Im Kampf gegen den Klimawandel plant Bundesversminister Volker Wissing (FDP) offenbar eine Abwrackprämie für Verbrenner und eine massive Förderung für E-Autos: Der frühere Mainzer Verkehrsminister plane, die Kaufprämie für rein batterieelektrische Fahrzeuge oder Brennstoffzellenautos bis 2027 zu verlängern und deutlich zu erhöhen, berichtet das Handelsblatt. Scharfe Kritik kommt umgehend aus Hessen: Statt Subventionsmilliarden für die Autoindustrie brauche es einen Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs, schimpfte der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne): Sonst könnten Fahrpreise massiv steigen. Davor warnt auch die Mainzer Klimaschutzministerin Katrin Eder (Grüne).

Elektroautos sind derzeit begehrt, hier ein Renault Zoe. - Foto: gik
Elektroautos sind derzeit begehrt, hier ein Renault Zoe. – Foto: gik

Elektroautos sind beliebt wie nie, fast die Hälfte aller Neuzulassungen von PKWs in den ersten zwei Monaten dieses Jahres waren Autos mit alternativen Antrieben. Gerade auch die derzeitige Benzinpreis4entwicklung lässt die Nachfrage nach den Elektrik-Schlitten explodieren- und dabei können die Hersteller die Nachfrage jetzt schon kaum noch bedienen: Die Lieferfristen für die E-Autos betragen Monate.

Dennoch plant Bundesversminister Volker Wissing (FDP) nun offenbar eine neue Anreizprämie für den kauf von E-Autos, und zwar mit saftigen Zuschüssen: Wissing wolle die Kaufprämie für rein batterieelektrische Fahrzeuge oder Brennstoffzellenautos bis 2027 verlängern und sie deutlich erhöhen, berichtete am Montag das Handelsblatt unter Berufung auf ein Regierungsgutachten. Wer ein Auto mit einem Kaufpreis von maximal 40.000 Euro kaufe, solle künftig statt 6000 Euro fast doppelt so viel an Zuschussprämie erhalten, nämlich 10.800 Euro – mehr als ein Viertel des Kaufpreises.

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Auch die Hersteller sollen ihren Zuschuss von 3000 Euro ebenfalls weiter bis 2027 gewähren. Bei teureren Fahrzeugen bis 60.000 Euro plane der Minister mit einer Prämie von 8.400 Euro statt der heute zugesagten 5.000 Euro, berichtet das Handelsblatt weiter. Ab dem zweiten Halbjahr 2023 müssten Käufer zudem ein mindestens elf Jahre altes Verbrenner-Auto verschrotten, um noch die volle Förderung zu erhalten: Der Wert der Abwrackprämie könnte entsprechend bei etwa 1.500 Euro liegen.

Bundesminister Volker Wissing (FDP) als Verkehrsminister in Mainz. - Foto: gik
Bundesminister Volker Wissing (FDP) als Verkehrsminister in Mainz. – Foto: gik

Auch den Kauf von Plug-in-Hybriden wolle Wissing weiter fördern – im Gegensatz zu Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Der Vorstoß dürfte für Ärger in der Koalition sorgen“, schätzt die Zeitung: Laut Koalitionsvertrag sollten „eigentlich alle Kaufzuschüsse 2025 auslaufen“, die Subventionen bis dahin kontinuierlich sinken.

Scharfe Kritik kommt denn auch postwendend aus der Partei der Grünen – und zwar vom Hessischen Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne): „Was es jetzt sicherlich nicht braucht, sind weitere Milliarden aus dem Bundeshaushalt als Subventionen an die Autoindustrie“, schimpfte der grüne Minister am Montag in Wiesbaden postwendend. Elektroautos seien inzwischen so gefragt, dass die Nachfrage höher sei als das Angebot, es gebe sehr lange Lieferzeiten. „So richtig und erfolgreich es war, den Markt am Anfang anzureizen, so falsch wäre es jetzt, angesichts eines mangelnden Angebots die Nachfrage noch höher zu subventionieren“, betonte Al-Wazir.

 

Stattdessen fehlten Milliarden für Betrieb und Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, sagte Al-Wazir, und kritisierte: Der Bundesverkehrsminister habe sich aber erst vergangene Woche auf der Verkehrsministerkonferenz „weiterhin gegen eine schnelle Erhöhung der Regionalisierungsmittel für Bus und Bahn ausgesprochen.“ Dabei habe sich die Ampel-Koalition in Berlin vorgenommen, die Fahrgastzahlen im Fernverkehr bis 2030 zu verdoppeln und im Nahverkehr deutlich zu steigern. „Das geht nur mit einem massiven Ausbau von Schienenstrecken, mit mehr Bussen und Bahnen, mit guten Verbindungen und hoher Taktung“, warnte Al-Wazir.

