An der LU droht weiter ein Großklotz als Einkaufszentrum, die Stadt gibt alle Leitlinien und vor allem die Gestaltung ihrer Stadt aus der Hand – und eine Bürgerbeteiligung findet auch nicht statt. So sieht, kurz gesagt, die Kritik der Bürgerinitiative Ludwigsstraße (BI LU) an den vergangene Woche vorgestellten Plänen der Stadt Mainz mit dem Ingelheimer Bauunternehmen Dirk Gemünden aus. Dass die BI kritisch auf die vorgestellten Pläne schauen würde, war zu erwarten – doch ihre Kritik trifft (wieder einmal) ins Herz städtischen Handelns: Die Stadt gebe alle Gestaltungsmöglichkeiten für diesen zentralen Bereich der Stadt aus der Hand, lasse alle einmal aufgestellten Ziele fallen – und eine Bürgerbeteiligung finde überhaupt nicht mehr statt. Die BI LU fordert stattdessen Verzicht auf unangemessene Eile und einen städtebaulichen Wettbewerb für das gesamte Gebiet.
Die Eile ist indes schon auf dem Weg: Am morgigen Donnerstag sollen bereits die Ausschüsse der Stadt Mainz in gemeinsamer Sitzung der Absichtserklärung zwischen der Stadt Mainz und der Firma Gemünden zustimmen, am 27.9. der Stadtrat. Erst am 5. September hatte die Stadt die Einigung vorgestellt und als großen Durchbruch für die Entwicklung der Ludwigsstraße gefeiert. Danach soll nun an der LU ein Einkaufszentrum von 17.000 Quadratmetern Fläche entstehen, und zwar weitgehend im Bestand des jetzigen Karstadt-Hauses und des Gebäudes der Deutschen Bank. Davor allerdings wird neu gebaut: Die Pavillons sollen verschwinden und einem 12,50 Meter hohen Neubau weichen, der bis zur LU vorgezogen wird.
In der Absichtserklärung heißt es auch, die Stadt „bringt ihre Flächen zwischen den Pavillons in die gemeinsame Entwicklung ein“ – damit wird faktisch die Vergabe der Grundstücke zwischen den Pavillons versprochen. Die Stadt will zudem ein Bebauungsplanverfahren zwischen Weißliliengasse und Gutenbergplatz starten, für die Fassaden entlang der LU soll es städtebauliche Wettbewerbe geben. Auch Wohnungen sollten in dem Komplex entstehen, hieß es vergangene Woche.
BI: Viel zu wenig Wohnraum – 2.100 qm Wohnungen nur am Gutenbergplatz 2 und in der Fuststraße vorgesehen
„Es werden viel zu wenig Wohnungen entstehen“, kritisiert hingegen die Bürgerinitiative Ludwigsstraße – in der Absichtserklärung sei gerade einmal von 30 Wohnungen die Rede. Das seien angesichts von Größe und Umfang der Bebauung viel zu wenige und zudem deutlich weniger als in vergleichbaren Mainzer Einkaufslagen wie dem Brand, der Stadthausstraße oder der Römerpassage. Zudem müssten für die Neubauten am Bischofsplatz zwölf bereits bestehende, günstige Wohnungen abgerissen werden – und außerdem überlasse man es weitgehend dem Bistum Mainz, neuen Wohnraum zu schaffen. Das Bistum habe aber die Absichtserklärungen noch gar nicht abgesegnet, kritisiert die BI.
Tatsächlich sieht die offizielle Flächenermittlung der Faerber Architekten für die Pläne der neuen Eigentümer 17.000 Quadratmeter für Handel und Einkaufen vor, dazu 5.300 Quadratmeter für Büros und Praxen, 850 Quadratmeter für Gastronomie, Bäckereien und Ähnliches – aber nur 2.150 Quadratmeter fürs Wohnen. Damit stehen einer Gesamtfläche von 25.300 Quadratmetern für Büros, Handel und Gastronomie nur rund 2.100 Quadratmeter fürs Wohnen gegenüber. Wohnungen sollen zudem nur in zwei Gebäuden entstehen: Am Gutenbergplatz 4, dem alten Karstadt Sport, sowie in der Fuststraße – den Gebäuden des Mainzer Bistums. Wohnflächen in den übrigen Gebäudeteilen entlang der LU sind nicht vorgesehen.
Die Pläne des Architekturbüros sind aber offizieller Bestandteil der Absichtserklärung, die die städtischen Gremien ab morgen verabschieden sollen, darin heißt es nämlich: „Die weitere Planung soll auf dem vom Investor vorgelegten Rahmenplan (Faerber Architekten, 17.08.2017) sowie der o. a. Beschlusslage des Stadtrats aufbauen.“ Stimmen die Ausschüsse also am Donnerstag zu, wird die Stadt sagen: Damit seien die Pläne für das Areal verabschiedet – und zwar genau so.
