Er ist der neue Stadtschreiber von Mainz: Feridun Zaimoglu. Der 50 Jahre alte gebürtige Türke gehört zu den ungewöhnlichsten Künstlern Deutschlands. Zaimoglu “erfand” quasi die “Kanak Sprak” – und gab damit einer ganzen Generation eine eigene Ausdrucksform. Am Freitag trat Zaimoglu sein Amt als neuer Mainzer Stadtschreiber an – und er ist durchaus von Mainz fasziniert.
“Ich fühle mich sehr geehrt”, sagte Zaimoglu bei seinem ersten Pressetermin in Mainz – und strahlte dabei über beide Backen. Über die Ehre, Mainzer Stadtschreiber geworden zu sein, hat er sich offensichtlich riesig gefreut. Durch die engen Mainzer Gassen der Altstadt sei er schon gelaufen, verriet Zaimoglu – und ja, das habe ihn durchaus zum Schreiben angeregt.
Wieviel er über Mainz tatsächlich schreiben wird – Zaimoglu wollte lieber keine Prognose abgeben. Er halte nicht viel von großen Worten, die am Ende oft nicht eingehalten würden, sagte er bescheiden. Aber zumindest in den ersten Wochen wolle er in Mainz schreiben und zeichnen.
Der Mainzer Stadtschreiber ist mit 12.500 Euro dotiert und wird gemeinsam vom ZDF, dem Kultursender 3sat und der Stadt Mainz vergeben. Der Preis wurde zum ersten Mal 1985 an die Schriftstellerin Gabriele Wohmann verliehen, seither wird jedes Jahr ein Schriftsteller mit dem Preis ausgezeichnet. Zaimoglu sei “ein großer Erzähler von Liebesdramen, die er in seinem mal hitzigen, mal frostigen musikalischen Sprachstil zwischen den Kulturen des Okzidents und des Orients spielen lässt”, begründete die Jury ihre Wahl.
Zaimoglu wurde 1964 in Bolu in der Türkei geboren und ist seit 1984 in Kiel zuhause. Seit seiner Kindheit lebt er in Deutschland und studierte Kunst und Humanmedizin in Kiel. Zaimoglu arbeitet als Schriftsteller, Dramatiker, Drehbuchautor und Journalist, seinen Durchbruch hatte er 1995 mit dem Buch “Kanak Sprak”. Mit “Abschaum” (1997) veröffentlichte er “das Lebensprotokoll eines drogenabhängigen Kleinkriminellen, das später unter dem Titel “Kanak Attack” verfilmt wurde.”
Deutschland sei seine Heimat, betonte Zaimoglu in Mainz, er sei ein deutscher Schriftsteller. Trotzdem wird er immer wieder gefragt ob er Moslem sei oder religiös. “Je weniger Religion desto besser”, antwortet Zaimoglu. Religion findet er, mache die Menschen unglücklich, Glaube aber, sagt er, “ist auch mit vielen Volksbräuchen verbunden, die auch Futter für die Schriftstellerseele sind.”
Ein Jahr lang hat Zaimoglu nun das Recht, in der Stadtschreiber-Wohnung über dem Gutenberg-Museum zu logieren. Für ihn offenbar eine ungewohnte Ehre: Dass er direkt über der Gutenberg-Presse wohne, das sei für ihn etwas ganz Besonderes, sagte er, und fügte hinzu: “Ich werde mir wohler fühlen wenn meine Schreibmaschine hier steht.”
In der Türkei war Zaimoglu jüngst zusammen mit seinem Vater, in Istanbul, zur Recherche für sein neues Buch Isabel. Zaimoglus Recherchen für seine Bücher sind geradezu körperlich. Er sammele Eindrücke vor Ort, verriet er einmal in einem Interview. Um die Sichtweise eines 6-Jährigen zu verstehen, robbe er auch schon mal auf Knien durch seine Wohnung, verriet er.
Auch dem Internet verweigert er sich standhaft, seine Texte schreibt er tatsächlich per Hand und auf einer Schreibmaschine. Die Maschinen ersteigern übrigens Freunde für ihn im Internet, in mehrfacher Ausführung, denn der größte Horror für ihn sei immer noch, dass die Maschine den Geist aufgebe und kein Ersatz zu haben sei.
Am Nachmittag wurde Zaimoglu noch in einem Festakt im Mainzer Rathaus geehrt. Auch danach will er für Erste noch in Mainz bleiben – und am Samstag zum Fußballspiel von Mainz 05 gehen. Er sei ein großer Fußball-Fan, bestätigte der Schriftsteller – und wusste sogar, dass Mainz gegen Frankfurt spielt.
Ob er denn auch in den Farben von Mainz 05 im Stadium auftauchen werde, fragte einer der Reporter. Verlegen sagte Zaimoglu da, dafür fehlten ihm wohl noch die Requisiten. Da warf jemand aus dem Off dazwischen: “Na, das kriegen wir noch hin!” Sieht so aus, als würde Feridun Zaimoglu in Windeseile von den Mainzern vereinnahmt werden.
Vor der Tür, bei der Zigarettenpause, traf er zu seinem großen Erstaunen einen Bekannten aus Stuttgart. “Was machst Du denn hier?” fragte der Bekannte, und Zaimoglu lachte: “Ich bin hier Stadtschreiber.” Wir freuen uns auf diesen Stadtschreiber!