Seit Anfang März steigt das Infektionsgeschehen in Schulen und Kitas deutlich, allein in Mainz waren vergangene Woche 13 Schulen und 12 Kitas von Corona-Infektionen betroffen. Trotzdem starteten in Rheinland-Pfalz am Mittwoch die Schulen nach den Osterferien wieder im Wechselunterricht, die Kitas befinden sich ohnehin im Regelbetrieb. Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) kündigte nun an, die Kitas sicherer machen zu wollen. Künftig gelte eine Maskenpflicht ohne Ausnahme der pädagogischen Arbeit sowie die Pflicht zu festen Gruppen – die Ministerin sagte auch, letzteres könne zu einem eingeschränkten Angebot führen. In Mainz soll zudem ein Pilotprojekt zu Tests in Kitas starten. Für Irritationen sorgte zudem der ehemalige Leiter der Mainzer Kinderklinik, Fred Zepp: Er behauptete, es gebe kein erhöhtes Infektionsgeschehen bei Kindern – und warf RKI-Präsident Lothar Wieler mangelnde Kompetenz in Sachen Kindergesundheit vor.

Warnt vor starkem Anstieg des Infektionsgeschehens in Kitas und Schulen: Dietmar Hoffmann, Leiter des Gesundheitsamtes Mainz-Bingen. - Foto: gik
Warnt vor starkem Anstieg des Infektionsgeschehens in Kitas und Schulen: Dietmar Hoffmann, Leiter des Gesundheitsamtes Mainz-Bingen. – Foto: gik

Seit Wochen warnen Experten auf allen Ebenen: Die dritte Coronawelle betrifft besonders stark Jugendliche und sogar kleine Kinder. Waren die in den beiden ersten Corona-Wellen noch scheinbar weitgehend außen vor., so hat sich dieses Bild seit Jahresbeginn 2021 dramatisch gewandelt: Den höchsten Anstieg bei den Corona-Infektionen gab es seither nicht mehr in der Gruppe der Älteren, sondern gerade bei den Jüngeren. Seit Anfang des Jahres sei eine Altersverschiebung beim Infektionsgeschehen weg von den Älteren und hin Kindern und Jugendlichen erkennbar, sagte etwa der Leiter des Gesundheitsamtes Mainz-Bingen, Dietmar Hoffmann, vergangene Woche: Nun häuften sich die Infektionen in Schulen und insbesondere in Kitas.

Vor allem in den Kitas komme es aktuell zu einem größeren Infektionsgeschehen, warnte Hoffmann weiter. Vergangene Woche waren allein in der Stadt Mainz zwölf Kitas von Corona-Infektionen betroffen, 21 Pädagogen und 23 Kinder gehörten zu den Infizierten weitere 43 Erzieher sowie 226 Kinder befanden sich in Quarantäne. Eine Woche zuvor hatte das Gesundheitsamt von gerade einmal drei betroffenen Kitas in Mainz gesprochen. Erst Ende März hatte das Robert-Koch-Institut (RKI) ausdrücklich gewarnt: Die dritte Corona-Welle breite sich derzeit vor allem bei Kindern und Jugendlichen aus.

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Der bisherige Leiter der Kinderklinik der Mainzer Universitätsmedizin, Fred Zepp, am Mittwoch in der Pressekonferenz des Bildungsministeriums. - Foto: gik
Der bisherige Leiter der Kinderklinik der Mainzer Universitätsmedizin, Fred Zepp, am Mittwoch in der Pressekonferenz des Bildungsministeriums. – Foto: gik

Der stärkste Anstieg sei bei Kindern zwischen 0 und 14 Jahren zu beobachten, dort habe sich die 7-Tages-Inzidenzen in den vergangenen vier Wochen „mehr als verdoppelt“, konstatierte der RKI-Lagebericht, und RKI-Präsident Lothar Wieler warnte: Besonders stark sei der Anstieg derzeit bei Kindern bis fünf Jahren. „Wir sehen nicht, dass das Infektionsgeschehen bei Kindern in besonderer Weise anders ist“, sagte hingegen der frühere Leiter der Kinderklinik der Mainzer Universitätsmedizin, Fred Zepp, am Mittwoch in der Pressekonferenz der Ministerin: „Wir haben in der Kinderpopulation nicht eine dramatische Zunahme, die Ansagen, die gemacht worden sind, sind reine Spekulation.“

Zepp gehört zum Corona-Beraterstab von Ministerin Hubig, Zepp hatte bereits in der Vergangenheit Sonderwege von Rheinland-Pfalz beim Offenhalten der Schulen verteidigt. Noch im November 2020 hatte Zepp betont, bei Kindern unter zehn Jahren zeige sich „eine geringere Infektiosität“, erst mit zunehmendem Alter ab 15 Jahren glichen sich Jugendliche den Erwachsenen mit Blick auf die Infektiosität an. Experten hatten dem schon damals energisch widersprochen: „Es gibt massive Ausbrüche an Schulen, und es gibt verstärkt Kind-zu-Kind-Ansteckung“, sagte im Herbst 2020 der Leipziger Epidemiologe Markus Scholz im Interview mit Mainz&.