BI: „Stadt legt Planungen komplett dem Investor in die Hände“
Die BI LU rügt denn auch: „Wie in den Verhandlungen mit ECE legt die Stadt auch jetzt die Planung dem Investor in die Hände.“ Ein städtebaulicher Wettbewerb für eine Neugestaltung vom Gutenbergplatz bis zum Schillerplatz sei nicht vorgesehen – obwohl er einmal in den Leitlinien gefordert wurde. Die Planung richte sich vielmehr „ausschließlich nach den Vorstellungen des Investors für einen Teilbereich“, auf einen Interessensausgleich zwischen öffentlichen und privaten Interessen werde „zugunsten des Investors verzichtet“. Die vorgesehenen Wettbewerbe „sollen sich auf die Fassadenkosmetik der Gebäudeseite entlang der Ludwigsstraße und auf einen möglichen Neubau des Wohnhauses am Bischofsplatz beschränken“, kritisiert die BI weiter. Damit werde „eine Chance der aufwertenden Stadterneuerung für die nächsten 40 oder 50 Jahre vertan.“
Und dabei, sagt die BI, hätte die Stadt gerade mit dem Investor Gemünden „aufgrund der langen Zusammenarbeit – anders als bei ECE – bessere Voraussetzungen, ihre Ziele aus den Leitlinien zumindest in den zentralen Punkten durchzusetzen.“ Doch unter dem Hinweis auf „Zwänge“, die sich aus dem Bebauungsvorschlag von Gemünden ergäben, „will man jedoch praktisch alle alten Ziele fallen lassen“, heißt es weiter. Alternativen würden nicht ins Auge gefasst.
Monolithischer Klotz ohne Durchgänge? – Plätze fallen weg
Damit, so befürchtet die BI, werde an der LU genauso ein monolithischer Klotz entstehen wie einst von ECE geplant, das sei „alter Wein in neuen Schläuchen.“ Damals wie heute werde es kein kleinteiliges Quartier geben, auch der Durchgang an der „Hinteren Präsenzgasse“ sei offenbar komplett aufgegeben, eine neue Gasse zwischen Weißliliengasse und Bischofsplatz nicht vorgesehen. Die Hintere Präsenzgasse, betont die BI, sei aber vom Stadtrat als Ausgleich für den Verkauf der öffentlichen Flächen an der LU gefordert worden. „Dennoch beabsichtigt die Stadt den Verkauf der Plätze und verzichtet damit auf eine wichtige Möglichkeit, auf die Planung Einfluss zu nehmen“, kritisiert die Initiative, „in der dicht bebauten Innenstadt ginge weiterer öffentlicher Raum verloren.“ In der Beschlussvorlage für die Gremien heißt es dazu: „Die Stadt bringt ihre Flächen zwischen den Pavillons in die gemeinsame Entwicklung ein.“
Aus Bürgerbeteiligung wird Informationspflicht der Verwaltung im Nachhinein
Besonders scharfe Kritik übt die BI LU zudem an der großen Eile und der Geheimhaltungspolitik der Stadt: Die gemeinsame Absichtserklärung nehme „ohne Öffentlichkeit und ohne angemessene unabhängige Fachdiskussion weitreichende Festlegungen“ für das Areal vor, Stadtrat und Öffentlichkeit sollten damit offenbar „ohne viel Diskussion“ auf die Pläne eingestimmt werden. Die gelungene Bürgerbeteiligung der Ludwigsstraßen-Foren werde zwar noch erwähnt, ihre Ergebnisse werden jedoch von wenigen Punkten abgesehen nicht mehr berücksichtigt.
„Die Bürgerbeteiligung wird nun eingedampft auf das gesetzliche Minimum: Die Information der Bürgerschaft im Nachhinein über Beschlüsse und ihre Umsetzung durch Stadt und Investor“, kritisiert die BI. Aus einer Beteiligung werde so „eine Informationspflicht der Verwaltung plus unverbindliches Anhörungsrecht, nicht mehr.“ Die BI fordert hingegen eine deutlich höhere Transparenz der Planungen und eine öffentliche Beteiligung rechtzeitig vor Entscheidungen oder Absichtserklärungen von Verwaltung und Politik – und verweist dabei im Übrigen auf Beschlüsse des Stadtrats. Auch Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) hatte wiederholt eine Bürgerbeteiligung versprochen. Nun entscheiden an diesem Donnerstag die Gremien – eine Beteiligung der Bürger fand dazu nicht statt. In der Absichtserklärung heißt es lediglich: „Die Öffentlichkeit wird in geeigneter Form einbezogen.“
BI fordert gründliche Planung und Verzicht auf eilige Vorfestlegungen
Und warum, so fragt die BI, müsse jetzt eigentlich „nach sieben Jahren alles ganz schnell gehen?“ Warum könne sich die Stadt nicht Zeit lassen für eingehende Planungen dieses wichtigen Mainzer Boulevards? „Eine nachhaltige und hochwertige Lösung für die LU darf ruhig noch ein zusätzliches Jahr Planungsdauer beanspruchen – es würde sich in jeder Hinsicht auszahlen“, findet die Bürgerinitiative. Die derzeitige Eile sei unangemessen, Entscheidungen für mindestens 40 Jahre zukünftiger Stadtgeschichte müssten gründlich geprüft werden.
