Vor zwei Jahren wurden die Architektenpläne für den „Boulevard LU“ vorgestellt, nun nimmt die Neugestaltung der Mainzer Ludwigsstraße erste Formen an: Noch in diesem Jahr wird der erste Teilbereich an der Fuststraße und dem Bischofsplatz abgerissen werden und in den Neubau gehen – am Freitag übergab die Stadt Mainz den Bauherren der Firma Molitor die Baugenehmigung. Spannend wird aber auch die Zeit bis zum Neubau: Ab dem Sommer bekommen die Archäologen Zeit, die Baugrube nach historischen Funden zu erforschen – und die liegt immerhin direkt neben dem Alten Dom zu Mainz. Bauherr Tim Gemünden verriet gegenüber Mainz&: „Wir finden hier drunter Römer.“

Übergabe Baubescheid durch Marianne Großße (2.v.l.) und OB Michael Ebling (2.v. rechts, beide SPD) an die Molitor-Chefs Tina Badrot (ganz links) und Tim Gemünden (ganz rechts). - Foto: gik
Übergabe Baubescheid durch Marianne Großße (2.v.l.) und OB Michael Ebling (2.v. rechts, beide SPD) an die Molitor-Chefs Tina Badrot (ganz links) und Tim Gemünden (ganz rechts). – Foto: gik

Nach gut 17 Jahren Planen, Pleiten und Neuplanungen wurde damit nun am Freitag der Startschuss für die grundlegende Neugestaltung des Einkaufszentrums an der Ludwigsstraße gegeben. Im Sommer 2015 hatte der Großinvestor ECE seine Pläne für eine große Shopping-Mall an der Mainzer Ludwigsstraße endgültig aufgegeben – nach jahrelangem Tauziehen, vergeblichem Bieten um Grundstücke und massiven Auseinandersetzungen mit städtischen Akteuren sowie der kritischen BI Ludwigsstraße.

Das Aus für die Shopping-Mall war auch eine Pleite für die Stadtspitze und Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD), der jahrelang mit ECE verhandelt, und dabei aus der Sicht von Kritikern erheblich zu große Zugeständnisse machte. Vor allem die geplante Größe von rund 26.000 Quadratmetern Verkaufsfläche sowie das Konzept einer Abschottung des Baus nach außen, waren auf scharfe Kritik gestoßen – Gutachten belegten gar: Die Mall hätte Kaufkraft in erheblichem Ausmaße von den umliegenden Einkaufsstraßen abgezogen, und so womöglich statt zur Belebung der Innenstadt, zu ihrem Sterben beigetragen.

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Blick vom Mainzer Staatstheater auf das alte Karstadt-Areal, vorne der "China-Pavillon". - Foto: gik
Blick vom Mainzer Staatstheater auf das alte Karstadt-Areal, vorne der „China-Pavillon“. – Foto: gik

Ende 2015 begann der Ingelheimer Investor Dirk Gemünden in großem Stil die Grundstücke rund um die Ludwigsstraße aufzukaufen, der Kauf der Deutschen Bank war ein Meilenstein dafür. Im März 2019 stellte Gemünden mit seiner Firma Molitor dann das neue Konzept vor: An der Ludwigsstraße im Herzen von Mainz soll ein „Boulevard LU“ entstehen, ein Gebäudekomplex, der sich zur Stadt hin öffnet, und der Einkaufen, Wohnen, Kultur und Gastronomie verbinden soll. 15.000 Quadratmeter Verkaufsfläche will die Boulevard LU GmbH schaffen, dazu ein Forum mit Freitreppe, ein Dachrestaurant mit Club, ein Hotel auf dem angrenzenden alten Parkhaus sowie eine Logistik-Station für Einkäufe.

