Die Sperrung der Binger Straße stadteinwärts sorgt seit dem Ende der Sommerferien für massive Probleme im Verkehr, nun fordert die Mainzer FDP: Die Stadt Mainz muss besseres Baustellenmarketing betreiben – und dafür auch ein festes Budget pro Baustelle vorsehen. Die städtische Verwaltung aber lehnte den Antrag der FDP für den Stadtrat am Mittwoch ab, die Liberalen luden prompt zur Pressekonferenz, und klagten: Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) lasse jegliches Interesse am Thema vermissen und Termine dazu platzen – nun sei OB Nino Haase (parteilos) gefordert.

Die FDP-Stadtratsfraktion lud am Montag zum "Mensch, ärger' Dich nicht"-Spiel auf den Liebfrauenplatz (von links): Friedrich Sertorius, David Dietz, Wolfgang Klee und Fraktionschefin Susanne Glahn. - Foto: gik
Die FDP-Stadtratsfraktion lud am Montag zum “Mensch, ärger’ Dich nicht”-Spiel auf den Liebfrauenplatz (von links): Friedrich Sertorius, David Dietz, Wolfgang Klee und Fraktionschefin Susanne Glahn. – Foto: gik

“Wir haben eine wirklich schwierige Situation”, betonte die Vorsitzende und Fraktionschefin der Mainzer FDP, Susanne Glahn, am Montag in Mainz. Die FDP-Stadtratsfraktion hatte auf den Liebfrauenplatz zu Füßen des Doms geladen, um eine Partie “Mensch ärger’ Dich nicht” zu spielen – dabei ärgert sich gerade ein Großteil von Mainz über die städtische Verkehrspolitik: Die Sperrung der Binger Straße stadteinwärts, zeitgleich mit der Sperrung der Windmühlenstraße sorgt für ein Verkehrschaos, wie es Mainz noch nicht einmal zu Zeiten der Mainzelbahn-Baustellen gesehen hat.

Beispiel Montagabend, 17.50 Uhr: Zu Zeiten, wo der Berufsverkehr eigentlich schon als nahezu beendet gilt, bildet sich in Richtung Innenstadt eine riesige Schlange von Autos. Der Grund: Weil die Binger Straße wegen der Bauarbeiten für eine neue Straßenbahntangente nur einspurig stadtauswärts befahrbar ist, muss der Verkehr stadteinwärts durch die enge Gärtnergasse zur Großen Bleiche, um weiter in Richtung Innenstadt-Parkhäuser, Einkaufsmöglichkeiten und Gastronomie zu kommen.

- Werbung -
Werben auf Mainz&

Dauerstau wegen Binger Straße: Schaden für Handel und Klima

Die Folge: Der Rückstau blockiert die Parcusstraße, die Alicenbrücke über den Bahnhof, und reicht die gesamte Saarstraße hinauf bis zur Johannes-Gutenberg-Universität – zweispurig. Mitten dazwischen: Busse der Mainzer Mobilität, die ebenfalls nicht vorwärts kommen. Bereits Anfang Juni hatten Mainzer Einzelhändler deshalb Alarm geschlagen: Die Kundschaft in der Innenstadt habe sich im zweistelligen Prozentsatz verringert, dem Handel drohten Millioneneinbußen – ebenso der Gastronomie und allen anderen Gewerbetreibenden. Auch die Mainzer Klimabilanz sei der Dauerstau “katastrophal”, mahnte FDP-Stadtrat David Dietz.

Dauerstau und verwirrende Umleitungsschilder in Sachen Binger Straße: Die "U1" geht mal geradeaus, mal biegt sie rechts ab... - Foto: gik
Dauerstau und verwirrende Umleitungsschilder in Sachen Binger Straße: Die “U1” geht mal geradeaus, mal biegt sie rechts ab… – Foto: gik

“Wir wissen, dass die Wirtschaftsprognose der Stadt gerade massiv nach unten korrigiert wurde”, sagte Glahn nun, die Staulage sei “nicht angetan”, die Wirtschaftslage zu fördern. Das Problem dabei: “Wer einmal so im Stau steht, kommt nicht wieder zum Einkaufen nach Mainz”, warnte Glahn – die Auswirkungen des Verkehrschaoses seien massiv und beträfen alle Bereiche des Lebens. “Unsere Tochter konnte letzte Woche nicht zum Domchor, wir sind einfach nicht rechtzeitig in die Stadt gekommen”, berichtete Glahn. Bei anderen fielen Sportaktivitäten ins Wasser, und auch die Busfahrer seien “total frustriert, denn die stehen auch im Stau”, berichtete Glahn weiter.

