Es war mitten in der Corona-Pandemie, als die Brüder Andreas und Bockius ein wehmütiges Liedchen aufnahmen: „Alles wieder gut“ war eine große Sehnsuchts-Hymne an die Mainzer Fastnacht und eroberte auf der Stelle die Herzen der Mainzer. Nun feierten die Gonsenheimer Narren des GCV im rappelvollen Saal und ganz ohne Corona-Beschränkungen wieder ein rauschendes Narrenfest – mit Klima-Klebern und Scheich-Chor, Scherzblatt und höchst närrischen Bäumen.

Was für eine große Narrenparty: Der GCV feierte ausgelassen nach dem Motto: "Alles wieder gut". - Foto: gik
Was für eine große Narrenparty: Der GCV feierte ausgelassen nach dem Motto: „Alles wieder gut“. – Foto: gik

„Im Lachen steckt ganz rätselhaft, ’ne wunderbare Zauberkraft“, sagt Erhard Grom, und trifft damit genau den Nerv des Abends: In der alten Turnhalle in Mainz-Gonsenheim wird nach zwei Jahren Pandemie-Pause wieder ausgelassen gefeiert und gelacht, und es ist als wäre die Welt vollkommen verzaubert. Mehr als fünf Stunden geben sich die Narren beim Gonsenheimer Carneval-Verein der Verzückung hin, die da lautet: Endlich wieder Fastnacht. Endlich wieder Sitzung.

„Wo sind die Bu-Bu-Bube? Wo sind die Mädscher?“ rocken „Voll auf die Elf“ gleich mal den Saal, und das Ballett der Füsiliergarde schwingt zum großen Hit „Alles wieder gut“ die Beine – Fastnacht ist back, und das Publikum ist außer Rand und Band. Das geht allerdings so weit, dass bei den politischen Vorträgen eine ungewöhnliche Unruhe herrscht: Es wird getuschelt und gelacht, geraschelt und gekruschtelt, als gäbe es vorne auf der Bühne nicht Spannendes zu hören – womöglich muss sich mancher erst wieder ans Stillsitzen gewöhnen.

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Protokoller Grom: „Fettnäpfchen im Stöckelschuh“

Einen kann das nicht aus der Ruhe bringen: Erhard Grom, Altmeister des Protokolls, arbeite sich mit Schwung und beißender Kritik durch das politische geschehen der vergangenen Monate. Grom muss nur „Christine Lambrecht“ sagen – und schon hat er die Lacher auf seiner Seite. An der gerade zurückgetretenen Bundesverteidigungsministerin lässt der Protokoller kein gutes Haar: „Von wegen Kracher der Nation, die Lambrecht war en Platzpatron“, reimt er, und seziert sämtliche Fehltritte der Dame alias „Fettnäpfchen im Stöckelschuh“.

Protokoller Erhard Grom mit Lügen-Putin. - Foto: gik
Protokoller Erhard Grom mit Lügen-Putin. – Foto: gik

Auch die Querelen in der Ampel zwischen Grünen und FDP nimmt der Narr aufs Korn, Kanzler Olaf Scholz muss sich als Möchtegern-Leitwolf vorhalten lassen: „Er verspricht die Zeitenwende, was macht er? Zeit verschwende!“ Das gilt vor allem dem so lange verzögerten Ja zu Panzerlieferungen an die Ukraine, da schimpft der Narr: „Die Nachtischlamp vom Kanzleramt!“

Den Kriegsherren im Kreml geißelt der Protokoller scharf, aber ebenso das deutsche Wegsehen. „Wir haben zulange weggeschaut, und dem Despoten blind vertraut“, kritisiert Grom: „Heute ist uns klar, dieser Mann ist ein verlogener Tyrann.“ Da ist es dann auch nicht mehr weit zu Gerhard Schröder, auch die WM in Katar kriegt ihr Fett weg – und so richtig auf die Barrikaden geht der Narren-Chronist bei den Klima-Klebern: „Ich hätte Euch nicht angerührt, bis Euch der Arsch da festgefriert“, wettert der Narr – und erntet donnernden Applaus des Publikums dafür.

Mönch vom Fastnachtsbrunnen und ein Bußgang nach Canossa

Der Narren Rolle ist eben immer auch, dem Volk aufs Maul zu schauen und den Mächtigen den Spiegel vorzuhalten – die Gonsenheimer tun es mit Genuss und Verstand. Geschont wird niemand, erst Recht nicht der Mainzer Ex-OB und Neu-Innenminister Michael Ebling (SPD): „Der hat die letzte Zeit gepflegt, seine Füße im Rathaus hochgelegt“, lästert Grom genüsslich, „Und in der Spelunker seine 5-6 Schorle ausgetrunke.“ Auf einem Motivwagen wird am Rosenmontag der Ex-OB gar als „Schorle-Michi“ durch die Stadt rollen, und auch Grom glossiert die Karriere-Ambitionen des Mainzer Ministers.