Nach zwei Jahren Planungszeit wurde nun der Startschuss für das Bauvorhaben gegeben: Oberbürgermeister Michael Ebling und Baudezernentin Marianne Grosse (beide SPD) übergaben am Freitag den Baubescheid an die Gemünden-Tochter Molitor sowie deren Partner, die Sparkasse Rhein-Nahe. „Wir haben jetzt einen Startpunkt für eine nachhaltige Baumaßnahme, die genau zum richtigen Zeitpunkt kommt“, sagte Ebling. Die zwei Jahre der Corona-Pandemie hätten „Prozesse beschleunigt. die für eine lebendige Innenstadt nicht förderlich sein können“, räumte der OB ein.

Die bisherigen Häuser zwischen Fuststraße, Bischofsplatz und Johanniskirche. - Foto: gik
Die bisherigen Häuser zwischen Fuststraße, Bischofsplatz und Johanniskirche. – Foto: gik

Handel und Gastronomie haben stark unter den Pandemie-Beschränkungen gelitten, und noch immer bleiben die Kunden aus. Das Bauvorhaben sei „ein deutlichen Signal, dass es ein Zutrauen gibt, dass die Innenstadt Mainz weiter der Ort sein wird, in dem sich Menschen treffen wollen, auch etwas kaufen wollen und Handel und Gastronomie Umsatz machen“, betonte der OB. Ganz reibungslos war im Genehmigungsverfahren aber offenbar nicht alles gelaufen: Man sei sich „nicht in allem einig“ gewesen, und habe sich „hinter verschlossenen Türen“ durchaus „gefetzt“, räumte Grosse ein: „Der Nutzungsmix an Geschäften, Kultur und Wohnen, das hört sich viel leichter an, als es sich im Genehmigungsverfahren angefühlt hat.“

 

Auch Molitor-Geschäftsführerin Tina Badrot sagte, die vergangenen zwei Jahre bis zur Baugenehmigung seien „ein kurioser Weg über verschiedene Stolpersteine und Hürden“ gewesen. Nun aber sei die Freude groß: „Vor zwei Jahren standen mein Bruder und ich eine Etage höher und haben ein Konzept vorgestellt, das jetzt umsetzen zu dürfen, ist toll“, bekannte Badrot. „Die Mainzer LU soll wieder zu einem pulsierenden Ort werden“, versprach ihr Bruder und Ko-Geschäftsführer Tim Gemünden.

So sehen die Pläne für die Neugestaltung des Bischofsplatzes aus, Rechts das weiße Gebäude wird nun als erstes realisiert. - Grafik: Faerber, Jestaedt, Bierbaum-Aichele
So sehen die Pläne für die Neugestaltung des Bischofsplatzes aus, Rechts das weiße Gebäude wird nun als erstes realisiert. – Grafik: Faerber, Jestaedt, Bierbaum-Aichele

Los geht es nun als erstes mit dem Baubereich an der Fuststraße: Der ehemalige Karstadt-Sport sowie die dahinter liegenden Gebäude am Bischofsplatz werden als erstes fallen. Dieser Wohnkomplex gehört dem Bistum Mainz, das nun gemeinsam mit Molitor ein neues Ensemble aus Wohnen und Einkaufen realisieren wird.

Entstehen soll ein heller neuer Gebäudekomplex mit Satteldach, dessen Außengestaltung einen Übergang vom hochmodernen Einkaufszentrum zur historischen Mainzer Altstadt schaffen soll – so die Pläne der Architekten. Stehen bleibt am Gutenbergplatz nur der alte „China-Pavillon“, in dem sich unter anderem ein beliebtes Eiscafé und der „Stadtbalkon“ befinden. Die Besitzer hatten sich jahrelang geweigert, ihr Gebäude an ECE zu verkaufen –  ein wesentlicher Baustein, an dem die Realisierung der ECE-Großmall letztlich mit scheiterte.

 

Im Frühsommer sollen nun die alten Bauten zwischen Gutenbergplatz, Fuststraße und Bischofsplatz fallen, die Vorarbeiten liefen bereits, sagte Gemünden am Freitag – etwa die Trennung des Areals vom Stromnetz: „Wir wollen ja nicht, dass die ganze Innenstadt ohne Strom dasteht“, scherzte er. Danach folge die Entkernung der Gebäude, in dieser Phase werde für die Mainzer von außen noch nicht viel zu erkennen sein. „Das, was für die Bevölkerung sichtbar ist, was richtig Aktion gibt, das werden wir leider erst im Sommer sehen“, verriet Gemünden im Gespräch mit Mainz& – dann sollen die Bagger rollen, und die Mauern fallen.