Durch die Verkehrslage platzten Termine bei Physiotherapeuten und bei Notaren, berichtete FDP-Stadtrat Wolfgang Klee, selbst langjähriger Arzt mit Praxis in der Mainzer Innenstadt. Jetzt gebe es “Arztpraxen, die überhaupt nicht mehr anfahrbar sind, und Behinderte, die nicht mehr hinkommen, weil man denen nicht sagen kann: fahrt doch Rad”, berichtete Klee, und kritisierte: “Die Informationspolitik der Stadt lässt stark zu wünschen übrig. Der Bürger steht auf einmal vor einer Baustelle, und weiß nicht, wie er fahren soll, ja, wie er in die Stadt kommen soll – und die Ampelschaltungen sind katastrophal.”

FDP fordert Baustellen-Marketing mit fixem Budget

Denn die Umleitungen seien nur höchst mäßig ausgeschildert, mit den regulären “U”-Schildern könne doch niemand etwas anfangen, kritisierten die FDP-Politiker weiter. Die FDP forderte deshalb am Montag ein besseres Baustellen-Marketing mit groß angelegter Information für die Besucher und Bewohner der Stadt. “Wir wollen, dass es ein Baustellen-Marketing gibt, und das auch mit einem eigenem Budget in Höhe von fünf Prozent pro Baustelle versehen wird”, sagte FDP-Stadtrat David Dietz.

Das Baustellen-Chaos von 2017 war sogar bereits einmal Thema eines närrischen Motivwagens. - Foto: gik
Das Baustellen-Chaos von 2017 war sogar bereits einmal Thema eines närrischen Motivwagens. – Foto: gik

Das hatte die FDP eigentlich auch in einem Antrag in den Stadtrat am Mittwoch einbringen wollen – doch nach Angaben der Liberalen lehnte Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) den Antrag ab. Zur Begründung habe es geheißen, dass solche Finanzentscheidungen der Verwaltung oblägen, der Stadtrat könne so eine Ausgabe nicht vorschreiben, berichtete Dietz. Die FDP hatte in ihrem Antrag allerdings auch gefordert, für jede Baustelle eine Bürgerbeteiligung zu veranstalten und eine Interessengemeinschaft aus Verwaltung, Betrieben und Anwohnern zu bilden, und für umfassende Informationen rund um die Baugrube zu sorgen.

Die Ablehnung des Antrags sei allerdings “krass” – denn ein Baustellen-Management samt Marketingmaßnahmen habe es in Mainz ja bereits schon einmal gegeben, ärgerte sich Dietz. Tatsächlich hatte die frühere Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) – heute Umweltministerin des Landes Rheinland-Pfalz – vor sieben Jahren, beim letzten großen Baustellen-Chaos-Jahr in Mainz 2017 ein besseres Baustellen-Management versprochen: Mit deutlich langfristigerer Planung, einer neuen Software, konkreten Grabungszeiträumen und deutlich mehr Mitarbeitern sollte die Baustellenlage in der Mainzer Innenstadt künftig deutlich besser koordiniert werden, versprach Eder damals – von einem “dynamischen Baustellenmanagement“ mit besserer Abstimmung war die Rede.

Baustellen-Marketing bei Steinkrüger unbekannt, Termin geplatzt

Eder setzte zudem Marketingmaßnahmen um, mit denen die Großbaustellen in der Großen Langgasse sowie in der Boppstraße deutlich besser kommuniziert und mit Einzelhändlern abgestimmt wurden, so fungierte in der Boppstraße die “Eule Eduard” als Maskottchen, durchaus mit Erfolg. Das Beratungsinstitut für Wirtschaft und Verwaltung (BWV) aus Darmstadt entwickelte gar für 90.000 Euro ein neues Konzept für die Stadt, das Kernziel: Ein Verkehrschaos wie zuletzt 2017 unbedingt verhindern. Damals sorgte eine Großbaustelle unter anderem auf der Parcusstraße mit einspuriger Verkehrsführung für einen Verkehrs-GAU, die Ansage damals: Das solle sich nicht wiederholen.

