Am 11.11. lupft ja gemeinhin die Mainzer Fastnacht den Vorhang zur neuen Kampagne und feiert den Frohsinn, die Narretei und vor allem die Narrenzahl 11 – in diesem Jahr aber gibt es am 11.11. in Mainz ein ganz besonderes Narren-Ereignis: Die Initiative Römisches Mainz (IRM) lässt die antiken Saturnalien wiederaufleben. In der Kulturei auf der Mainzer Zitadelle dreht sich an jenem Abend alles um die antiken Wurzeln der Fastnacht, um römische Speisen und Weine sowie um Narrenreden – letzteres allerdings von höchst zeitgenössischen Rednern. Die IRM erinnert damit nicht nur an die Saturnalien – sondern auch an das „Mainzer Königreich“.

Das römische Bühnentheater von Mainz unterhalb der Zitadelle. - Foto: gik
Das römische Bühnentheater von Mainz unterhalb der Zitadelle. – Foto: gik

Das antike Mogontiacum gehörte ja vor allem im 1. und 2. Jahrhundert nach Christus zu den wichtigsten Metropolen der Römer am Rhein: Das Castellum auf dem Hügel oberhalb von Rhein und Main-Mündung beherrschte die Flussebene, zu seinen Füßen eine blühende Handelsstadt, die mit Sicherheit aus einem multikulturellen Mix aus Kelten, Germanen, Galliern und Römern bestand – sowie aus Soldaten aus allen Winkeln des riesigen Römischen Reiches.

Vom Reichtum und der Bedeutung von Mogontiacum geben heute noch unzählige Funde Zeugnis – allen voran das einstige römische Bühnentheater unterhalb der Zitadelle, der Drususstein auf dem Hügel, aber auch Funde von Goldmünzen, Jupitersäule, Gräberstraße und „Venus von Mainz“ oder jüngst von feinem Essgeschirr und römischen Amphoren am Mainzer Zollhafen. Vom prallen Leben im antiken Mainz erzählen zudem die zahllosen Fluchtäfelchen, die Archäologen bei der Ausgrabung des Isistempels unter der heutigen Römerpassage fanden – da werden untreue Liebhaber verflucht oder betrügerische Geschäftspartner, keine Frage: Auch vor 2000 Jahren wurde im römischen Mainz gelacht, geliebt, gefeilscht und dem Leben gehuldigt.

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Römisches Essgeschirr made in Südfrankreich, gefunden am Mainzer Zollhafen. - Foto: gik
Römisches Essgeschirr made in Südfrankreich, gefunden am Mainzer Zollhafen. – Foto: gik

Und auch hier dürften die Römer eines ihrer lebendigsten und sinnesfrohsten Feste gefeiert haben: Jedes Jahr begannen am 17. Dezember die Saturnalien. Das Fest war dem Gott Saturn gewidmet, der nach mythologischer Überlieferung vor seinem Sohn Jupiter nach Latium floh, und dort gastfreundlich aufgenommen wurde – wofür er sich mit dem Geschenk des Acker- und Weinbaus revanchierte. Der Gott des Ackerbaus wurde so zum Spender von Fülle und Wohlstand, seine Zeichen waren blühende Kornfelder, reife Reben und Früchte. Die Stadtväter Roms errichteten dem starken Göttervater 497 v. Chr. einen Tempel auf dem späteren Forum Romanum, der am 17. Dezember eingeweiht wurde – so jedenfalls erzählen es die Kollegen vom Bayrischen Rundfunk.

Der 17. Dezember jedenfalls markierte fortan den Beginn der Saturnalien, eines mehrtägigen Festes, das einst als eine Art Erntedankfest zum Start der Winteraussaat begann, sich aber durch die Jahrhunderte immer mehr zu einer ausgelassenen Party wandelte: Tausende von Besuchern kamen aus dem Umland, um gemeinsam mit den städtischen Bürgern „mit Saturn zu speisen“, die Feiernden schlüpften in fremde Kostüme und fremde Rollen, es gab prunkvolle Prozessionen, die von einem „König“ angeführt wurden, und die aus Wagen und geschmückten Schiffen auf Rädern bestanden – und nein, es ist kein Zufall: die Historiker sehen hier den Ursprung der Fastnacht.

 

Zu den Parallelen trägt auch bei, dass bei den Saturnalien das Unterste zuoberst gekehrt und die Welt im wahrsten Sinne auf den Kopf gestellt wurde: Zum König wurde ein einfacher Mann aus dem Volk gewählt, die Sklaven residierten in den Palästen, und für einen Tag lang bedienten die Herren die Sklaven – Standesunterschiede, Sitten und Moral, sie waren an den Saturnalien ausgesetzt.

