Seit dem 15. Dezember 2019 hat Mainz einen neuen Fahrplan, von „optimierter Streckenführung“, mehr Direktfahrten und besserer Anbindung der Stadtteile schwärmte die Mainzer Mobilität. Doch das sehen beileibe nicht alle Mainzer so: Über einen „mainzigartigen Schildbürgerstreich“ schimpft nun Janine Geibel-Emden, Chefin der beliebten Mainzer Kneipe „Andau“, direkt am Mainzer Schillerplatz. Der Grund: Die Ausdünnung des Straßenbahnverkehrs in Mainz in den Nachtstunden. Mainz& hatte ja schon im Dezember gewarnt, dass seit dem Fahrplanwechsel die letzten Straßenbahnen unter der Woche um 0.30 Uhr ab Hauptbahnhof fahren, nun regt sich massiver Protest: Wer in einer Kneipe in der Innenstadt arbeitet, kommt damit nicht mehr nach Hause.

Straßenbahnen am Mainzer Schillerplatz - ab 0.30 Uhr ist hier jetzt unter der Woche Schluss. - Foto: gik
Straßenbahnen am Mainzer Schillerplatz – ab 0.30 Uhr ist hier jetzt unter der Woche Schluss. – Foto: gik

0.30 Uhr ist Schicht auf den Straßenbahnlinien 50 und 52, bei der Linie 53 in den Mainzer Zollhafen fährt die letzte Straßenbahn gar um 22.25 Uhr – in einer bundesdeutschen Großstadt im Jahr 2020. Lediglich die Linie 50 nach Mainz-Hechtsheim rollt länger, doch auf den Lerchenberg, nach Bretzenheim oder Marienborn rollt die letzte Bahn um 0.22 Uhr oder um 0.30 Uhr – dann ist Schluss. In den alten Hechtsheimer Ortskern fährt die letzte Bahn zum Schinnergraben gar um 23.45 Uhr. „Das ist doch der reine Mainzelwahn“, findet Wirtin Geibel-Emden – und rief am Montagabend in einem Facebook-Post zum Protest auf.

Der Nachtverkehr vor allem bei den Straßenbahnlinien sei „ohne große Vorwarnung eingestellt worden“, das sorge für Empörung, und zwar bei Gästen wie bei denen, die in den Kneipen arbeiteten. „Von unseren rund 20 Leuten sind 15 Mädels, die haben jetzt Schwierigkeiten, nachts sicher nach Hause zu kommen“, sagte Geibel-Emden im Gespräch mit Mainz&. Die Studentinnen müssten jetzt nachts durch die Felder laufen oder am Hauptbahnhof entlang radeln, „ich finde das nicht schön“, sagte die Wirtin, „die Zeiten sind alles andere als sicher.“

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Die Andau mache, wie die meisten Kneipen in der Mainzer Innenstadt, um 1.00 Uhr nachts zu, da fahre jetzt aber keine Straßenbahn und oft auch kein Nachtbus mehr. „Parken geht bei uns in der Andau gar nicht“, sagte Geibel-Emden weiter, ein Taxi könnten sich die meisten Studenten nicht leisten. „Von montags bis donnerstags geht wirklich nichts“, schimpfte sie, auch ihre Kunden gingen seit der Fahrplanumstellung merklich früher nach Hause. „Wir sind jahrelang nach Hause gekommen und jetzt nicht mehr, das ist erst mal ein Schlag vor den Kopf“, kritisierte die Wirtin: „Jetzt weiß man wirklich nicht, wie man nachts bei Wind und Wetter und Nebel nachhause kommen soll.“

Im Kommunalwahlkampf warben die Mainzer Grünen mit einem Plakat für Straßenbahnen statt Autos. - Foto: gik
Im Kommunalwahlkampf warben die Mainzer Grünen mit einem Plakat für Straßenbahnen statt Autos. – Foto: gik

Und dabei sei die Mainzelbahn doch jüngst noch von der Mainzer Mobilität als „Fahrgastmagnet und Lokomotive für das gesamte Mainzer Straßenbahnnetz“ bezeichnet worden, schreiben Geibel-Emden in ihrem Facebook-Protest weiter. Seit der Umstrukturierung des Fahrplans seien aber gerade stark bevölkerte Vororte „wie unliebsame Stiefkinder angehängt“ worden und würden „noch vor Mitternacht ignoriert“ – und dabei seine doch ein Viertel aller Fahrgäste Studierende. Die wohnten oft in Stadtteilen, die nun „abrupt für Stunden verkehrstechnisch abgeschnitten werden“, kritisierte Geibel-Emden – seit dem Fahrplanwechsel fuhren die Bahnen unter der Woche erst wieder um 5.00 Uhr morgens, am Wochenende gar erst ab 8.00 Uhr.