Warnt vor erheblichem Infektionsgeschehen bei Kindern und Jugendlichen in der dritten Welle: RKI-Präsident Lothar Wieler. - Foto: gik
Warnt vor erheblichem Infektionsgeschehen bei Kindern und Jugendlichen in der dritten Welle: RKI-Präsident Lothar Wieler. – Foto: gik

Der Epidemiologieprofessor Scholz gehört zu einem Team von Wissenschaftlern an der Universität Leipzig, das die Schulöffnungen in Sachsen seit Monaten wissenschaftlich begleitet. „In der ersten Welle war die Gruppe der 0- bis 15-Jährigen kaum vertreten“, sagte Scholz gegenüber Mainz& – jetzt gebe es eine 15-fach höhere Infektionsrate unter Kindern. Mitte März konstatierte Scholz dann: Während die Infektionen bei allen Erwachsenengruppen stagnierten oder sogar sänken, „steigen sie bei allen Altersbereichen zwischen 0 und 15 Jahren rapide an“, berichtet Scholz im Gespräch mit Mainz&: Vier Wochen nach Öffnung der Schulen „sehen wir, dass die Fallzahlen bei Kinder und Jugendlichen explodieren – da ist eine Verdreifachung der Fallzahlen zu beobachten.“

Zepp sagte hingegen am Mittwoch auf explizite Nachfrage von Mainz&, das seien ja „keine Kinderärzte“, man solle „vielleicht mal die Menschen befragen, die sich mit der Population auskennen“. Kinder seien „keine Hotspots von Übertragungen“, betonte der Mainzer Kinderarzt: Zwar seien Infektionen bei Kindern häufiger geworden, sie führten zum größten Teil aber „nicht zu Erkrankungen und nicht zu Krankenhausaufenthalten.“ Im Monat Februar seien „nur acht Kinder in Kinderkliniken gesehen worden“, ebenso im März. Experten wie der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach warnen seit Wochen vor schwerwiegenden Spätfolgen von Covid-19, darunter dem sogenannten „Long Covid“ Syndrom, Zepp sagte dazu auf Nachfrage: „Es wird womöglich Long Covid-Symptome geben, das wissen wir aber nicht – was im langen Verlauf die Menschheit belasten wird, ist schwer zu sagen

Grafik zur Ausbreitung des Infektionsgeschehens in Sachsen: Den schnellsten Anstieg gibt es bei Kindern und Jugendlichen.- Grafik: Scholz
Grafik zur Ausbreitung des Infektionsgeschehens in Sachsen: Den schnellsten Anstieg gibt es bei Kindern und Jugendlichen.- Grafik: Scholz

Die Zunahme der Infektionen bei Kindern habe mit der Zunahme der Tests zu tun, betonte Zepp hingegen: Nur bei Kindern sei „die Testfrequenz um 300 Prozent hochgegangen, deshalb gehen die Infektionen massenhaft hoch.“ Experten wie etwa Hoffmann betonen seit Wochen, einen rein linearen Zusammenhang zwischen Tests und Fallzahlen gebe es so nicht, gerade RKI-Präsident Wieler hatte mehrfach unterstrichen, die erhöhte Zahl der Tests sei nicht der Hauptgrund für den Anstieg der Infektionszahlen: Diese gingen auch prozentual zur Anzahl der Tests in die Höhe.

„Herr Wieler ist jetzt auch kein Kinderarzt, er ist nicht damit befasst, wie das Krankheitsgeschehen bei Kindern erfolgt“, sagte Zepp dazu auf Mainz&-Nachfrage: „Die Ansagen, die gemacht worden sind, sind reine Spekulation.“ Kitas seien „kein Hotspot von Übertragungen.“ Hingegen sehe er als Kinderarzt nach einem Jahr Pandemie wesentliche Entwicklungsstörungen wie etwa Angststörungen. „Es ist unglaublich wichtig, die Kinder wieder in ihre normale Umgebung zu bringen“, betonte Zepp, man müsse ihnen „einigermaßen normalen Lebensraum gewähren.“

Kitakinder werden derzeit allerdings in Rheinland-Pfalz nicht regelmäßig getestet, für sie gibt es bislang kein Angebot für Schnelltests – Erzieherinnen können sich einmal pro Woche kostenlos testen lassen. Hubig kündigte an, dieses Angebot „perspektivisch“ auf zwei Tests pro Woche ausweiten zu wollen. Die Tests sind aber weiter freiwillig, die Gewerkschaft Ver.di hatte am Mittwoch eine Testpflicht auch für Kitas gefordert: „Uns wird berichtet, dass bei freiwilligen Testangeboten viele sich nicht daran beteiligen“, sagte Landesfachbereichsleiter Volker Euskirchen, das könne nicht sein: Testverweigerer könnten dann auch „keinen Anspruch auf den Besuch der Kita einfordern.“

Kinder in einer Kita in einer Flüchtlingseinrichtung in Hessen. - Foto: gik
Kinder in einer Kita in einer Flüchtlingseinrichtung in Hessen. – Foto: gik

Hubig lehnte indes eine Testpflicht für Schulen oder Kitas erneut ab: „Wir haben uns im Moment nicht für eine Testpflicht entschieden“, sagte die Ministerin. Sie werde sich aber „genau ansehen, wie davon Gebrauch gemacht wird“, und „über weitere Schritte nachdenken“, falls eine freiwillige Testung nicht funktioniere. Die Forderung mehrere Bildungsgewerkschaften, die Tests sollten durch professionelles Personal in Schulen durchgeführt werden, lehnte die Ministern ebenfalls ab.

