Das am Freitag angekündigte Dieselfahrverbot für die Mainzer Rheinstraße und Rheinallee wirft weiter hohe Wellen. Die CDU-Opposition wirft Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) nun vor, die schlechten Stickoxidwerte für die aus ideologischen Gründen angestrebte Verbannung der Autos aus der Innenstadt zu nutzen. Eder habe viel zu lange versäumt, rechtzeitig wirksame Maßnahmen gegen die Staus auf der Rheinachse zu ergreifen, kritisierte CDU-Verkehrsexperte Thomas Gerster, die miserablen Stickoxidwerte seien schlicht hausgemacht. Darunter hätten jetzt aber all die Bürger zu leiden, die sich kein neues Auto kaufen könnten. „Gänzlich unsinnig“ seien die Pläne für Tempo 30 auf der Kaiserstraße und der Rheinachse, weil Motoren dabei sogar mehr Stickoxide ausstießen.
Die Stadt Mainz hatte am Freitag angekündigt, nun doch ein Dieselfahrverbot in der Mainzer Innenstadt einführen zu wollen, und zwar auf der Rheinachse zwischen Zollhafen und Fort Malakoff. Ab dem 1. Juli soll hier ein Fahrverbot für Diesel der Euronorm 4 und 5 gelten, dazu auch für Benziner der Klassen 1 und 2. Damit wären auch Dieselfahrzeuge von dem Verbot betroffen, die gerade einmal rund fünf Jahre alt sind, Schätzungen gehen von rund 15.000 betroffenen Fahrzeugen in Mainz aus.
Die CDU-Opposition kritisierte das nun am Sonntag als „absolut unverhältnismäßig“: Während andere Städte zunächst lediglich Dieselfahrzeuge bis zur Schadensklasse 4 in Fahrverbote einbezögen, habe Eder direkt auch die saubereren Fahrzeuge der Klasse 5 in Mithaftung genommen, kritisierte der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Mainzer Stadtrat, Thomas Gerster. „Verhältnismäßigkeit bedeutet, dass die Bürger nur soweit belastet werden, wie es unbedingt erforderlich ist“, betonte Gerster, „es gibt keinerlei Grund direkt die große Keule herauszuholen.“
In Mainz werden seit zehn Jahren die Grenzwerte für die als giftig geltenden Stickoxide zum Teil erheblich überschritten, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte deshalb im Oktober 2018 ein verfahren vor dem Mainzer Landgericht gegen den Luftreinhalteplan der Stadt Mainz gewonnen. Danach hätte die Stadt Mainz eigentlich zum 1. September 2019 ein Dieselfahrverbot einrichten müssen, da die Grenzwerte auch im ersten Halbjahr 2019 nicht eingehalten wurden. Trotzdem hatte Eder ein Dieselfahrverbot abgelehnt, Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) sogar davon gesprochen, Mainz habe ein Dieselfahrverbot erfolgreich vermieden.
Während die Stickoxidwerte in der Mainzer Parcusstraße deutlich auf nur noch 423 Mikrogramm – und damit knapp über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft – sanken, entwickelte sich die Rheinallee zu einem neuen Hotspot: Hier liegen die Werte weiter mit 49 Mikrogramm und mehr deutlich über dem Grenzwert. Die DUH hat zudem weitere Klagen gegen die Stadt Mainz angestrebt, Eder kündigte deshalb am Freitag ein Dieselfahrverbot für die gesamte Rheinachse an.
