Am Donnerstag starteten die Mainzer Narren in die Straßenfastnacht, weit über 20.000 Besucher feierten am Weiberfastnachts-Donnerstag bereits rund um den Fastnachtsbrunnen auf dem Schillerplatz. Am Samstag dann rollten die ersten Umzüge durch die Straßen der Mainzer Vororte, der Umzug durch Kastel und Kostheim ist dabei einer der größten: 61 Zugnummern, mehrere Tausend Teilnehmer, rund 8.000 Zuschauer in den vergangenen Jahren. Mainz& war mit dabei – auf dem Nachthemdenwagen des Karneval Clubs Kastel (KCK).

Auf geflügelten Pferden durch die Straßen von Kostheim und Kastel schweben - beim AKK-Umzug mit dem Nachthemdenwagen des KCK geht das. - Foto: gik
Auf geflügelten Pferden durch die Straßen von Kostheim und Kastel schweben – beim AKK-Umzug mit dem Nachthemdenwagen des KCK geht das. – Foto: gik

Die geflügelten Pferde stehen bereit, die Stimmung ist schon jetzt ausgelassen. „H E L A U !“ schallt es durch das Kasteler Gewerbegebiet, alle Minute rollt schon mal ein Umzugswagen vorbei, auf dem Weg zur Zugspitze. Es ist Samstagmittag, und Kastel und Kostheim freuen sich auf den AKK-Umzug durch die rechtsrheinischen Ex-Mainzer Vororte. Mitten drin: Der Nachthemdenwagen vom Karneval Club Kastel (KCK).

„Schön, dass Ihr da seid, schön, dass Ihr mit uns feiert“, ruft KCK-Vizepräsident Werner Böttner eins ums andere Mal ins Mikrofon. Die Straßen sind vollgepackt mit Narren, Hunderte Gesichter, Hände recken sich uns entgegen, erwartungsfroh, glücklich, beseelt. Das Komitee auf dem Wagen antwortet mit „Helau“, wie viele Helaus es bis zum Umzugsende knapp drei Stunden später sind – nicht zu zählen. Gummibärchen, Knabberzeug, Süßigkeiten, alles verschwindet in atemberaubender Geschwindigkeit über die Bordwand, den Narren entgegen.

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Mit KCK-Vizepräsident Werner Böttner auf dem Nachthemdenwagen beim AKK-Umzug. - Foto: gik
Mit KCK-Vizepräsident Werner Böttner auf dem Nachthemdenwagen beim AKK-Umzug. – Foto: gik

Mitten durch die engen Gassen der alten Ortskerne von Kastel und Kostheim windet sich der närrische Lindwurm, manche Kurve ist geradezu Millimeterarbeit für das große Narrenschiff. Zwei große geflügelte Pferde zieren den Bug des Wolkenschiffes, im Heck thront ein überdimensionaler Nachthemdenbruder. 2019 wurde der neue Fastnachtswagen vom KCK in den Dienst gestellt, geweiht vom Mainzer Bischof Peter Kohlgraf persönlich – gewidmet ist er den legendären Nachthemdensitzungen des KCK.

2017 rief der Verein die Fastnachtstreffen im Nachthemdenlook wieder ins Leben, allerdings mit runderneuertem Konzept: Zwei Bühnen gibt es im Saal, an jedem Kopfende eine, die Akteure treten abwechselnd rechts oder links auf. Die Beiträge sind knackig und kürzer als in regulären Sitzungen, „wir achten darauf, dass sich die Vorträge nicht mit den Fremdensitzungen doppeln“, sagt Programmchef Böttner.

Mit dem KCK-Narrenschiff durch Mainz-Kostheim. - Foto: gik
Mit dem KCK-Narrenschiff durch Mainz-Kostheim. – Foto: gik

Und so tritt hier Johannes Bersch nicht in seiner Fernseh-Paraderolle der „Moguntia“ auf, sondern als „Trendforscher Reiner Kappes“ – und brilliert einmal mehr mit Wortwitz und hoher Narren-Vortragskunst. „Früher hab‘ ich Kleidung angezogen, und das hat gut funktioniert“, sagt Bersch trocken, „heut gibt’s Funktionskleidung und Outdoor-Hemden, aber ich hab noch nie ein Indoor-Hemd gesehen.“ Und die Märchenhexe lebt nicht mehr im Hartz, sondern von Hartz IV, und Damon und Lea-Sabrina gehen zum ersten Mal in ihrem Leben durch den Wald und scannen erst mal per QR-Code die Nährwerttabelle am Knusperhäuschen – präzise und bissig hält Bersch auch in dieser Rolle der Gesellschaft den Narrenspiegel vor.