Mainz&-Leser berichten derweil, es hänge bei den Schnelltests – auch an den Schulen: „Tests für die Schüler waren nach den Osterferien vorgesehen, gleichwohl muss die Schulleitung informieren: erstmal keine Testung“, schrieb uns ein Vater: Die Tests vom Land seien schlicht nicht da, zudem gebe es „viele Fragen“ – die Durchführung sei „nicht unproblematisch“. Das Land verlangt, dass die Selbsttests von den Kindern im Unterricht unter Aufsicht der Lehrer durchgeführt werden, daran gab es scharfe Kritik – Hubig hielt am Mittwoch erneut daran fest. „Mir ist wichtig, dass jetzt schnell in den Schulen getestet wird“, sagte Hubig, die Selbsttests in Schulen funktionierten „sehr gut und unproblematisch.“

Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) am Mittwoch in der virtuellen Pressekonferenz. - Foto: gik
Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) am Mittwoch in der virtuellen Pressekonferenz. – Foto: gik

Hubig betonte, die Selbsttests für Schulen würden derzeit ausgeliefert, das Land habe 4,5 Millionen Tests besorgt, 1,5 Millionen seien schon ausgeliefert. Kommende Woche sollen die Schulen zweimal pro Woche Schüler und Lehrpersonal testen können. In Mainz soll nun zudem ein Pilotprojekt zum Testen von Kitakindern starten, dabei sollten Schnelltests durch geschultes Personal professionell durchgeführt werden.

Zum Schutz der Erzieherinnen will Hubig nun die Maskenpflicht in den Kitas verschärfen: Die Ausnahme von der Maskenpflicht bei der pädagogischen Arbeit mit Kindern gelte künftig nicht mehr, stattdessen müssten Erzieherinnen permanent verpflichtend Maske tragen – Ausnahmen gelten nur bei Sprachförderung. Bislang könne bei pädagogischen Arbeiten mit Kindern auf Masken verzichtet werden, „wir werden das umdrehen“, sagte Hubig: Bei der Arbeit am Kind müsse künftig eine Maske getragen werden, nur wenige Ausnahmen seien erlaubt. „Das Infektionsgeschehen wird von draußen in die Kitas getragen“, betonte die Ministerin, „uns ist wichtig, dass wir einen sicheren Raum haben.“

Getrennte Gruppen in Kitas sollen verpflichtend werden,. vielen Einrichtungen fehlen dazu Raum und Personal. - Foto: privat
Getrennte Gruppen in Kitas sollen verpflichtend werden,. vielen Einrichtungen fehlen dazu Raum und Personal. – Foto: privat

Als zweite Maßnahme setzt die Ministerin nun auf feste Gruppen ohne Durchmischung – und auch das soll verpflichtend werden: „Wir wollen, dass die Betreuung in festen Gruppen erfolgt“, kündigte Hubig an, das werde auch in der Corona-Verordnung verankert. Die Kitas sollten dafür mehr Vertretungspersonal einsetzen, das werde das Land finanziell fördern. „Natürlich kann das bedeuten, dass das Angebot eingeschränkt werden muss, weil nicht genügend Personal oder Raum da ist“, sagte Hubig, das sollten die Einrichtungen vor Ort entscheiden.

Zur Forderung nach Luftreinigern für Kitas sagte Hubig nur, „das Lüften ist nach wie vor das A und O.“ Das Land habe 1000 Euro pro Kita zur Verfügung gestellt für Maßnahmen, „die Träger gehen damit unterschiedlich um“, sagte sie weiter. Manche kauften von dem Geld Masken, andere ergriffen andere Maßnahmen. Ansonsten hätten die Kitas „ja auch Außenanlagen, sie sollen ja auch rausgehen und viel draußen spielen“, fügte die Ministerin hinzu.

Info& auf Mainz&: Mehr zur Leipziger Schulstudie in Sachen Corona-Infektionen könnt Ihr hier bei Mainz& noch einmal nachlesen. Der Streit, ob Kinder „Treiber der Pandemie“ sind, schwelt bereits seit Monaten – unsere Analyse dazu könnt Ihr hier noch einmal nachlesen. Mehr zum Thema Kinder in der dritten Corona-Welle, was sich inzwischen geändert hat, lest ihr hier bei Mainz&: „Die neue Gefahr für Kinder.“

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