Dass die Römer Wein anbauten, Spiele veranstalteten und den Göttern huldigten, das ist alles gut belegt, doch feierten die alten Römer auch schon Fastnacht? Ja, sagte nun die Initiative Römisches Mainz (IRM) – und veranstaltete die ersten „Saturnalien“ des 21. Jahrhunderts in antiker Tradition. Der Ort war passend gewählt: zu Füßen der Mainzer Zitadelle und mit Blick auf das antike römische Bühnentheater, bot die „Kulturei“ den passenden historischen Rahmen. Liegen mussten die Gäste nicht, jedoch geimpft oder genesen sein – und bekamen einen Reigen höchst unterhaltsamer Fastnachts-Götter, närrischer Gelehrter und der Evolution der Fastnacht geboten.

Würfelspiel im antiken Pompeii. - Foto: IRM/Vahl
Würfelspiel im antiken Pompeii. – Foto: IRM/Vahl

Die Forscher sind sich weitgehend sicher: Schon die Römer feierten Fastnacht, sie taten es nur im Dezember, also zum Beginn des Winters und zum Ende der Erntezeit. Am 17. Dezember begannen alljährlich die Saturnalien, das Fest war dem Gott Saturn gewidmet, der nach mythologischer Überlieferung vor seinem Sohn Jupiter nach Latium floh, und dort sich mit dem Geschenk des Acker- und Weinbaus revanchierte. Ihm zu Ehren errichteten die Stadtväter Roms 497 vor Christus einen Tempel auf dem späteren Forum Romanum,  er wurde der Ausgangspunkt für ein Fest zu Ehren des Göttervaters – und das wandelte sich von einer Art Erntedankfest zu einer ausschweifenden Party von mehreren Tagen.

Die Feiernden schlüpften dabei in fremde Kostüme und fremde Rollen, es gab prunkvolle Prozessionen, die von einem „König“ angeführt wurden, und die aus Wagen und geschmückten Schiffen auf Rädern bestanden – die Historiker sehen hier den Ursprung der Fastnacht. Zu den Parallelen trägt auch bei, dass bei den Saturnalien das Unterste zuoberst gekehrt und die Welt im wahrsten Sinne auf den Kopf gestellt wurde: König wurde ein einfacher Mann aus dem Volk, die Sklaven residierten in den Palästen und wurden von den Herren bedient – der Mummenschanz stellte Welt und Ordnung für einen Tag auf den Kopf.

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Zu den ersten römischen Saturnalien der Neuzeit grüßten Neptun und die Katze - aka Christian Vahl und Katharina Dohle. - Foto: gik
Zu den ersten römischen Saturnalien der Neuzeit grüßten Neptun und die Katze – aka Christian Vahl und Katharina Dohle. – Foto: gik

Mit ziemlicher Sicherheit dürften diese Saturnalien auch im antiken römischen Mogontiacum gefeiert worden sein, nun ließ die Initiative Römische Mainz (IRM) das altehrwürdige Fest wieder aufleben: am 11.11. in den historischen Kellerräumen der „Kulturei“, zu Füßen der Mainzer Zitadelle und mit Blick auf das antike Römische Bühnentheater. IRM-Vorsitzender Christian Vahl selbst grüßte da als singender Neptun, durch den Abend führte höchst gekonnt als „Katze“ die Mainzer Ärztin Katharina Dohle, und natürlich floss der Wein, wozu kleine Speisehäppchen wie Bratwurst und eine Art Spundekäs nach römischem Rezept gereicht wurden.

Die 88 Gäste mussten geimpft oder genesen sein, geboten wurde ihnen indes hochgradig Aktuelles: Klaus Kloser und Nico Meurer sezierten da als moderne Zeitungsleser Handy-Hype und Querdenker-Dumpfheit, riefen die vierfarbbunte Kokolores-Koalition aus, und fragten: „Entschuldigung, wer ist denn hier der Narr?“ Rotwein in der Blutbahn und den Narrenreim auf der Zunge – „Rhoihesse-Bub“ Bernhard Knab, sonst auf den Fastnachtsbühnen als „Deutscher Michel“ unterwegs, wartete mit einem grandiosen Rundumschlag durch Polit-Lande auf und versprach: „Wer um Mitternacht noch einen hebt, der hat die Saturnalien überlebt.“