Die heutige Johanniskirche ist der "Aolte Dom zu Mainz", links angrenzend entsteht der neue Wohnkomplex am Bischofsplatz. - Foto: gik
Die heutige Johanniskirche ist der „Aolte Dom zu Mainz“, links angrenzend entsteht der neue Wohnkomplex am Bischofsplatz. – Foto: gik

„Dann öffnet sich das Zeitfenster für die Archäologie“, sagte Gemünden, ein halbes Jahr Zeit habe man mit der Landesarchäologin Marion Witteyer zunächst einmal ausgemacht. Die Baugrube dürfte eine der spannendsten der vergangenen Jahre in Mainz werden: „Wir vermuten hier, neben der Johanniskirche, eine ganze Menge Mainzer Schätze“, sagte Gemünden. Das Areal grenzt unmittelbar an die Johanniskirche an – den „Alten Dom zu Mainz“, der einer der ältesten christlichen Kirche Deutschlands ist. Neben dem „Alten Dom“ erstreckte sich ein Friedhof, viele Gräber wurden schon bei den Ausgrabungen rund um die Johanniskirche gefunden – Experten vermuten gar: Neben dem Alten Dom könnte eine zweite Kirche gestanden haben, damit könnte hier eines der seltenen Doppelkirchen-Ensembles zutage treten.

„Ein toller neuer Baustein des römischen Mainz“

Der ehemalige Karstadt-Sport, kurzzeitige "Filiale" des Mainzer Staatstheaters, fällt als erste den Baggern zum Opfer. - Foto: gik
Der ehemalige Karstadt-Sport, kurzzeitige „Filiale“ des Mainzer Staatstheaters, fällt als erste den Baggern zum Opfer. – Foto: gik

„Die Archäologie arbeitet schon, das Quellenstudium läuft“, verriet Gemünden, es gebe „hohe Erwartungen.“ Das gelte übrigens nicht für das alte Karstadt-Kaufhaus selbst: „Wir haben dort schon Gründungen gemacht, mit dem Bagger Löcher in den Boden gebohrt“, berichtetet der Bauunternehmer: „Wir wissen, dass wir dort keine großen Fundes haben werden.“ Das Kaufhaus sei damals, in den 1960er Jahren so tief gegründet worden, „dass wir unter dem Römerhorizont sind“, sagte Gemünden.

Ganz im Gegensatz dazu steht der Bau an der Fuststraße: Historische Reste aus dem Mittelalter sind hier praktisch garantiert, doch die Funde könnten noch weit bedeutender werden: „Es wird mit Sicherheit ein toller neuer Baustein des römischen Mainz werden“, verriet Gemünden: „Wir finden hier unten drunter Römer – Frau Witteyer ist sich da absolut sicher, und da bin ich nicht derjenige, zu widersprechen.“

Geht es nach den Bauherren, soll aber noch in diesem Jahr der Startschuss für den Neuaufbau gegeben werden, zwei Jahre rechnet Molitor, bis das neue Ensemble steht. Der Zeitplan hängt allerdings von den Archäologen und ihren Funden ab – kommen hier ähnliche Sensationen wie in der benachbarten Johanniskirche zutage, dürfen die Forscher wohl in die Verlängerung gehen. Ebling betonte noch, er werde das „mit größtmöglicher Gelassenheit verfolgen“, denn: „Ab jetzt müssen Sie erklären, wenn es nicht schnell genug vorangeht – wir sind jetzt nicht mehr Schuld.“

Info& auf Mainz&: Eine ausführliche Darstellung der Pläne zum neuen „Boulevard LU“ findet Ihr hier bei Mainz&, und in diesem Text haben wir die Ergebnisse des Architektenwettbewerbs vorgestellt. Mehr zum „Alten Dom zu Mainz“ könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen.