Schon wieder ist es in Mainz zu Corona-Ausbrüchen in Mainzer Altenheimen gekommen: 12 Bewohner und drei Mitarbeiter seien insgesamt in zwei Seniorenzentren und einer Wohngemeinschaft für Senioren mit dem Coronavirus infiziert – und das trotz Corona-Impfung, teilte das Gesundheitsamt Mainz-Bingen am Montag mit. Damit geht die Reihe der Impfdurchbrüche in Seniorenheimen weiter – das RKI empfiehlt inzwischen deshalb mit Nachdruck die dritte Corona-Impfung. Derweil steigen die Corona-Inzidenzen nach wochenlanger Stagnation wieder stark an: in Mainz kletterte die Sieben-Tage-Inzidenz am Montag auf 89,1, auch die Intensivbettenkapazität schrumpft bedenklich. Die Hospitalisierungsquote erweist sich derweil als Warn-Flopp.

Die Zahl der positiven Corona-Proben nimmt wieder zu, die Inzidenz steigt wieder. - Foto: AstraZeneca
Die Zahl der positiven Corona-Proben nimmt wieder zu, die Inzidenz steigt wieder. – Foto: AstraZeneca

Wochenlang hatte sich die Corona-Infektionsinzidenz hartnäckig zwischen 55 und 66 gehalten, doch damit ist es nun offenbar vorbei: Am Montag kletterte die Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfizierten auf 89,1, das ist so hoch wie seit zwei Monaten nicht mehr. Und die Zahlen dürften weiter steigen: Bundesweit steigt die Zahl der Neuinfektionen derzeit deutlich an, die Kurve der Neuinfektionen ist wieder kurz davor, in den exponentiellen Anstieg zu drehen: Bis zu 19.000 Neuinfektionen meldete das Robert-Koch-Institut zuletzt an einem einzigen Tag, am Montag stieg die Sieben-Tage-Inzidenz bundesweit auf 110 – bis vor Kurzem hätte das die Ausrufunug der nächsten Corona-Warnstufe samt neuer Kontaktbeschränklungen nach sich gezogen.

Treiber der Neuinfektionen sind derzeit vor allem die ostdeutschen Bundesländer Thüringen und Sachsen, aber auch Baden-Württemberg und Bayern, wo die Sommerferien als letztes zu Ende gingen. Spitzenreiter in Deutschland ist derzeit der Landkreis Mühldorf am Inn mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 522, auch der Nachbar-Landkreis Traunstein kratzt an der 500er-Marke. Gleichzeitig kehren aber mit Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen die ersten Bundesländer schon aus den Herbstferien zurück – Experten rechnen deshalb mit einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen in den nächsten Wochen.

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Bei den früh geimpften Senioren lässt inzwischen der Impfschutz wieder nach, die Folge: Impfdurchbrüche. - Foto: Stadt Wiesbaden
Bei den früh geimpften Senioren lässt inzwischen der Impfschutz wieder nach, die Folge: Impfdurchbrüche. – Foto: Stadt Wiesbaden

Wie schlimm die sich nun aufbauende vierte Coronawelle wird, dürfte maßgeblich davon abhängen, ob sich in den kommenden Wochen die Zweifler doch noch impfen lassen: Auf den Intensivstationen und in den Krankenhäusern liegen 80 bis 980 Prozent Ungeimpfte. Trotzdem sind bundesweit bislang nur 66,2 Prozent der Bevölkerung komplett geimpft, 69,1 Prozent haben immerhin ihre erste Impfung erhalten. Rheinland-Pfalz liegt dabei ziemlich genau im Schnitt: 70,8 Prozent haben hier ihre erste Impfung erhalten, 66 Prozent sind vollständig immunisiert – das ist weiter zu wenig, um eine Herdenimmunität zu erreichen und die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung zu stoppen.