Gelungener Einstand als Mönch vom Fastnachtsbrunnen: Sebastian Grom. - Foto: gik
Gelungener Einstand als Mönch vom Fastnachtsbrunnen: Sebastian Grom. – Foto: gik

Wie der Vater, so der Sohn: Sebastian Grom, gleichzeitig Sitzungspräident des GCV, hat seinen „Druckerlehrling“ eingestellt und liest nun als Mönch von Fastnachtsbrunnen den Mächtigen die Leviten. „Ich ruhe in Frieden – damit ist es jetzt vorbei“, nimmt auch er den Abgang Eblings auf Korn, glossiert aber auch die neuen goldenen Kassen der Stadt – Dank Biontech – und rechnet auch mit der Kirche und ihren Kinderlein-Machenschaften ab. Den Kölner Kardinal Woelki schickt er zum Bußgang nach Canossa, barfuß natürlich – und im Bollerwagen hinten dran muss er den Obermessdiener ziehen, der „Highway to Hell“ singt.

Ein richtig gelungener Einstand für den „Fastnachtsmönch“, den das Publikum ebenso wie zuvor Vater Grom mit Stehenden Ovationen feiert. Und Grom widmet sich als einer der wenigen Redner in dieser Kampagne auch mal der Stadtpolitik, etwa wenn er den OB-Wahlkampf glossiert: „Die Stadt sucht einen Nachfolger, besondere Fähigkeiten werden nicht erwartet – das trifft sich gut: bei den meisten sind sie auch nicht vorhanden“, lästert er – das war noch vor dem ersten Wahlgang.

Zugaben-Lawine, genervte Mama und Bütten-Kleber

„Ich sitze auf einem Berg von 200 Zugaben, die kein Mensch mehr habbe will“, seufzt Christoph Seib, und die musikalische Allzweckwaffe des GCV dirigiert dann mal eben den größten Fastnachts-Chor von Mainz: „Meenz bleibt Meenz, auch wenn man mal nicht da war“, singt Seib – hier könnt Ihr das Video dazu sehen. Sein „erster Gunsenumer Riesling-Woi“ ist einfach grandios, Riesenstimme, Riesennummer – da tobt der Saal.

Klima-Kleber an der Bütt: Thomas Becker und Kati Greule. - Foto: gik
Klima-Kleber an der Bütt: Thomas Becker und Kati Greule. – Foto: gik

Wenn der GCV bislang einen Fehler hatte, dann war es wohl dieser: Es gab kaum Frauen auf der närrischen Rostra. Doch das änderte sich in diesem Jahr endlich – und gleich gründlich: Julia Gehrlein lieferte als genervte Mama ein solches Panoptikum modernen Eltern-Wahnsinns, dass sich der Saal bog vor Lachen – ein wahrhaft gelungener Einstand, großartig gespielt. Laura Heinz steuert später in der Sitzung „Diese Lieder“ bei, das war dann schon Frau Nummer zwei.

Ganz großes Narrenkino aber liefert Kati Greule ab: „Was geht ab?“, raunt die Aktivistin im orangenen Schlabberpulli und dem typischen Nörgelton, nun: Der Kleber schon mal nicht. Thomas Becker nämlich ist vom Fastnachts-Aktiven zum Aktivist mutiert – er hat sich versehentlich an der Bütt festgeklebt. Dabei wollte Becker doch nur einen Vortrag halten, was er ganz buchstäblich tut, nun steht er da „wie Claus Kleber“ und gerät in eine klebende Schicksalsgemeinschaft mit der Umwelt-Aktivistin – ein urkomisches Duett nach dem Motto: „Die Summe der Intelligenz ist konstant, aber die Bevölkerung wächst.“

Scherzblatt und Schnorreswackler: „Wir ham Gas“

Geschrumpft ist hingegen irgendwie die Teilnehmerzahl beim „Scherzblatt“: Bewerber Andreas Bockius muss nacheinander einen tumben Bayern, einen schnöseligen Wiesbadener und einen kernigen Finther Landwirt mimen, das tut er mit köstlichem Wechselspiel – doch die Herzdame verschwindet am Ende mit einem anderen… Die Brüder „Dobbelbock“ können halt nicht nur Musik, aber abrocken müssen Andi und Matze natürlich auch noch – da bebt der Saal, und ja, es ist „Alles wieder gut“.

Scherzblatt-Trio und Dobbelbock-Rocker mit Ballett. - Foto: gik
Scherzblatt-Trio und Dobbelbock-Rocker mit Ballett. – Foto: gik

„Komm, lach mal wieder“, singen die Schnorreswackler, und man fragt sich: schon wieder? Die großartige Gesangstruppe hat nicht nur eine Knittelvers-Maschine für den gefrusteten Büttenredner dabei, sondern natürlich auch jede Menge Musik – ihr Medley von Fastnachtsliedern gehört zum Genialsten, was die Mainzer Fastnacht seit Langem gehört hat.  40 Liedern in vier Minuten, das muss den Schnorreswacklern erst mal jemand nachmachen. Ganz nebenbei servieren sie noch Putin, China und die Kirche ab, und lassen die Scheichs aus Katar zu „Wir ham‘ Gas“ tanzen – großes Narrenkino.

Das GCV-Ballett hat derweil Kontakt zu Marsianern, und eine wunderschöne Ballettnummer mitgebracht, Christian Schier und Martin Heininger wiederum haben sich auf Büttenreden verlegt: Zwischen einem geplagten Ehemann im Homeoffice und einem täuschend echt wirkenden Norbert Roth-Double entspannt sich eine höchst kurios-närrische Bütten-Battle.

Schlumpfige Ampelmännchen – und Versagen im Ahrtal

Den Vogel aber schießt eine andere bunte Truppe ab: Die Herpes House Band steht als Baum im Wald, und spießt die „Vorletzte Generation“ genauso auf wie Reichsbürger bei den Hofsängern oder Fastnachtsumzüge ohne Wagen – „Dummheit, Dummheit, ist’s woran’s de Leut‘ nicht fehlt“, singt die Truppe, und dichtet dann auch noch flugs den Vater Rhein um: „Wenn das Wasser im Rhein goldner Wein wär, wär’n die Fische alle tot, und die Enten alle trunken und nach kurzer Zeit gesunken – und der Vater Rhein wär Alkoholiker!“

Diese Gunsenumer Leut... Rudi Hube und Peter Büttner. - Foto: gik
Diese Gunsenumer Leut… Rudi Hube und Peter Büttner. – Foto: gik

Mehr Narretei geht nun wirklich nicht, und so wirkt Anchormann Lars Reichow geradezu ernst in seinen „Fastnachtsthemen“. Der Kabarettist geht scharf ins Gericht mit Harry und Andrew, mit Lambrecht und dem schlumpfigen Ampelmännchen Olaf Scholz: „Manchmal wünsche ich mir nicht nur schwere Waffen in der Ukraine, sondern auch die Lieferung eines schweren Kanzlers“, seufzt Reichow.

Und der Nachrichtenmann redet auch bei einem Thema Klartext, an das sich kaum ein Narr herantraut: Die Flutkatastrophe im Ahrtal. „Es wäre eine Schande für die Landesregierung“, schimpft Reichow, wenn die, denen das Dach über dem Kopf weggeschwemmt wurde, „wenn diese Menschen jetzt nicht schnell und effektiv unterstützt werden – dafür ist eine Regierung zuständig.“ Das sitzt – angesichts dessen, dass im Ahrtal noch immer Tausende in halben Ruinen hausen und die Hilfsgelder weiter auf sich warten lassen.

Und der Narren-Chronist vergisst auch nicht, seinen Blick in die Welt mit einem Appell zu beenden: „Lasst uns zusammenstehen für die, die für unsere Freiheit kämpfen“, mahnt Reichow – stehende Ovationen sind da auch am kommenden Freitag bei „Mainz bleibt Mainz“ garantiert.

In Gunsenum schwofen sie noch ein bisschen zu der genialen Jazznummer „Wir Gunsenumer sind die scheenste Leit“ von und mit Rudi Hube, bevor Heininger und Schier noch dem Narhallamarsch eine längst überfällige Ode widmen. „Schön, dass Ihr wieder da seid“, ruft Schier noch in den ausgelassen feiernden Saal. Nein, liebe Akteure auf und hinter der Bühne: Schön dass IHR wieder da seid – und ein solches Fastnachtsfest zelebriert.

Info& auf Mainz&: Welche Akteure ihr aus Gonsenheim am Fastnachtsfreitag bei „Mainz bleibt Mainz“ sehen könnt, das verraten wir Euch hier bei Mainz&.