management-Software selbstständig machte. Holle ist seit 2021 Mitglied der CDU-Stadtratsfraktion und seit August 2022 ihr Fraktionschef.

Werbung

Freie Wähler: Wo sind die Fachleute, wo die Besten für Mainz?

Die Grünen wiederum hatten das Vorschlagsrecht für das wichtige Finanzdezernat, und einigten sich parteiintern auf Daniel Köbler als Kandidaten. Der Ortsvorsteher der Mainzer Oberstadt ist studierter Politikwissenschaftler und agiert als finanzpolitischer Sprecher der Grünen in Mainzer Landtag. Erfahrung in leitender Führungsposition einer Behörde hat aber auch Köbler nicht, als Parteichef der Grünen scheiterte er 2016 mit dem Sturz der Grünen aus dem Landtag – trotzdem soll Köbler nun Finanzdezernent und Bürgermeister der Landeshauptstadt werden.

Der Grünen-Politiker Daniela Köbler soll neuer Finanzdezernent und Bürgermeister für Mainz werden. - Foto: gik
Der Grünen-Politiker Daniela Köbler soll neuer Finanzdezernent und Bürgermeister für Mainz werden. – Foto: gik

Genau diese Art der Personalauswahl kritisieren nun die Freien Wähler: „Das Beamtenrecht sieht eine Bestenauslese vor, in Mainz wird aber überhaupt nicht darüber diskutiert, wer die Besten für die Posten sind“, kritisiert Freie Wähler-Stadtrat Erwin Stufler im Gespräch mit der Internetzeitung Mainz&: Wo sind denn die Fachleute? Wo sind denn die Leute mit Visionen und Fachkenntnis, die schon mal ein paar Hundert Menschen gemanaged haben? Wieso suchen wir nicht die Besten für den Job?“

Für die beiden neuen hauptamtlichen Dezernentenposten habe es insgesamt 21 Bewerbungen gegeben, betont Stufler, davon 13 für die Position des Mainzer Finanzdezernenten. „Vor fünf Tagen habe ich als Stadtrat diese Liste bekommen – ohne eine einzige Telefonnummer“, klagt Stufler: Wie solle er als Stadtrat denn da eine qualifizierte Entscheidung treffen? Dazu komme: Die Kandidaten würden nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen, „bei Frau Schmöller eingeladen war ich der erste, der sich überhaupt mal bei den Bewerbern gemeldet hat“, berichtet der Stadtrat – dabei seien darunter durchaus hoch qualifizierte Bewerberinnen gewesen.

Werbung

 

21 Bewerber, kein Externer eingeladen, nur 13 Tage Bewerbungsfrist

Besonders kritisch sieht Stufler dabei auch die Bewerbungsfrist: Gerade einmal 13 Tage lang seien die jetzt zu vergebenden Positionen ausgeschrieben gewesen, das sei „schlicht unprofessionell“, kritisiert er. Besonders scharf kritisiert er das mit Blick auf den Finanzdezernenten: Köbler soll zugleich nämlich auch neuer Bürgermeister von Mainz werden, für diese Position sieht die Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz aber eine Ausschreibungsfrist von mindestens 69 Tagen vor – laut Stufler ist das nicht geschehen.

Die AfD schickt den Volkswirt Frank Senger ins Rennen für das Amt des Finanzdezernenten. - Foto: AFD Mainz
Die AfD schickt den Volkswirt Frank Senger ins Rennen für das Amt des Finanzdezernenten. – Foto: AFD Mainz

Die drei Kandidaten, das sind ja alles ehrenwerte Leute, die sich für die Stadt engagieren“, betonte Stufler nun im Gespräch mit Mainz&, er habe gegen die Personen an sich überhaupt keine Vorbehalte. „Aber es sind eben nicht die Besten für die Stadt“, sagt der Stadtrat: „Ich will, dass die Stadt Mainz gute Leute kriegt, und nicht von den Parteien ausgekungelte Parteifunktionäre.“ Die Freien Wähler wollten deshalb am Mittwoch einen Antrag auf Verschiebung der Dezernentenwahlen einbringen, im Ältestenrat lehnten das die übrigen Fraktionen mehrheitlich ab.