Derweil lässt der Impfschutz bei den früh geimpften Gruppen schon wieder nach – und das trifft ausgerechnet die hochbetagten Senioren: Am Sonntag meldete das Gesundheitsamt einen Corona-Ausbruch in Mainzer Altenheimen, am Montag präzisierte das Amt seine Angaben. Demnach wurden in zwei Mainzer Altenheimen und einer Senioren-Wohngemeinschaft Corona-Ausbrüche festgestellt, dabei sind in einem Heim zwei Bewohner und ein Mitarbeiter, in Heim 2 aber neun Bewohner und ein Mitarbeiter positiv getestet worden. Zudem seien in einer Wohngemeinschaft für Senioren ein Bewohner und ein Mitarbeiter infiziert, hieß es weiter.

Derzeit sind noch immer zu wenige Menschen geimpft, viele Senioren brauchen eine dritte Booster-Impfung. - Foto: gik
Derzeit sind noch immer zu wenige Menschen geimpft, viele Senioren brauchen eine dritte Booster-Impfung. – Foto: gik

Zu den Gründen konnte das Gesundheitsamt auch auf Nachfrage keine weiteren Angaben machen: Die Ermittlungen, wie das Virus in die Heime kam, dauerten noch an, sagte ein Sprecher auf Mainz&-Nachfrage, es sei aber unklar, ob sich die Ursache überhaupt ermitteln lasse – bisher seien werde eine Ursache noch ein Infektionsherd auszumachen. Die gute Nachricht: Bisher seien eher milde Verläufe zu beobachten, eine Krankenhausbehandlung sei bislang noch nicht erforderlich gewesen. Umfangreiche Tests seien bereits veranlasst, weitere Untersuchungen für Montag beziehungsweise Mittwoch geplant. In den Altenheimen besteht für die jeweilige betroffene Station bis auf Weiteres ein Besuchsverbot sowie ein Aufnahmestopp.

Es ist beileibe nicht der erste Ausbruch in einem Seniorenheim: Anfang September waren nach einem Corona-Ausbruch in einem Ingelheimer Pflegeheim mit fast 40 Infizierten drei Bewohner der Demenzstation gestorben, auch in anderen Seniorenheimen – unter anderem in Bingen und derzeit in Worms – kam es zu Infektionsausbrüchen. Die Experten vermuten als Hauptursache für die Ausbrüche die generell schwächeren Immunsysteme bei Hochbetagten, aber auch die nachlassende Wirkung der Impfungen: Die Bewohner in Ingelheim hatten ihre zweite Corona-Impfung Anfang Februar erhalten, also vor mehr als sechs Monaten.

Fordert "eine systematische Booster-Impfkampagne": SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. - Screenshot: gik
Fordert „eine systematische Booster-Impfkampagne“: SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. – Screenshot: gik

Bereits zum 1. September hatte das Land Rheinland-Pfalz deshalb auch die Runde der dritten Auffrischungsimpfungen gestartet, doch bislang läuft das offenbar noch schleppend: in zu vielen Seniorenheimen häufen sich derzeit erneut Corona-Infektionen. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte denn auch am Freitag auf Facebook, angesichts der steigenden vierten Corona-Welle brauche es „eine systematische Booster-Impfkampagne“ und ein gezieltes Ansprechen der noch Ungeimpften – sonst drohe ein düsterer Herbst. Eine Statistik über die Auffrischungsimpfungen führe man nicht, heißt es im Gesundheitsamt, weil die „Booster“ meist über die Hausärzte liefen.

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) mahnte wiederum schnelle flächendeckende Boosterimpfungen gerade bei Senioren an. Die Bundesländer müssten für ein flächendeckendes Impfangebot durch die Hausärzte sorgen, forderte bpa-Präsident Bernd Meurer: „Wo das nicht funktioniert, müssen wieder mobile Impfteams eingesetzt und in die Pflegeeinrichtungen geschickt werden.“ Im Mainzer Gesundheitsministerium heißt es dazu auf Mainz&-Anfrage: „Bei Bedarf“ könnten Einrichtungsleitungen Kontakt mit niedergelassenen Ärzten wegen der Booster aufnehmen, auch stehe das Land als Ansprechpartner zur Organisation mobiler Impfteams zur Verfügung.

