Am Dienstagmittag kam es bei einem Baustellenbrand am neuen Wohnquartier „Hildegardis“ zu dramatischen Szenen: Fünf Bauarbeiter mussten aus einem völlig verrauchten sechsgeschossigen Rohbau gerettet werden, nachdem in dem Haus ein Kellerbrand ausgebrochen war. Fünf weitere Bauarbeiter konnten sich selbst aus dem Wohnhaus ins Freie retten, alle zehn Personen mussten wegen Rauchgasvergiftungen behandelt werden. In dem Keller waren Styroporplatten in Brand geraten, auch weiteres Dämmmaterial sowie Kabel gerieten in Brand – die Bevölkerung wurde trotz der Entwicklung giftiger Rauchgase nicht gewarnt.

In der Baustelle eines Mehrfamilienhauses im neuen "Wohnquartier Hildegardis" brach am Dienstag ein Brand im Keller aus. - Foto: BYC Dennis Weber
In der Baustelle eines Mehrfamilienhauses im neuen „Wohnquartier Hildegardis“ brach am Dienstag ein Brand im Keller aus. – Foto: BYC Dennis Weber

Gegen 12.00 Uhr wurde die Mainzer Feuerwehr zur Baustelle im neuen Wohnquartier „Hildegardis“ auf dem Gelände der ehemaligen Hildegardis-Klinik gerufen: Bauarbeiter hatten den Notruf gewählt und berichteten von einem Kellerbrand, wie die Feuerwehr Mainz mitteilte. Bei Eintreffen der ersten Feuerwehreinsatzkräfte drang den Angaben zufolge bereits dichter Rauch aus dem Eingangsbereich und aus zahlreichen Fenster des insgesamt sechsgeschossigen Mehrfamilienrohbaus. Vor Ort berichteten dann die Mitarbeiter, dass im Keller noch zwei Kollegen arbeiteten, als das Feuer ausbrach – sie würden seither vermisst.

„Bei der ersten Lageerkundung konnten zudem drei Bauarbeiter auf einem noch unfertigen Balkon in der sechsten Etage ausgemacht werden“, so der Feuerwehrbericht weiter. Ihr Fluchtweg durch das Treppenhaus war wegen des Brandrauchs abgeschnitten, die Männer deshalb ins oberste Stockwerk geflüchtet. Die Feuerwehr drang daraufhin mit drei Trupps unter Einsatz von Atemschutzmasken zur Brandbekämpfung und Personenrettung in den Keller vor, ein weiterer Trupp arbeitete sich zu dem Eingeschlossenen ins Obergeschoss vor.  Eine Drehleiter konnte wegen Erdbauarbeiten vor dem Haus nicht eingesetzt werden, die drei Eingeschlossenen auf dem Balkon wurden deshalb mittels Brandfluchthauben durch das verrauchte Gebäude ins Freie geleitet.

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Die Mainzer Feuerwehr drang mit Atemschutzausrüstung in das Gebäude vor. - Foto: BYC Dennis Weber
Die Mainzer Feuerwehr drang mit Atemschutzausrüstung in das Gebäude vor. – Foto: BYC Dennis Weber

Unter dem Wohnhaus erstreckt sich das Kellergeschoss über drei Ebenen, diese mussten nun durch die Feuerwehr akribisch nach Personen abgesucht werden – die zwei vermissten Bauarbeiter konnten aber glücklicherweise schon auf dem ersten Kellerabsatz im Untergeschoss angetroffen und nach draußen geführt werden. Die Arbeiter hatten „eine Menge Rauchgas eingeatmet und wurden dem Rettungsdienst zur medizinischen Erstversorgung übergeben“, so der Bericht weiter, sie gelten als schwerverletzt. Fünf weitere Bauarbeiter konnten sich selbst aus dem Wohnhaus ins Freie retten, insgesamt mussten so zehn Personen wegen einer Rauchgasvergiftung vom Rettungsdienst behandelt werden.

Während der Personenrettung habe ein Feuerwehr-Trupp den Brand gelöscht, berichtet die Feuerwehr weiter. Das Feuer sei aus noch bekannter Ursache in einem Elektrokabelbündel ausgebrochen und habe auf einen Starkstromverteiler und auf Dämmmaterial übergegriffen. „Die brennenden Styroporplatten erzeugten eine riesige Menge an Rauch, welcher sich ungehindert im ganzen Gebäude ausbreiten konnte“, so der Einsatzbericht. Nach Informationen des Onlinemagazins Boost Your City entstand der Brand durch Schweißarbeiten, bei denen eine größere Menge Styropor entflammt worden sei, das gab der Einsatzleiter vor Ort gegenüber dem Onlinemagazin an. Einige Bauarbeiter hätten noch versucht, den Brand selbst zu löschen, allerdings erfolglos – sie riefen dann die Feuerwehr.

Zur Brandbekämpfung und Personenrettung war ein Großaufgebot im Einsatz. - Foto: BYC Dennis Weber
Zur Brandbekämpfung und Personenrettung war ein Großaufgebot im Einsatz. – Foto: BYC Dennis Weber

Die Mainzer Berufsfeuerwehr war mit einem Großaufgebot im Einsatz und wurde zusätzlich durch die Freiwilligen Feuerwehren Bretzenheim und Hechtsheim unterstützt, Notärzte und Sanitäter waren vor Ort, selbst der Rettungshubschrauber Christoph war an den Einsatz beteiligt. Die Kriminalpolizei nahm Ermittlungen zur Brandursache auf, zur Schadenshöhe könne man aber keine Angaben machen, teilte die Feuerwehr weiter mit.

Der Brand von Kabelmaterial, Dämmstoffen sowie weiteren Baumaterialien löste eine Wolke mit giftigen Dämpfen aus, die in der Umgebung weithin zu riechen war, und die gesundheitliche Probleme bei mindestens einer Anwohnerin verursachte – die Autorin dieses Textes litt unter gravierenden Vergiftungserscheinungen. Gewarnt wurde die Bevölkerung jedoch nicht: Warnapps wie Katwarn oder Nina meldeten keinerlei Gefahren, Anwohner wurden nicht aufgefordert, Fenster und Türen zu schließen – ja: Auf den Brand wurde nicht einmal hingewiesen.

Kellerbrand in Mainz-Weisenau im Februar 2021: Giftiger Brandrauch dringt ins Freie. - Foto: Feuerwehr Mainz
Kellerbrand in Mainz-Weisenau im Februar 2021: Giftiger Brandrauch dringt ins Freie. – Foto: Feuerwehr Mainz

Dabei entstehen gerade durch den Brand von Dämmstoffen wie Styropor sowie beim Brand von Kabeln und deren Plastikummantelung hochgradig toxische Stoffe, die Menschen, Tiere und die Umwelt gefährden, wie es beim Online-Portal Brand-Feuer. de heißt. Das Portal wird ehrenamtlich von Brandschutzexperten und Feuerwehrleuten betrieben, die über die Gefahren von Bränden aufklären, und die dafür bereits von staatlicher Seite ausgezeichnet wurden. „Im Verlauf eines Brandes kann sich aus grundsätzlich unbedenklichen Ausgangsmaterialien eine Vielzahl von toxischen, umweltgefährdenden und korrosiv wirkenden Verbindungen bilden“, heißt es dort, diese „Brandfolgeprodukte besitzen oft weitreichende Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Pflanzen, auf Gebäude, Anlagen und Inventar sowie auf Luft, Boden und Gewässer.“

Speziell bei der Verbrennung von Kunststoffen entstünden „große Rauchgasmengen, die immer auch eine gefährliche Fracht mitführen“, so die Experten weiter: Kabelisolierungen und Fußbodenisolierungen bestünden aus Polyvinylchlorid (PVC) und könnten im Brandfall ätzende Salzsäure freisetzen, geschäumte Dämmstoffe könnten beim Verbrennen ätzende Blausäure sowie hochgiftige Cyanidverbindungen freisetzen. „Diese Verbindungen verlassen gemeinsam mit den Rauchgasen den unmittelbaren Brandbereich, gelangen ins Freie (u…) und bilden eine Gefahr für Menschen, Umwelt und Sachwerte“, heißt es bei Brand-Feuer.de.

Brandwolke über der Mainzer Petersaue im Jahr 2019: Die toxischen Brandfolgeprodukte werden oft unterschätzt. - Foto: Feuerwehr Mainz
Brandwolke über der Mainzer Petersaue im Jahr 2019: Die toxischen Brandfolgeprodukte werden oft unterschätzt. – Foto: Feuerwehr Mainz

Beim Verbrennen von Materialien wie Kabeln, Plastik oder geschäumten Dämmmaterialien könnten so Stoffe wie Stickoxide, Schwefeloxide, Chlorwasserstoffe sowie das hochtoxische Dioxin oder auch Nervengifte wie Benzol, Tolulol oder auch Styrol entstehen, schreiben die Brandschutzexperten weiter. Besondere Gefahren träten beim Brennen von Kunststoffen wie Kabelisolierungen auf, hierbei könnten auch stark krebserregende polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe  – sogenannte PAKs – freigesetzt werden. „Die Auswirkungen von Brandrauch und den darin enthaltenen Brandfolgeprodukten werden vielfach unterschätzt“, warnen die Autoren: „Bei einem Brand werden mit dem Brandrauch auch korrosiv und giftig wirkende Stoffe in vom Brandgeschehen weit entfernte Bereiche getragen.“

Das Gebäude mit dem Brandherd sei nach Abschluss der Personenrettung und Brandbekämpfung auf allen Gebäudeebenen mittels Hochleistungslüfter entraucht worden, gegen 14.45 Uhr hätten die letzten Einsatzkräfte die Einsatzstelle verlassen, informierte die Feuerwehr weiter. Die Pressemitteilung, mit der die Medien und damit auch die Bevölkerung informiert wurden, wurde um 18.01 Uhr verschickt – sechs Stunden nach dem Brand.

Erst Mitte Juli hatte die Flutkatastrophe im Ahrtal aufgedeckt, wie mangelhaft Katastrophenschutzkonzepte in Deutschland funktionieren, und wie wenig die Rettungskräfte dafür gerüstet sind, die Bevölkerung im Katastrophenfall zu warnen – über Verbesserungen wird seither intensiv debattiert und nachgedacht. Die Bevölkerung schnell und effektiv warnen – das könnten die Rettungskräfte nicht, sagte Ende Juli der Oberbrandmeister der Mainzer Feuerwehr, Michael Ehresmann, im Interview mit Mainz& – das ganze Interview über fehlendes Gerät, problematische Meldeketten, uneinheitliche Warnapps und Warnmeldungen per Fax lest Ihr hier bei Mainz&.

Info& auf Mainz&: Die ganzen Ausführungen zu Brandfolgeprodukten, welche bei Bränden typischerweise entstehen, und welche Auswirkungen sie haben können, könnt Ihr in allen Einzelheiten hier bei Brand-Feuer.de nachlesen. Wir haben der Feuerwehr Mainz einen Fragenkatalog geschickt, warum die Bevölkerung vor dem Brand nicht gewarnt wurde und ob Giftstoffmessungen vor Ort durchgeführt wurden – sobald eine Antwort vorliegt, werden wir natürlich berichten.

 

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