Römer beim Würfelspiel auf einem Wandgemälde in Pompeii. - Foto: IRM/Vahl
Römer beim Würfelspiel auf einem Wandgemälde in Pompeii. – Foto: IRM/Vahl

Die Welt war „einen Tag und eine Nacht lang verkehrt“, wie Seneca schrieb – schon damals war die ausgelassene Narretei ein Ventil für Unterdrückung, das gigantische, ungebändigte Fest der Sinne sollte für kurze Zeit Freiheit und Frohsinn schenken. Und die römischen Bürger bedeckten während der Saturnalien ihren Kopf mit einer Filzkappe, dem pilleus – „die Kappe symbolisierte Freiheit, da sie eigentlich nur von freigelassenen Sklaven getragen wurde“, verrät IRM-Vorsitzender Christian Vahl.

An diese Ursprünge des Karnevals und der Fastnacht erinnert nun in diese Jahr erstmals die Initiative Römisches Mainz (IRM): Am 11.11. lädt die IRM genau 88 Gäste zu den ersten Mainzer Saturnalien seit vermutlich rund 250 Jahren ein, die Gäste sollten verkleidet kommen, „als Gegenteil dessen, was sie im Alltagsleben sind“, heißt es weiter.

 

Zu dem saturnalischen Fastnachts-Programm werden römische Speisen und Weine aus der Küche des Weingutes Historic serviert, dazu gibt es ein Programm aus hochkarätigen Fastnachts-Rednern: Erwartet werden unter anderem Peter Krawietz, Norbert Roth, Bernhard Knab, das Duo Aeterna, Nico und Nadine Meurer, die Fastnachtsprofessorin Patricia Lowin, Christian Pfarr, Giordano Bruno sowie ein musikalischer Überraschungsgast.

Der römische Meeresgott Neptun mit der unsichtbaren Römergarde der IRM in der Mainzer Innenstadt. - Foto: gik
Der römische Meeresgott Neptun mit der unsichtbaren Römergarde der IRM in der Mainzer Innenstadt. – Foto: gik

Die Veranstaltung werde „unter dem Schutz der unsichtbaren Römergarde mit einem Ausmarsch durch das Römische Bühnentheater“ enden, so die Initiative weiter – wer die Römergarde ist, haben wir hier bei Mainz& erklärt. Für die Besucher gelten strikte 2G-Regeln, die großzügige Sitzordnung werde zwar bewusst kein Schunkeln zulassen, „wohl aber fröhliche Geselligkeit und Heiterkeit.“

Die IRM erinnert damit aber nicht nur an die römischen Ursprünge: Die letzten Saturnalien fanden wohl vor gerade einmal rund 250 Jahren in Mainz statt. Am Hofe der Mainzer Kurfürsten nämlich wurden in der Barockzeit zur Fastnachtszeit Feiern abgehalten, bei denen man der römischen Tradition huldigt: Den Teilnehmern wurden per Los Rollen von Herrschaft oder Dienerschaft zugeordnet, so sei überliefert – berichtet die IRM -, dass Kurfürst Johann Philipp von Schönborn 1664 das Los des Schreiners, 1668 aber das des Mundschenks zog, der alle Gäste bedienen musste.

Dieser Brauch wurde einst das „Mainzer Königreich“ genannt  – 1775 wurde er durch Kurfürst Friedrich Karl Joseph von Erthal beendet, der überhaupt keinen Gefallen am fastnachtlichen, saturnalischen Rollentausch fand. Die Erinnerung daran kehrt nun aber zurück, und das auch für Neugierige, die nicht an den Saturnalien selbst teilnehmen möchten: In der Taberna Academica, der Ausstellung des Römischen Isistempels, berichtet derzeit ein gewisser Claudius Secundus über die Saturnalien in Mainz im Jahr 69 nach Christus – und wer genau hinhört, erkennt die Stimme des Mainzer Kabarettisten Lars Reichow.

Info& auf Mainz&: Karten für die Saturnalien am 11.11.2021 können ab sofort unter taberna(at)roemisches-mainz.de bestellt werden, der Eintritt kostet 33,- Euro, inklusive römischer Bewirtung und Wein, für IRM-Mitglieder 22,- Euro. Der Erlös der Veranstaltung geht an die Initiative Römisches Mainz e.V., die Ihr hier im Internet findet. Mehr zur unsichtbaren Römergarde lest Ihr hier bei Mainz&.

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