Seit dem 4. Januar sind die Schulen in Mainz im Fernunterricht – zumindest theoretisch. Denn die neue Phase digitalen Lernens zeigt schonungslos die Mängel im bundesdeutschen Schulwesen auf: „Uns fliegt nun die verschlafene Digitalisierung um die Ohren“, sagte eine Mutter gegenüber Mainz&. Fehlender Serverspace, schlechte Schulprogramme – und immer noch fehlende Endgeräte machen digitales Lernen zum Hindernistrip. Die CDU fordert nun, die Stadt müsse eine Taskforce für die digitale Ausstattung an den Schulen einsetzen: Seit dem ersten Lockdown sei viel zu wenig passiert, bis heute fehlten Laptops und Tablets, die WLAN-Ausstattung hinke noch immer hinterher.
„Die Stadt Mainz hat seit dem ersten Lockdown nichts gemacht, gar nichts“, schimpfte am Freitag der Mainzer CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig im Gespräch mit Mainz&. Seit fast einem Jahr dauere die Coronakrise nun an, doch bis heute habe es die Stadt nicht geschafft, WLAN in allen Schulen einzurichten und ausreichend mobile Endgeräte zur Verfügung zu stellen. Die CDU hatte bereits im September im Stadtrat nach der aktuellen Ausstattung der Schulen sowie nach Laptops oder Tablets für Schüler gefragt – im ersten Lockdown im Frühjahr hatten sich gravierende Mängel aufgetan: Kinder saßen tagelang ohne jeden Anschluss an ihre Schulen zuhause, weil ihnen Geräte fehlten, WLAN nicht vorhanden war oder die Schulaufgaben nicht via digitale Programme übermittelt werden konnten.
Im Juli kündigte die Stadt Mainz daraufhin an, zum neuen Schuljahr 600 Kinder aus besonders bedürftigen Familien an den Mainzer Schulen mit Tablets zum digitalen Lernen unterstützen – der CDU reichte das schon damals nicht: In einem Antrag für den Mainzer Stadtrat forderte die Opposition Tablets für alle rund 15.200 Mainzer Schüler gefordert, die Ampel-Koalition aus Grünen, SPD und FDP lehnte das ab. Stattdessen kündigte Schulderzernent Eckart Lensch (SPD) an, die Stadt wolle nun zusätzlich rund 1,.800 Geräte aus Mitteln des Digitalpaktes für den Bund anschaffen, kurz danach war von 2.400 Geräten die Rede.
Doch auch die sind noch immer nicht da: Die Stadt habe „eine größere Bestellung von 2.863 Geräten in Auftrag gegeben“, teilte Lensch nun auf Anfrage der CDU in einem Schreiben mit, die Lieferung erfolge „voraussichtlich Anfang 2021.“ Weitere 597 Tablets sollen ebenfalls im Januar die Schulen erreichen. Darüber hinaus wurden noch einmal weitere 3.254 „mobile Endgeräte zur Umsetzung der Medienkonzepte“ beantragt, so der Schuldezernent weiter, auch diese würden „zeitnah in Auftrag gegeben.“ Schönig schimpfte derweil, das sei „ein inakzeptabler Zustand.“ Die Stadt habe viel zu spät reagiert, den Schülern sei schließlich „nicht geholfen, wenn sie die digitalen Endgeräte erst nach der Corona-Krise bekommen“, schimpfte er.