Was die Wirtin zudem besonders ärgert, ist die Rückmeldungen der Mainzer Mobilität. „Wir haben fünfmal an die geschrieben und fünfmal die gleiche Antwort bekommen“, schimpfte sie, „man wird abgeschmettert, natürlich wohlfeil formuliert.“ Die Mainzer Mobilität verweise immer nur darauf, was sich an anderer Stelle verbessert habe, „da fühlt man sich dann mit seinem Problem besonders gehört“, kritisierte die Wirtin, und fordert: „Man müsste doch mal eine Lösung anbieten, wie komme ich denn nun nachhause? Das ganze ist doch irrwitzig und widersprüchlich!“

Leere Gleise an der Mainzelbahn in Marienborn - nachts fährt hier untre der Woche ab 0.30 Uhr nichts mehr. - Foto: gik
Leere Gleise an der Mainzelbahn in Marienborn – nachts fährt hier untre der Woche ab 0.30 Uhr nichts mehr. – Foto: gik

Die Mainzer Mobilität hatte die erhebliche Ausdünnung des Nachtverkehrs damit begründet, dass teilweise in der Nacht nur ein einziger Fahrgast in den Bahnen zum Lerchenberg gesessen habe – ab Bretzenheim sei das Fahrgastaufkommen „sehr dünn“ gewesen. Unter der Woche seien zwischen 2.00 Uhr und 4.00 Uhr nachts im Schnitt lediglich 470 Fahrgäste unterwegs gewesen, an den Wochenendnächten seien das hingegen im Durchschnitt 2.140 Fahrgäste. Man habe jetzt das Nachtangebot so ausgebaut, dass es „zu umfangreichen Veränderungen kommt, die zu einer deutlichen Verbesserung beim Großteil der Fahrgäste führen“, argumentierte die Mainzer Mobilität noch im Dezember.  „Unterm Strich haben wir das Fahrangebot um rund vier Prozent gesteigert im Vergleich zur Zeit vor dem Fahrplanwechsel, sprich wir fahren jetzt mehr als früher“, verteidigte der Sprecher der Mainzer Mobilität, Michael Theurer, den neuen Fahrplan auf der Facebookseite der Andau.

Tatsächlich aber fährt der letzte Nachtbus unter der Woche ab dem Hauptbahnhof etwa nach Bretzenheim schon um 1.00 Uhr – für Kneipenbedienste viel zu früh. Das gilt im Übrigen auch für Angestellte in den Stadtteilen: „Ich stimme diesem Protest zu, wir vom Burger King in Bretzenheim kommen nachts nach Feierabend nicht mehr nachhause“, kommentierte etwa ein Facebookleser den Andau-Beitrag. Und auch bei den Kneipenbesuchern regt sich Protest: „Eigentlich sollte die Maxime sein, eher den Verkehr ganzheitlich auszubauen und rund um die Uhr mindestens eine Verbindung anbieten zu können, die auch Anschluss an Züge in Richtung Frankfurt/Wiesbaden hat“, schrieb ein Facebook-Leser: „Wir leben Zeiten, in denen immer groß von Verkehrswende und weniger Autos schwadroniert wird, aber dann wird in sowieso fahrplanmäßig dünnen Zeiten auch noch der letzte Rest an Fahrten gestrichen.“

Die Straßenbahnlinie 52 zum Hechtsheimer Schinnergraben fährt schon ab Mitternacht nicht mehr. - Foto: gik
Die Straßenbahnlinie 52 zum Hechtsheimer Schinnergraben fährt schon ab Mitternacht nicht mehr. – Foto: gik

Die Mainzer Mobilität reagierte zumindest schon mal etwas auf Kritik am neuen Fahrplan: Seit diesem Montag werden zusätzliche Straßenbahnfahrten in den frühen Morgenstunden angeboten, mit denen man die S-Bahn um 4.02 Uhr am Mainzer Hauptbahnhof erreichen können soll. Auch von der Frankenhöhe aus wurde die Linie 62 in Richtung Mainzer Uniklinik verstärkt – damit die Mitarbeiter zum, Schichtbeginn in der Universitätsmedizin sein können. In der Andau rufen sie nun aber zum Protest in Sachen Nachtfahrten auf: „Wir fordern eine vernünftige Verkehrsbeförderung zwischen 24.00 Uhr und 4.00 Uhr morgens“, heißt es da. Der Nachtverkehr, schrieb ein weiterer Facebook-Nutzer, sei in der Tat „einer Landeshauptstadt unwürdig.“

Info& auf Mainz&: Den Facebook-Protest der Kneipe „Zur Andau“ samt aller Kommentare findet Ihr auf dieser Facebookseite, die Nachbesserungen im Fahrplan sowie alle Infos dazu auf der Homepage der Mainzer Mobilität. Die wichtigsten Infos zum neuen Mainzer Fahrplan lest Ihr natürlich auch hier auf Mainz&.

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