Gerster kritisierte, damit räche sich nun dass die Stadt Mainz gegen das erste Urteil keine Rechtsmittel eingelegt habe. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum nicht das Ergebnis der anhängigen Klage abgewartet werde – die Gerichte stünden den Ansinnen der Umwelthilfe schließlich in der letzten Zeit zunehmend zurückhaltender gegenüber. „Die Einführung des Dieselfahrverbotes zum jetzigen Zeitpunkt ist nur dadurch zu erklären, dass es der Dezernentin aus ideologischen Gründen ins Konzept passt“, schimpfte Gerster. Durch die Einführung des Dieselfahrverbotes auf der Rheinachse zeige die Dezernentin, dass es ihr „entgegen anderslautender früherer Äußerungen nicht darum geht, ein Dieselfahrverbot zu verhindern, mit dieser Maßnahme zeigt sie, dass sie es darauf anlegt, Kfz aus der Innenstadt zu verbannen.“
„Die geplanten Maßnahmen sind unnötig, unverhältnismäßig und sogar kontraproduktiv“, kritisierte Gerster. Eine Senkung der Stickoxidwerte sei vor allem durch eine Verstetigung des Verkehrsflusses zu erreichen, die Einführung einer Grünen Welle sei bislang von Eder aber immer verhindert worden. „Heute werden Fahrzeuge nahezu an jeder Ampel auf der Rheinachse ausgebremst“, betonte Gerster, „die miserablen Werte auf der Rheinachse sind demzufolge auf den hausgemachten Stau zurückzuführen.“ Auch sei nicht nachvollziehbar, warum Eder es bislang versäumt habe, den allmorgendlichen Stau durch eine Verbesserung der Situation am Kasteler Kreisel bei ihrem Parteifreund und Amtskollegen, dem Wiesbadener Verkehrsdezernenten Andreas Kowol einzufordern. Statt rechtzeitig wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Belastung zu senken, habe man abgewartet.
Als „gänzlich unsinnig“ bezeichnete Gerster zudem das vorgesehene Tempolimit von Tempo 30 für Kaiserstraße und Rheinstraße. Sämtliche Untersuchungen sähen keinerlei Verbesserung in der Stickoxid-Bilanz durch Tempo 30, betonte Gerster, auch nicht die von der Verkehrsdezernentin zitierte Untersuchung des Umweltbundesamtes. Automotoren würden bei 50-60 kmh am effektivsten verbrennen und somit weniger Stickoxide ausstoßen. Eine Verbesserung gebe es nur, wenn gleichzeitig der Verkehrsfluss verstetigt würde, diese Verbesserung könne man aber auch durch eine Verstetigung des Verkehrs bei Tempo 50 erreichen, argumentierte Gerster: „Eine Einführung von Tempo 30 auf den vorgesehenen Strecken führe daher – isoliert betrachtet – eher zu einer Erhöhung der Stickoxidwerte.“
Gleiches hatten auch Untersuchungen der Landesanstalt für Umwelt in Baden-Württemberg (LUBW) ergeben: Tempolimits von 30 oder 40 km/h verbesserten nicht zwangsläufig die Luftqualität, entscheidend für die Vermeidung von Emissionen sei vor allem ein gleichmäßiger Verkehrsfluss – und zwar ziemlich unabhängig vom Tempo. Auch in den sozialen Netzwerken sorgte die Mainzer Entscheidung für erhebliches Unverständnis: „Wenn alle alten Diesel dann einen viel längeren Umweg durch Mainz fahren müssen, profitiert die Stadt genau wie davon?“, fragte etwa ein Mainz&-Leser.
Das Problem bei einem Dieselfahrverbot auf der Rheinachse: Damit wäre auch die Theodor-Heuss-Brücke für die älteren Autos automatisch gesperrt – und das auch für Anwohner aus den rechtsrheinischen hessischen Gebieten. „Mal schnell in die Stadt fahren, etwas kaufen oder weggehen, ist somit auch passé“, klagte etwa ein Kostheimer: „Uns hier komplett die Zufahrt abzuschneiden, ist eine Frechheit.“
Gerster forderte die Stadt auf, im Falle eines Fahrverbots wenigstens für „umfassende und zeitlich ausreichende Ausnahmeregelungen für Anwohner, Gewerbetreibende und insbesondere auch die Marktbeschicker“ zu sorgen. „Es kann nicht sein, dass nun diejenigen unter der verfehlten städtischen Verkehrspolitik leiden müssen, die sich kein neues Auto leisten können,“, fügte er hinzu.
Info& auf Mainz&: Alle Informationen und Details zum anstehenden Dieselfahrverbot in Mainz lest Ihr hier bei Mainz& in unserem ersten Text. Die Reaktionen darauf von SPD und Grünen sowie von Mainzern könnt Ihr hier nachlesen. Das Urteil zum Dieselfahrverbot im Oktober 2018 samt damaligem Kenntnisstand könnt Ihr im Detail hier bei Mainz& nachlesen. Wie die Stadt noch im Juli 2019 einen Verzicht auf ein Dieselfahrverbot begründet hatte, lest Ihr hier bei Mainz&, den Bericht über die neuen Klagen der DUH gibt es hier.