Tatsächlich heißt es selbst in der Beschlussvorlage, der neue Eigentümer beabsichtige „vor dem Hintergrund laufender Mietverträge, in kleinen Schritten im Laufe der Zeit eine Verbesserung vor Ort umzusetzen.“ In kleinen Schritten, im Laufe der Zeit – eine Festlegung schon jetzt auf genaue Ausgestaltungen erscheint da zumindest derzeit nicht besonders dringend. Und auch die neuen Investoren der Firma Gemünden mochten bei der Vorstellung ihrer Pläne keinerlei Zeitangaben machen – gerade vor dem Hintergrund, dass Karstadt etwa bis 2024 einen Mietvertrag besitzt, ebenso die Deutsche Bank. Eine Einigung mit beiden Mietern über eine Neuordnung ist bislang nicht erfolgt.
BI: Karstadt-Parkhaus verkleinern, Bischofsplatz aufwerten, Wohnraum schaffen
Zumal es durchaus noch bedenkenswerte Alternativen gebe – etwa zum Karstadt-Parkhaus, sagt die BI. Das Parkhaus soll laut jetziger Absichtserklärung erhalten bleiben und höchstens saniert werden, die BI kritisiert, hier werde eine Chance vertan, einen städtebaulichen Schandfleck am Bischofsplatz zu beseitigen und den kleinen Platz hinter der LU aufzuwerten. Das Parkhaus sei nämlich derzeit alles andere als ausgelastet, ebenso wenig die umliegenden Parkhäuser.
„Ein mögliches Szenario ist der Abriss des Parkhauses bis auf die Tiefgeschosse, die fast die Hälfte der Stellflächen umfassen“, schlägt die BI vor – das entspreche in etwa der Kapazität der derzeitige Spitzenauslastung an Samstagen. Sollte weiterer Parkraum erforderlich sein, könne man das großflächige Kellergeschoss des jetzigen Karstadt zu Parkraum umbauen, da der Keller von den Kunden „nie gut angenommen“ worden sei und zudem Untergeschosse generell als wenig geeignet für den Einzelhandel gelten würden.
Stattdessen könne auf dem Parkhaus ein Wohn- und Geschäftshaus entstehen und gleich noch mit größerem Abstand zu Karstadt Platz für eine schöne neue Gasse geschaffen werden, die von beiden Seiten mit attraktiven Einzelhandelangeboten und Gastronomie geplant werden könnte. „Ein weiterer Vorteil: Die Einfassung des Bischofsplatzes würde endlich eine „Rehabilitierung“, eine massive Aufwertung erfahren, nachdem wir jahrzehntelang nach Abriss des Bischofspalais mit einer fensterlosen Parkhauswand leben mussten.“ Das könne ein Schritt in die letzte Phase der Altstadtsanierung sein, die in den 1970er Jahren so erfolgreich begonnen wurde, findet die BI.
Und auch eine Idee zur Finanzierung hat die BI LU: Die Mainzer Aufbaugesellschaft könne das Parkhaus kaufen und das Projekt realisieren – und es nach Abschluss wieder verkaufen. Mit diesem Vorgehen sei auch die MAG bei der Römerpassage und die Wohnbau am Bahnhof Römisches Theater erfolgreich gewesen. „Die Stadt muss möglicherweise keine oder vertretbare Eigenmittel aufwenden“, heißt es abschließend, „und hat damit einen sehr guten Beitrag zur Stadtentwicklung geleistet.“
Info& auf Mainz&: Den gesamten, ausführlichen Mainz&-Bericht zur Vorstellung der Pläne an der LU mit Bauunternehmer Gemünden findet Ihr hier. Sämtliche Unterlagen, die Absichtserklärung, die Beschlussvorlage für die Gremien sowie die Flächenplanungen findet Ihr hier bei der Stadt Mainz. Macht Euch selbst ein Bild! Unseren Artikel über die Veränderung der städtischen Leitlinien zur Bebauung der LU durch den Stadtrat lest Ihr genau hier: Stadtrat kippt Leitlinien, Kriterien grundlegend verändert.