Stattdessen nun schicken gleich drei Parteien Gegenkandidaten ins Rennen, und zwar ausschließlich für die Position des Finanzdezernenten: Die AfD nominierte bereits vergangene Wochen den Volkswirt Frank Senger, der 38 Jahre alte Mainzer habe sich „auf öffentliche Finanzen und kommunale Haushalte spezialisiert“, teilte die AfD-Stadtratsfraktion mit. „Die Haushaltslage der Stadt Mainz ist zu ernst, um sie einem Laien zu überlassen“, begründete AfD-Fraktionschef Arne Kuster die Kandidatur. Mit Senger habe man „einen qualifizierten Kandidaten gefunden, der mit seinem Lebenslauf und seiner Persönlichkeit überzeugt, und schlagen ihn darum dem Stadtrat vor.“

Werbung

Linken-Stadtrat Malcherek kündigt Bewerbung für Finanzdezernat an

Senger ist auch Direktkandidat der AfD im Wahlkreis Mainz I für die Landtagswahl 2026, für seine Bewerbung als Finanzdezernent kündigte Senger an, „bürger- und gewerbefreundlich sparen“ zu wollen anstatt Steuern zu erhöhen, sowie auf Bürokratieabbau zu setzen. Zudem wolle er „schnell eine Klage gegen das Land Rheinland-Pfalz führen, damit die Ampel-Landesregierung endlich das gesetzlich normierte Konnexitätsprinzip einhält, zum Beispiel bei der Flüchtlings-, Kita- und ÖPNV-Finanzierung“, sagte Senger weiter.

Linken-Stadtrat Martin Malcherek kandidiert am Mittwoch ebenfalls als Finanzdezernent und Bürgermeister für Mainz. - Screenshot: gik
Linken-Stadtrat Martin Malcherek kandidiert am Mittwoch ebenfalls als Finanzdezernent und Bürgermeister für Mainz. – Screenshot: gik

Für die Linke wiederum kündigte am Dienstag überraschend Stadtrat Martin Malcherek an, als Bürgermeister und Finanzdezernent kandidieren zu wollen, der auch für die Bereiche Sport und Beteiligungen zuständig ist. „In allen Bereichen brauchen wir eine klare, am Gemeinwohl orientiert, also eine linke Linie“, betonte Malcherek. Mainz sei, wie alle Kommunen in Deutschland, „schwer verschuldet, alleine kommen wir da nicht raus“, sagte Malcherek in einem Video auf Social Media: Die Schulden seien strukturell bedingt, Bund und Länder unterstützen die Kommunen zu wenig – das Problem müsse „politisch gelöst werden.“

Die Abgabenlast der Bürger durch Steuererhöhungen zu verschärfen, sei „Augenwischerei“ und der falsche Weg, kritisierte Malcherek. Seine Devise sei viel mehr: „Verhandeln und klare Kante zeigen“, das gelte insbesondere mit Blick auf die Haushaltsverhandlungen mit der Dienstaufsicht ADD sowie mit Bunde und Land. Er wolle zudem die Mainzer Wohnbau dafür nutzen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, „und nicht, um Gewinne zu generieren, die dann in andere Bereiche fließen.“ Der 1973 in München geborene Malcherek sitzt seit 2019 im Mainzer Stadtrat, der Jurist kandidierte 2023 für das Amt des Oberbürgermeisters. Einer seiner Schwerpunkt als Rechtsanwalt ist das Verwaltungsrecht, das prädestiniere ihn geradezu für die Tätigkeit als Bürgermeister und Dezernent, betonte die Linke.

Werbung

 

FDP nominiert Gregor Merkel: Finanzfachmann von Boehringer

Die von Stadtratsfraktionen vorgeschlagenen Bewerber für die Dezernentenposten dürfen sich am Mittwoch in der Sitzung des Stadtrats offiziell vorstellen und eine Bewerbungsrede halten – für die übrigen Kandidaten im Bewerbungsverfahren gilt das nicht. Vorstellen wird sich dann auch Gegenkandidat Nummer drei, den die FDP am Dienstagmittag sehr kurzfristig nominierte: Mit Gregor Merkel schicke man „einen erfahrenen Finanzfachmann mit Wirtschaftsprüferexamen aus Mainz“ ins Rennen um das Amt des Finanzdezernenten, kündigte die Mainzer FDP an.