Die Warnampel in Rheinland-Pfalz mit den neuen Warnstufen und Inzidenzwerten. - Grafik: RLP.de
Die Warnampel in Rheinland-Pfalz mit den neuen Warnstufen und Inzidenzwerten. – Grafik: RLP.de

Derweil scheint das neue Corona-Warnampel-System, das Rheinland-Pfalz Anfang September eingeführt hatte, vor allem eines nicht zu tun: zu warnen. Bei dem neuen Warnstufen System wurde der Corona-Inzidenz für Infektionen flankiert von der Quote der Krankenhauseinweisungen sowie die prozentuale Belegung der Intensivbetten mit Corona-Patienten zur Seite gestellt. Doch während die Inzidenz der Neuinfektionen sich gerade rasant der ersten Warnmarke von 100 nähert – und im Bund bereits  überschritten ist – dümpelt die Zahl der Krankenhauseinweisungen weiter um den Wert 2 und damit weit von der Schwelle zur Warnstufe 2 entfernt.

Warum das so ist, haben nun Wissenschaftler des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung nachgerechnet – und stellten dabei fest: die Hospitalisierungs-Inzidenz ist um rund die Hälfte zu niedrig. „Das Problem mit der Hospitalisierungsinzidenz: Bis zu 48 Prozent der Krankenhausaufnahmen würden nicht tagesaktuell gemeldet, sondern dem jeweiligen Datum nachträglich zugeordnet, heißt es in dem Papier der RWI-Forscher“, berichtet der Spiegel – der zeitliche Verzug betrage „meist zwei, teils bis zu vier Wochen.“ Die Kennzahl halte damit nicht, was sie verspreche, nämlich ein echter Warn-Indikator zu sein, „über die aktuelle Situation in den Kliniken verrät sie wenig“, heißt es im Spiegel-Bericht weiter: Die Hospitalisierungsinzidenz zeige erst nach ihrer rückwirkenden Korrektur die tatsächliche Auslastung der Krankenhäuser an.

Die Experten fordern nun eine neuen Frühwarnindikator, der die Neuinfektionen nach Alter gewichtet, so könne das tatsächliche Risiko für Infizierte und Gesundheitssystem viel genauer abgeschätzt werden. Denn gerade für Ungeimpfte wird der Winter ausgesprochen ungemütlich: Ungeimpfte würden im kommenden Winter ein so hohes Corona-Infektionsrisiko haben wie nie zuvor in der Pandemie, sagte der leitende Bioinformatiker der Universitätsmedizin Greifswald, Lars Kaderali, dem NDR.

Seinen Simulationen zufolge, rechne er mit dem höchsten Anstieg um Weihnachten herum – dann könne es sogar Corona-Inzidenzen von um die 400 geben. Der Ausweg: die Corona-Impfung. Schon eine Impfquote von nur 5 Prozentpunkten mehr, könne zu einer Halbierung der Corona-Neuinfektionen führen, sagte Kaderali. Ansonsten, warnen, Experten seit Wochen, könnten Deutschland im Winter erneut Corona-Maßnahmen womöglich wieder mit Einschränkungen für Treffen und Ausgehen drohen.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Thema Impfdurchbrüche bei Corona, und warum das vor allem die Altenheime trifft, könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen. Für wen genau es jetzt schon die Auffrischungsimpfungen gibt, und wie Ihr da drankommt, das findet Ihr hier beim Land Rheinland-Pfalz. Über die neue Corona-Warnampel in Rheinland-Pfalz mit dem dreistufigen Warnsystem und den neuen Inzidenzwerten haben wir ausführlich hier bei Mainz& berichtet.

 

 

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