Wenn der Senat im antiken Rom zusammentrat, ging es durchaus hart zur Sache: Da wurde der politische Gegner mit wahren Schmähreden attackiert, zimperlich durfte Mann hier nicht sein. Der Gipfel der antiken Rhetorikkunst: Die Invektive, eine kunstvolle Schmährede, die bewusst gesetzte Beleidigungen und öffentlichen Bloßstellungen des Gegners beinhaltete. Solche Invectiones sind von Catull und Cicero überliefert – nun knüpft die Initiative Römisches Mainz (IRM) mit ihren IV. Saturnalien daran an.

Cicero klagt Catilina an: Historisierendes Fresko in der Villa Madama in Rom aus dem Jahr 1888 von Cesare Maccari. - Quelle: Wikipedia
Cicero klagt Catilina an: Historisierendes Fresko in der Villa Madama in Rom aus dem Jahr 1888 von Cesare Maccari. – Quelle: Wikipedia

2021 rief die Initiative Römisches Mainz (IRM) gemeinsam mit der ihr eng verbandelten „Unsichtbaren Römergarde“ die ersten Mainzer Saturnalien ins Leben: Einen Abend voller Narretei und spitzzüngiger Reden, angelehnt an das römische Fest zu Ehren des Gottes Saturn, das die Römer allerdings am 17. Dezember feierten – dem Winteranfang. An den Saturnalien verkleidete man sich, es wurden Geschenke gemacht – und Herren und Diener tauschten für einen Tag die Rollen zum ungezügelten „Über die Stränge“-Schlagen.

Die Saturnalien seien ein Ritual gewesen, bei dem der Sklave dem Herrn seine Meinung sagen konnte – das sei eine direkte Verbindung zur heutigen Fastnacht, sagt Christian Vahl, Vorsitzender der IRM. Und so feiern IRM und Römergarde denn auch in diesem Jahr bereits zum vierten Mal ihre eigenen Saturnalien, die aber natürlich am 11.11., dem Narrenauftakt im Herbst stattfinden. Auch in diesem Jahr sind die Gäste trotz eines Montags am 11.11. geladen, Ort des Geschehens ist erneut die „Bar zum Grünen Kakadu“ des Mainzer Staatstheaters.

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Saturnalien: Kaleidoskop der politisch-literarischen Fastnacht

„Wie immer legen wir in römischer Tradition besonderen Wert auf ein Kaleidoskop der politisch literarischen Fastnacht, auf exzellenten Kokolores und fröhliche Musik“, sagt Vahl. Auf der Aktivenliste stehen erneut große Namen der politisch-literarischen Fastnacht: Rüdiger Schlesinger als „Advokat des Volkes“, Bernhard Knab als „Deutscher Michel“ und Altmeister Peter Krawietz haben sich erneut angekündigt. Neu im Reigen der politischen Redner ist indes Gunther Raupach, der Mann von der Ranzengarde hatte in der Kampagne 2024 mit seinem politischen Protokoll für umjubelte Auftritte und viel Beifall gesorgt.

Gunther Raupach von der Mainzer Ranzengarde ist erstmals auch bei den Saturnalien dabei. - Foto: gik
Gunther Raupach von der Mainzer Ranzengarde ist erstmals auch bei den Saturnalien dabei. – Foto: gik

Gleich vier politische Redner haben die Saturnalien 2024 damit im Programm, das werde „ein Kaleidoskop der politischen Rede mit allen unterschiedlichen Akzentuierungen“, freut sich Vahl. Raupach habe das Organisatorenteam „durch kreative und wechselnde Auftritte sehr überzeugt“, sein Vortragsstil mit vielen Modulationen und schauspielerischer Dynamik „erschien uns nachgerade römisch – und passt zu den Ciceronischen Invectiones“, betont Vahl im Gespräch mit Mainz&.

Tatsächlich waren Invektive, sogenannte Schmähreden oder Schmähschriften, in der Antike eine höchst beliebte Sache: In kunstvoller Prosa oder gar in Reimen wurde eine Person des öffentlichen Lebens nach allen Regeln der Kunst geschmäht, beleidigt und herabgewürdigt, Themen des Angriffs waren dabei oft Feigheit im Krieg, Habgier oder Korruption, Veruntreuung privaten oder staatlichen Eigentums, aber auch Scheinheiligkeit, Völlerei oder Trunksucht.

Kunstvolle Schmährede gegen Personen des öffentlichen Lebens

Ihren Ursprung hatte diese Form der kunstvollen Schmährede im antiken Griechenland, weiß man bei Wikipedia, doch gerade zu Zeiten des berühmten Redners Cicero wurde sie zur Kunstform, und in Rhetorikschulen in ganz Rom und weit darüber hinaus gelehrt. „Beispielhaft sind die Invektiven Ciceros gegen Piso und gegen Catilina“, heißt es bei Wikipedia, die Schmähreden gegen persönliche Gegner wurden zur Musterform einer lateinischen Invektive. „Cicero war dafür Spezialist“, berichtet Vahl, „was er seinen Gegnern vorwarf, ist nicht von schlechten Eltern.“ Zimperlich habe man damals nicht sein dürfen, nach dem Rededuell habe man sich nicht selten getroffen, um einen Wein zu trinken.