Wunderbare Saturnalien-Einlage von Frank Golischewski und Margit Sponheimer. - Foto: gik
Wunderbare Saturnalien-Einlage von Frank Golischewski und Margit Sponheimer. – Foto: gik

Ganz so schlimm wurde es dann doch nicht, auch wenn musikalisch gewarnt wurde: „Der Riesling wird knapp“, oder Frank Golischewski zart seufzte: „Wo ist das Fräulein Kokolores, wo ist der Prinz Narhalla hin?“ Nun, die Fastnachtsgötter ließen sich nicht lange bitten, und schickten dem Erfinder des Gutenberg-Musicals „das Margittche“ – Margit Sponheimer kann ja schon mit Fug und Recht als Mainzer Fastnachts-Göttin gehandelt werden. Die Grande Dame begeisterte erst mit dem wunderbaren „Moguntia“-Song aus dem Gutenberg Musical, um dann gemeinsam mit Golischewski ein höchst deftiges „Mir ham‘ das Heile Gänsche aufgefresse“ aufs Parkett zu legen – ein Fest für alle Narren.

 

Aber es wäre ja kein Fest der Initiative Römisches Mainz, wenn nicht ausgiebig dem Historischen gehuldigt worden wäre: Da gab es ein höchst unterhaltsames, fantastisch gereimtes Geschichts-Kaleidoskop vom früheren Mainzer Kulturdezernenten Peter Krawietz, Ritterspiele der „Schlaraffen“, vorgetragen von Ulrich Drechsler, und eine höchst närrisch-durchgewürfelte Geschichte des Abendlandes von „Professor“ Norbert Roth, der ganz im Feuerzangen-Bowlen-Stil das Publikum verzückte.

Erste Mainzer Saturnalien in den Kellergewölben der "Kulturei" auf der Mainzer Zitadelle. - Foto: gik
Erste Mainzer Saturnalien in den Kellergewölben der „Kulturei“ auf der Mainzer Zitadelle. – Foto: gik

Die Evolution der Fastnacht wiederum nahm sich Fastnachts-Professorin Patricia Lowin – Master of Helau – vor, die dem staunenden Publikum erklärte, wie die Götter Humba und Täterää einst in der Zeit, als es „fast Nacht“ war, ein Fest erfanden, und für seine Heimat eine Stadt im „Winternet“ ersteigerten: „Meins!“ riefen sie, und lagen sich in den Armen, der Narr ahnt, was daraus wurde…

Doch nicht nur an den Saturnalien im alten Rom wurde der Rollentausch gelebt, auch in der Barockzeit setzte sich solche närrische Tradition fort: Am Hofe der Mainzer Kurfürsten nämlich wurden vor rund 250 Jahren zur Fastnachtszeit ganz ähnliche Feierlichkeiten abgehalten, das „Mainzer Königreich“ nannte man damals den Brauch. Auch dabei wurden per Los Rollen von Herrschaft oder Dienerschaft vertauscht, Kurfürst Johann Philipp von Schönborn musste da etwa 1664 als Schreiner agieren und 1668 als Mundschenk – Vahl erinnerte auch daran.

Doch Mucker und Philister – für Mainz-Fremde: spaßfreie Spielverderber – gab es auch schon vor 250 Jahren: 1775 wurde der Narrenspaß im „Königreich“ durch Kurfürst Friedrich Karl Joseph von Erthal verboten, der überhaupt keinen Gefallen am fastnachtlich-saturnalischen Rollentausch fand. Von den Gästen der ersten Mainzer Saturnalien der Neuzeit konnte man das wahrlich nicht behaupten – von den Veranstaltern ist überliefert, es werde über eine Wiederholung nachgedacht. „Was bleibt ist das Weinen, das Lachen, das Glück“, sagte Vahl noch: „Blickt ein Narr in die Zukunft, blickt er oftmals zurück.“

Info& auf Mainz&: Das zauberhafte Fräulein Kokolores sowie das deftige Heile Gänsje könnt Ihr Euch selbst anhören – hier auf unserem Mainz&-Youtube-Kanal. Mehr zur Geschichte der Saturnalien im antiken Rom könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen, die Initiative Römisches Mainz findet hier im Internet.

 

 

 

 

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