Die Mainzer FDP schickt Gregor Merkel ins Rennen um das Amt des Finanzdezernenten und Bürgermeister von Mainz. - Foto: FDP Mainz
Die Mainzer FDP schickt Gregor Merkel ins Rennen um das Amt des Finanzdezernenten und Bürgermeister von Mainz. – Foto: FDP Mainz

Merkel habe mehr als 15 Jahre Berufserfahrung in verantwortungsvollen Positionen im Finanz- und Prüfungswesen und wolle „die Zukunft der Stadt aktiv mitgestalten.“ Als Senior Manager im Finanzbereich eines international tätigen Unternehmens in der Region kenne er „den Umgang mit komplexen Finanzstrukturen“, lobte FDP-Fraktionschefin Susanne Glahn. Merkel sei zudem auch in der kommunalen Politik verankert, etwa durch seine Arbeit in Mainzer Ausschüssen sowie seiner früheren Funktion als Finanzvorstand eines großen, traditionsreichen Sportvereins der Stadt.

Der 43 Jahre alte Merkel ist studierter Jurist und Wirtschaftsingenieur und arbeitet bei Boehringer Ingelheim, er sei begeisterter Fastnachter und produziere in einem eigenen Weinberg seit Jahren rund 1.000 Flaschen Wein, berichtet Merkel selbst auf seiner Homepage. Nach seinem Abitur in Oppenheim habe er erst ein Jura-Studium in Mainz begonnen, bevor er an der Technischen Universität Darmstadt und der Königlichen Technischen Hochschule in Stockholm sein Wirtschaftsingenieurwesen-Studium (Elektrotechnik) mit den Schwerpunkten Rechnungswesen, Controlling und Projektmanagement sowie Datentechnik abgeschlossen habe. Merkel kandidierte schon einmal für die FDP für den Mainzer Stadtrat.

Werbung

FDP: Mainz braucht fachlich kompetenten Finanzdezernenten

„In der Mainzer Finanzpolitik ist dringend eine Kurswende nötig“, forderte FDP-Fraktionschefin Susanne Glahn zur Begründung der Gegenkandidatur. Schon die Haushaltsaufstellung zu Anfang des Jahres sei „mehr als holprig und intransparent“ verlaufen, Gleiches wiederhole sich nun bei der Neuaufstellung für einen genehmigungsfähigen Haushalt 2025. Bis jetzt liege den Fraktionen noch immer keine Informationen für den Haushalt vor, den die Verwaltung am Mittwoch einbringen wolle.

Geplatzte Haushaltsträume in Mainz: Die FDP kritisiert zum wiederholten Male die Finanzpolitik und die Informationspolitik der Stadt in Sachen Haushalt. - Foto: gik
Geplatzte Haushaltsträume in Mainz: Die FDP kritisiert zum wiederholten Male die Finanzpolitik und die Informationspolitik der Stadt in Sachen Haushalt. – Foto: gik

„Diese schlechte Informationspolitik – die sich leider auch in anderen Dezernaten wiederfindet – lässt seitens der Liberalen statt der notwendigen Einsparungen weitere erhebliche Steuererhöhung der Mainzer Bürger und Unternehmer befürchten“, warnte Glahn: „Mainz braucht einen Finanzdezernenten, der nachweislich fachlich kompetent für die Mainzer nach der besten Lösung sucht.“ Merkel selbst betonte, er stehe „für einen kooperativen, sachorientierten Stil und möchte die Interessen aller Mainzer konstruktiv vertreten.“

Eine Chance hat indes voraussichtlich keiner der drei Gegenkandidaten: Die Kenia-Koalition hält fast zwei Drittel der Stimmen im Mainzer Stadtrat. Auch wenn die Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat klar seien, halte er es für wichtig, dass es Auswahl und demokratischen Wettbewerb gebe, betonte Merkel: „Meine Kandidatur ist ein Angebot an den Stadtrat, auch über parteipolitische Grenzen hinweg auf fachliche Expertise und eine unabhängige Herangehensweise zu setzen.“ Unabhängig vom Ausgang der Wahl wolle er sich „auch weiterhin mit ganzer Kraft für unsere Stadt einsetzen“, fügte Merkel hinzu.

Info& auf Mainz&: Mehr zur Kritik an der Dezernentenauswahl von Seiten der ÖDP und den Freien Wählern lest Ihr auch hier bei Mainz&. Unser ganzes Dossier zur Kommunalwahl 2024 in Mainz und ihre Folgen findet ihr hier auf Mainz&.