KCK-Zugmarschall Jörg Kern im AKK-Umzug. - Foto: gik
KCK-Zugmarschall Jörg Kern im AKK-Umzug. – Foto: gik

Überhaupt geht es rasant zu in den Nachthemdensitzungen, egal ob die „Spassmacher Company“ gleich zu Beginn den Saal zum Kochen bringt oder die „Eisbären“ am Ende, ob Hotte und Pit für Lachsalven sorgen oder die Altrheinstromer singen „Im Weltall ist der Wein all“. Markus Weber begeistert wieder einmal mit seinem unglaublichen „Fräulein Baumann“, die Altrheinstromer kommen wunderschön als Betten verkleidet, die Alternativen Bänkelsänger stehen mit nackten Beinen auf der Bühne – hier ist das Nachthemd Pflicht, und die Besucher im Saal haben keine Kosten und Mühen gescheut, daraus wunderbare Garderoben zu zaubern.

Gut gelauntes KCK-Präsidium mit Sitzungspräsident Bardo Frosch (links) und Präsident Dirk Loomans (Mitte). - Foto: gik
Gut gelauntes KCK-Präsidium mit Sitzungspräsident Bardo Frosch (links) und Präsident Dirk Loomans (Mitte). – Foto: gik

Die neuen Sitzungsformen, sie sind begehrt bei den Narren rechts und links des Rheins, auch der KCK hat inzwischen eine ganze Reihe neuer Formate kreiert. 2018 rief man die Brauereifastnacht ins Leben, dann quetschen sich Büttenredner und Gesangsgruppen zwischen Braufässer und Schanktische, was die Stimmung eher noch befördert. In diesem Jahr zog der Verein zusätzlich zur Wohnzimmerfastnacht in ein Hotel – Polonaise durch die Hotellobby inklusive. Jedes neue Format wird umgehend begeistert vom Publikum angenommen, der Bedarf nach Zerstreuung und Narretei in neuer Form ist offenbar riesig. Da ist dann auch Raum für Experimente wie die höchst närrische Hommage der grandiosen Sopranixen an die Worscht, oder ihr gerocktes „Ich ess‘ nur noch Müsli.“

Der Nachthemdenwagen des Karneval Clubs Kastel (KCK). - Foto: gik
Der Nachthemdenwagen des Karneval Clubs Kastel (KCK). – Foto: gik

Ja, rechts des Rheins bauen sie Brücken und Wolkenschiffe – Stadtschreiber Thomas Kaiser hatte da bei der diesjährigen Nachthemdensitzung schon mal eine Idee: „Man könnte doch den Rhein überdache, unten Schiffe, oben Häuser“, träumte sich Kaiser gleich einen rheinüberspannenden neuen Stadtteil daher, und hatte auch einen passenden Namen parat: „Mainz-Jockel-Stein“ tät er ihn nennen. In den Straßen wär‘ dann endlich auch Platz für eine „Plakette-Klaus-Allee“, eine Rolf-Braun- und eine Herbert-Bonewitz-Straße. „Und die Heile-Gänsche-Gass gäb’s auch“, sagte Kaiser, ein Weinbrunnen spendete zudem kostenfrei den edlen Rebensaft: „Ganz Mainz wär‘ dann besoffe – und der Stadtteil ein Wallfahrtsort.“ Bis dahin schweben wir eben auf himmelblauen Narrenwolken auf dem Nachthemdenwagen durch die bunte Narrenwelt von Mainz – Helau!

Info& auf Mainz&: Mehr zur Nachthemdensitzung des KCK könnt Ihr noch einmal in diesem Mainz&-Artikel von 2019 nachlesen.

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