Der Hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) bei einem Besuch im Opel-Werk in Rüsselsheim.- - Foto: gik
Der Hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) bei einem Besuch im Opel-Werk in Rüsselsheim.- – Foto: gik

Sollte es dafür keine zusätzliche Mittel vom Bund für den Ausbau des Schienennetzes und den öffentlichen Nahverkehr geben, „droht eine Verzögerung bei den Investitionen und eine Einschränkung des Angebots“, warnte Al-Wazir. Die Fahrpreise müssten dann sogar massiv steigen – und das direkt nach den drei Monaten, in denen der Bund mit dem 9-Euro-Ticket mehr Menschen für Bus und Bahn gewinnen wolle. „Das wäre fatal für die Verkehrswende, und würde letztlich sicher nicht mehr Menschen in Busse und Bahnen bringen“, schimpfte Al-Wazir. Statt den Kauf von Elektroautos zu fördern, „die ohnehin wie geschnitten Brot weggehen“, sollte Wissing endlich Antworten für eine Verkehrswende liefern.

 

Wissings Handeln passt allerdings in das Muster seiner Aktivitäten in Mainz. Auch als rheinland-pfälzischer Verkehrsminister brachte Wissing in fünf Jahren Amtszeit den ÖPNV-Ausbau so gut wie nicht voran. 2011 hatte Rheinland-Pfalz die Förderung von Bus-Neubeschaffungen mit alternativen Antrieben beendet – bis heute ist Rheinland-Pfalz das einzige Bundesland, das keine dauerhafte Förderprämie für Busse im ÖPNV besitzt. Das Nahverkehrsgesetz, das Wissing ganz zum Ende seiner Amtszeit doch noch vorlegte, sei das Papier nicht Wert, auf dem es stehe, schimpfte die Opposition: Das Papier definiere keinerlei Ausbau des Nahverkehrs in Rheinland-Pfalz – und lasse erst recht die Finanzierung dafür offen.

Katrin Eder, damals grüne Verkehrsdezernentin in Mainz, an einer Ladestation für E-Autos. - Foto: gik
Katrin Eder, damals grüne Verkehrsdezernentin in Mainz, an einer Ladestation für E-Autos. – Foto: gik

Wissings Nachfolgerin für den Bereich heißt ausgerechnet Katrin Eder (Grüne): Die Grüne hatte als Mainzer Verkehrsdezernentin Wissing für den fehlenden ÖPNV-Ausbau stets scharf kritisiert. Nun ist Eder als Klimaschutzministerin selbst für den ÖPNV-Ausbau zuständig, und schimpfte vergangene Woche: Wenn der Bund seine Mittel für den ÖPNV nicht erhöhe, werde es nach den drei Monaten des 9-Euro-Tickets zu Fahrpreiserhöhungen oder auch zu Reduzierungen des Angebots kommen. „Das ist weit entfernt von dem, was wir für den Klimaschutz brauchen“, betonte Eder: „Wenn der Bund seine Klimaschutzziele ernst meint und bis zum Jahr 2030 die Verkehrsleistung des ÖPNV verdoppeln will, ist jetzt dringend ein ÖPNV-Ausbau notwendig.“

Aktuell sei jedoch keine Erhöhung der Regionalisierungsmittel vorgesehen, kritisierte Eder, und warnte: Die Politik drohe Glaubwürdigkeit zu verspielen. Um jedoch langfristig mehr Menschen zum Umstieg zu bewegen, muss das strukturelle Finanzierungsdefizit des Nahverkehrs behoben werden, um das Angebot zu günstigen Tarifen ausbauen zu können. Die Verkehrsminister der Bundesländer hatten auf der Konferenz vom Bund eine strukturelle Erhöhung der Regionalisierungsmittel um 1,5 Milliarden Euro gefordert.

 

Um mehr Geld für den ÖPNV wird zwischen Bund und Ländern hart gerungen. - Foto: gik
Um mehr Geld für den ÖPNV wird zwischen Bund und Ländern hart gerungen. – Foto: gik

Das 9-Euro-Ticket gilt ab dem 1. Juni und soll die Bürger drei Monate lang wegen der massiv gestiegenen Energiekosten entlasten. Bei vielen Verkehrsunternehmen fürchten sie nun, von den Bürgern überrannt zu werden: Die nicht besonders gut ausgebaute ÖPNV-Struktur könne dem Ansturm nicht gewachsen sein. Dazu droht nach den drei Monaten ein wahrer Preisschock: Ausgerechnet zu den Herbst- und Wintermonaten, wenn wetterbedingt wieder mehr Menschen auf Bus und Bahn umsteigen könnten, drohen dann die alten hohen Preis plus zusätzlicher Fahrpreisanhebungen die Pendler von der Nutzung des ÖPNV abzuschrecken.

Wissing aber stehe in Berlin unter Druck, berichtet das Handelsblatt: Der Verkehrssektor habe 2021 seine Klimaziele trotz Pandemie um drei Millionen Tonnen C02 verfehlt, berichtet das Blatt, allein in diesem Jahr müsse der Verkehrsminister sechs Millionen weitere Tonnen einsparen. Der Verkehr aber wachse Jahr für Jahr weiter – mit der E-Auto-Prämie wolle Wissing nun seine magere Bilanz retten.

Info& auf Mainz&: Den ganzen Artikel des Handelsblattes lest Ihr hier auf Mainz&. Mehr zum 9-Euro-Ticket, wo Ihr es bekommt, und wo es gilt, lest Ihr hier bei Mainz&:

Das 9-Euro-Ticket kommt: Mainzer Mobilität sieht keine Probleme mit Kapazität – Verkauf in Mainz ab dem 23. Mai