Die Stadt hatte sich im Sommer verteidigt, man habe eine Abfrage an den Schulen zum Bedarf durchgeführt, das seien eben die rückgemeldeten Daten gewesen. Doch Schönig berichtete nun: die Bedarfsabfrage sei ausgesprochen fragwürdig abgelaufen. Schulleiter hätten die Bedarfsabfrage offenbar in Teilen einfach an Schulelternsprecher oder Klassenelternsprecher delegiert, dass wirklich der echte Bedarf vor allem in Familien mit echten Lücken erhoben wurde, darum habe sich stellenweise einfach niemand gekümmert. „Es tut mir in der Seele weh, denn die Leidtragenden sind die Kinder“, sagte Schönig. Die Stadt habe die Schulen „mit dieser Aufgabe völlig allein gelassen.“
Die CDU fordert deshalb nun von der Stadt die Einrichtung einer Taskforce, die sich umgehend um die digitale Ausstattung und Aufrüstung der Schulen kümmern soll. Schuldezernent Lensch müsse „endlich eine ehrliche Bilanz zur digitalen Ausstattung der Schulen vorlegen, und Ross und Reiter beim Namen nennen“, forderte CDU-Kreisvorsitzende Sabine Flegel. Denn auch bei der WLAN-Ausstattung der Schulen hake es noch immer. Denn die Stadt habe noch immer nicht für flächendeckendes WLAN an den Schulen gesorgt, eine externe Firma sei weiter „zur Evaluierung der Standorte beauftragt“, wie Lensch selbst mitteile. Der überwiegende Teil der Schulen verfüge aber nur über eine Teilversorgung. „Nach einem knappen Jahr ist das ein Armutszeugnis“, kritisierte Schönig.
Tatsächlich heißt es in dem Schreiben des Schuldezernenten, es verfügten nur einzelne Schulen über ein flächendeckendes WLAN, ein größerer Teil habe eine Teilversorgung, ein „kleinerer Teil“ der Schulen aber auch noch gar kein WLAN. 13 Schulen müssten zudem noch an das Breitbandnetz angeschlossen werden. Allerdings ist die Einrichtung von WLAN-Netzen in Schulen keineswegs eine banale Aufgabe, wie Experten Mainz& bestätigten: Für ein flächendeckendes Netz brauche es nahezu in jedem Klassenraum einen Router, zur Verknüpfung leistungsfähige Server und lasttragfähige Kabel. Vom Schuldezernat heißt es denn auch, es sei „eine Vielzahl von Baumaßnahmen in den Gebäuden notwendig“, um die entsprechende Verkabelung zu optimieren oder überhaupt erst herzustellen.
Dazu müssten Konzepte für die WLAN -Ausleuchtung der Gebäude entwickelt und die notwendigen Geräte eingebaut werden. „Die Maßnahmen werden im Rahmend es Digitalpakts schnellstmöglich umgesetzt“, betonte Lensch weiter. Doch genau da hängt es: Der 2019 zwischen Bund und Länder vereinbarte Milliarden schwere Digitalpakt ist noch immer nicht von allen Bundesländern unterzeichnet – von den fünf Milliarden Euro zur digitalen Ausstattung von Schulen sind bis heute vielleicht rund 20 Millionen Euro geflossen.
Angesichts solcher Abläufe nehmen Eltern auch an Mainzer Schulen zunehmend die Dinge selbst in die Hand: An einem Mainzer Gymnasium sammelten die Eltern nun Geld, um den Schulserver mit neuen Festplatten auszustatten. „Unsere Server waren einfach veraltet, obwohl sie nur drei Jahre alt waren“, berichtete eine Mutter Mainz&, das Ergebnis: Gerade jetzt im Fernunterricht habe das System mehrfach geruckelt. Eigentlich sei es ja nicht in Ordnung, dass nun die Eltern „zur Kasse gebeten würden“, schimpfte eine weitere Mutter, das bevorzuge doch die Schulen, an denen solvente Eltern in die Bresche sprängen.
„Würden wir die Gelder über den Schulträger beantragen, wir hätten die erst in einem Jahr, wir brauchen aber jetzt eine gute Plattform“, kritisierten die Eltern weiter – es sei „einfach nicht mit schneller Hilfe zu rechnen.“ Das zeige ja das Beispiel mit den Lüftungsanlagen: Die seien schon vor Monaten beantragt worden, aber bis heute nicht angekommen, auch jetzt, im Januar-Lockdown, wo die Schulen leer stünden, sei von einem Einbau nichts zu sehen. „Wenn wir so lange auf Festplatten warten“, sagte eine Mutter, „sind die Kinder ja aus der Pandemie raus.“
Info& auf Mainz&: Mehr zum Thema Tablets und Laptops für Mainzer Schulen und die Vorstellungen der Parteien zu dem Thema lest Ihr hier auf Mainz&.