Baustellen-Dschungel in Mainz - das war bereits im Juni 2017 Thema der damaligen Mainz&-Kolumne, gezeichnet von Künstlerin Bianca Wagner. - Grafik: Mainz&/Wagner
Baustellen-Dschungel in Mainz – das war bereits im Juni 2017 Thema der damaligen Mainz&-Kolumne, gezeichnet von Künstlerin Bianca Wagner. – Grafik: Mainz&/Wagner

“Wir hatten das alles schon mal, wir haben dieselben Themen vor sieben Jahren mit dem damaligen OBN Michael Ebling (SPD) besprochen”, klagte auch der FDP-Politiker Thomas A. Klann, “und jetzt weiß niemand etwas davon.” Die derzeitige Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) sage, “sie weiß nicht, was Baustellenmarketing ist”, berichtete Klann frustriert – und sie lasse Termine zu dem Thema einfach platzen.

Das bestätigte auch Ulrich H. Drechsler, Vorsitzender des Vereins “Unser Mainz in Rheinhessen”, der Anfang Juli auf einer Pressekonferenz massiv vor den Folgen der Sperrung für die Innenstadt gewarnt – und bereits da ein Baustellen-Management samt Marketing gefordert hatte. Mit bei dem Termin dabei: Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger. “Vor acht Wochen hieß es, wir kümmern uns drum”, berichtete Drechsler nun, vor einer Woche habe es einen lange verabredeten Termin mit Steinkrüger zu dem Thema gegeben. “Frau Steinkrüger sie ist dem Termin aber ferngeblieben”, kritisierte Drechsler.

Klann: “Verkehr in der Stadt ist nicht gewollt” – OB Haase gefragt

“Das Verhalten zeigt ja: es ist kein verkehrspolitischer Wille da, die Situation zu entspannen”, kritisierte Klann: “Es hat den Anschein, dass der Verkehr in der Stadt nicht gewollt wird.” Die Stadt müsse dafür sorgen, dass der Bürger auch die Innenstadt erreichen und dort einkaufen könne, schließlich seien es Handel und Gewerbe, die die Gewerbesteuer zahlten, und der Stadt Einnahmen bescherten, betonte auch Drechsler: “Deshalb sollte die Stadt ein ganz ureigenes Interesse haben, dass die Menschen herkommen können.”

Die Binger Straße ist seit Ende Juni nur noch einspurig befahrbar - stadtauswärts. Das soll bis Ende 2025 so weitergehen. - Foto: gik
Die Binger Straße ist seit Ende Juni nur noch einspurig befahrbar – stadtauswärts. Das soll bis Ende 2025 so weitergehen. – Foto: gik

Zu dem Termin gekommen sei hingegen Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU), berichtete Drechsler weiter – und das, obwohl sie gar nicht angekündigt gewesen sei. Matz wolle sich für das Thema engagieren, das Amt für Öffentlichkeitsarbeit habe auch ein neues Maskottchen kreiert: “Eine Ameise soll jetzt wohl durch die Baustellen krabbeln”, berichtete Drechsler. Es sei aber der Verein “Unser Mainz in Rheinhessen” gewesen, dass der Stadt einen Platz auf der elektronmischen Werbetafel an der Alicenbrücke verschafft habe, dort gebe es jetzt eine Anzeige “Liebe Autofahrer, bitte habt Geduld” – Ameise inklusive.

Ob das wirklich helfe, da zeigte sich die FDP skeptisch. “Eine Ameise findet ihren Weg – aber auch Schleichwege, die keiner will”, sagte Klann. Der Bürger müsse schon am Stadtrand informiert, ihm Routen für das Erreichen der verschiedenen Zielpunkte in der Innenstadt aufgezeigt werden. “Wir schneiden hier ein Thema an, dass in anderen Städten schon seit 20 Jahren etabliert ist”, ärgerte sich Glahn. Dort gebe es Stadtmarketingmanager und Infoaktionen zum Thema Baustellen, sogar Modenschauen habe man entdeckt.

“Man kann etwas tun, um die Folgen einzudämmen”, bilanzierte Dietz, “wir fänden es gut, wenn das im Stadtvorstand jemand in die Hand nehmen würde.” Und sollten sich die Mitglieder des Stadtvorstands “nicht einigen können, gibt es einen, der es regeln kann – der Oberbürgermeister”, forderte Dietz: “Dafür hat er die oberste Kompetenz, und deshalb ist der OB jetzt genauso gefordert.”

Info& auf Mainz&: Mehr zum Verkehrschaos rund um die Binger Straße findet Ihr hier bei Mainz&.