Moderne "Schmähreden" auf die Mächtigen dürfen die Gäste der Saturnalien erneut von Rüdiger Schlesinger (links) und Bernhard Knab erwarten. - Fotos: gik
Moderne „Schmähreden“ auf die Mächtigen dürfen die Gäste der Saturnalien erneut von Rüdiger Schlesinger (links) und Bernhard Knab erwarten. – Fotos: gik

„Diese Mischung, dass man auch Schmähreden führen kann, ohne dass sich der andere zu stark in seiner Persönlichkeit getroffen fühlt, das wollen wir hervorheben“, sagt Vahl nun mit Blick auf die Saturnalien. In der Zeit unter Cicero sei Rom eine der ersten Demokratien gewesen, „und sie hat sich so lange gehalten durch die Uneitelkeit“, betont Vahl weiter: „Diese lässige Freundlichkeit, die Gelassenheit, sich nicht selbst hundertprozentig ernst zu nehmen – das wollen wir vermitteln und dafür wollen wir werben.“

Das Grundverständnis der römischen Demokratie sei es gewesen, „dass man am Ende immer Diener eines Konstruktes ist – dieses Verständnis ist uns wichtig, weil davon lebt Demokratie und dafür stehen die politischen Redner“, sagt Vahl. Dieser „grundsätzlich demokratischer Geist, sich nicht immer eitel in den Vordergrund zu stellen, lässig mit Schmähungen umzugehen, und sich nicht immer in der eigenen Verletztheit sonnen“ – das sei die Lehre, die die Gegenwart aus der Antike ziehen könne.

Musik als Teil des Lebenselixiers, Weber in Doppelrolle

Die Musik wiederum spiele deshalb auch bei den Saturnalien eine untergeordnete Rolle: „Die Musik ist der Teil, in dem wir sagen: Nehmt Euch in die Arme und seid fröhlich, das Leben ist kurz“, erklärt Vahl – was natürlich nicht heißt, dass die Saturnalien ohne Musik auskommen müssen. Neben der Hausband „Trio Aeterna“ kommen wieder einmal die Altrheinstromer und die „Alternativen Bänkelsänger“ vorbei, dazu wird es in diesem Jahr eine Fastnachts-Band mit dem geheimnisvollen Namen „Archäologische Asche“ sowie weitere „Musica Romana“ geben – was genau sich dahinter verbirgt, will man bei der IRM noch nicht verraten.

Die Crew der Saturnalien 2024 mit Gästen: Mit vielen gibt es ein Wiedersehen. - Foto: gik
Die Crew der Saturnalien 2024 mit Gästen: Mit vielen gibt es ein Wiedersehen. – Foto: gik

Für den Bereich des Kokolores ist erneut Hildegard Bachmann zuständig, dazu wird erneut Christian Campe von der Unsichtbaren Römergarde auf den Brettern stehen – er erfreute zuletzt als „Autofahrer“. Neu dabei sind auch eine „Römersteinin und ihr Freund“ – die Künstlerin Bianca Wagner dürfte damit die Debatte um die Pflege rund um die Römersteine im Zahlbachtal aufgreifen. Vahl selbst wird erneut als „der Gude vom Bundestag“ die Welt beleuchten, und ein Wiedersehen gibt es auch mit Markus Weber.

Der Apotheker aus Weinheim hatte im Januar 2024 mit seinem „Fräulein Baumann“ in Minimalausgabe brilliert und das Publikum der Närrischen Nachtvorlesung verzückt, nun kommt Weber auch für die Saturnalien auf die närrisch-römische Bühne nach Mainz – und bringt gleich einen zweiten Akt als „Mann in den besten Jahren“ mit. „Markus Weber wollten alle wieder sehen, wir waren mehr als begeistert“, berichtet Vahl. Da agiert die IRM getreu ihres Mottos. „Ob Meenzer oder Utschebebbes: Die Fastnacht ist für Jeden ebbes.“

Markus Weber bei der "Närrischen Nachtvorlesung" als "Fräulein Baumann" in Kammerspielform. - Foto: gik
Grandiose Gaukelei: Markus Weber bei der „Närrischen Nachtvorlesung“ als „Fräulein Baumann“ in Kammerspielform. – Foto: gik

Die Aktiven der Saturnalien, betont Vahl noch, treten im Übrigen alle ohne Gage oder Unkostenentschädigung auf, der Erlös geht damit ganz an die Initiative Römisches Mainz. „Die Fastnachter stellen sich mit ihrer Teilnahme hinter das Römische Mainz, das ist schon ein Statement“, freut sich der IRM-Vorsitzende: „Die kleine IRM ist stolz, dass große Vertreter großer Clubs ein klares Statement zugunsten des Römischen Mainz abgeben.“

Info& auf Mainz&: Die IV. Saturnalien finden am 11.11.2024 ab 19.11 Uhr im „Grünen Kakadu“, der Theater-Bar des Staatstheaters Mainz, statt, der Eintritt kostet 15,55 Euro. Mehr zu den Saturnalien 2023 bei „Göttern, Narren und Gelehrten“ könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen.