Für Fluglärm-geplagte Menschen in der Rhein-Main-Region hatte die Coronakrise zumindest ein Gutes: Die Rückkehr der Ruhe am Himmel über Mainz. Bis auf zehn Prozent sank der Flugverkehr am Frankfurter Flughafen zeitweise ab, doch mit den ruhigen Tagen dürfte es bald vorbei sein: Der Flugverkehr steigt wieder, im Juli sollen wieder 20 Prozent der alten Menge an Maschinen am Frankfurter Airport abheben. Flughafenbetreiber Fraport kündigte nun an: In der ersten Julihälfte soll sogar die Nordwestlandebahn wieder öffnen – Fluglärmgegner kritisieren das scharf.
Im April hatte die Fraport die dritte Bahn im Nordwesten des Frankfurter Flughafens stillgelegt – mangels Reiseverkehr. Die Nordwestlandebahn wurde zum Parkplatz für am Boden bleibende Maschinen, der Rhein-Main-Region brachte das eine unerwartete Entspannung in Sachen Fluglärm. Weite Teile der Mainzer Oberstadt, die Mainzer Uniklinik, aber auch Regionen im Rheinhessischen sowie auf der hessischen Seite erlebten auf einmal ungetrübte Sommerfreuden: Gespräche auf dem Balkon oder im Garten waren auf einmal wieder möglich, ohne unterbrochen zu werden, das Grillen und Chillen im Freien blieb ungetrübt.
Nun aber könnte es damit schneller als erwartet wieder vorbei sein: In der Fluglärmkommission am Mittwoch kündigte Fraport nun an, die Nordwestlandebahn wieder öffnen zu wollen, und zwar schon in der ersten Julihälfte. Nach dem Ende der Reisewarnungen für die meisten Länder Europas steigt in Frankfurt zwar inzwischen auch der Flugverkehr wieder an, allerdings nur langsam: Ende Juni sollen wieder 175 Destinationen angeflogen werden, sogar einige Ziele in Fernost, Südamerika und den USA sollen wieder bedient werden.
Damit steige die Zahl der angebotenen Flugplätze Ende Juni wieder auf 219.000, für die kommende Woche rechne man – gerade mit Blick auf die jetzt beginnenden Sommerferien, mit einer „sukzessiven Ausweitung des Flugangebots. Ende Juni werde man damit wohl auf etwa 20 Prozent des Vorjahresniveaus kommen – damit ist der Flughafen aber von einem Vollbetrieb wie vor der Coronakrise weiter weit entfernt. Das Terminal 2 bleibt deshalb in Frankfurt vorerst weiter geschlossen.
Im Mai zählte der größte deutsche Flughafen gerade einmal 7.764 Starts und Landungen, das waren 83,2 Prozent weniger als im gleichen Monat 2019. Befördert wurden dabei nur 272.826 Passagiere, das entsprach einem Rückgang von 95,6 Prozent gegenüber dem Mai 2019. Und auch die Fraport spricht davon, dass mit einem regulären Flugbetrieb in alter Stärke in der nächsten Zeit nicht zu rechnen ist: Auch für 2021 könnten es wohl nur etwa 50 Prozent des bislang üblichen Verkehrs werden, noch 2022 und 2023 müsse man mit 15 bis 20 Prozent weniger Luftverkehr in Frankfurt rechnen, so der Flughafenbetreiber kürzlich.
Das Bündnis der Frankfurter Bürgerinitiativen gegen Fluglärm kritisierte deshalb die geplante Wiederöffnung der Nordwestlandebahn scharf: „Nach Monaten der relativen Ruhe für die Lärm- und Feinstaub-geplagten Menschen der Flughafenregion“, wolle Fraport die Nordwestlandebahn nun ohne echten Bedarf wieder öffnen, protestierten die Frankfurter BIs. Die Bahn sei aber „nur aus Kapazitätsgründen genehmigt“ worden und „dient nicht zur Lärmverteilung über der Region“, schimpfte Sprecher Friedemann Scheld.
Man sehe zwar die gravierenden wirtschaftlichen Folgen durch die Coronapandemie, die damit einhergehenden stark reduzierten Flugbewegungen seien aber „für die betroffenen Menschen der Flughafenregion ein Segen“, betonte Scheld weiter: Die Lebens- und Aufenthaltsqualität habe sich erheblich verbessert. „Die negativen gesundheitlichen Folgen werden geringer sein, der Wald kann wieder seine Erholungsfunktion erfüllen, Gespräche auf Balkonen und in Gärten können wieder ohne Störungen geführt“, unterstreichen die Fluglärmgegner. Mit einer schnellen Rückkehr des Flugverkehrs auf das „Vor-Corona“-Niveau sei aber in absehbarer Zeit nicht zu rechnen, die Nordwestlandebahn dürfe deshalb nicht wieder in den regulären Betrieb zurückkehren, fordern sie.
Von Seiten der Fluglärmkommission hieß es am Mittwoch, Fraport habe „deutlich gemacht, dass der Einsatz der Landebahn Nordwest und auch der übrigen Start- und Landebahnen ausschließlich nach betrieblichen Erfordernissen geplant und durchgeführt werden.“ Die Nordwestbahn solle „aus betrieblichen Gründen“ voraussichtlich zunächst nur in reduziertem Umfang genutzt werden. Den Fluglärmgegnern reicht das nicht aus: Die Bahn sei für einen Bedarf von ca. 450.000 Flugbewegungen pro Jahr geplant und genehmigt worden, halten die Bis dagegen: „Da diese Zahl in absehbarer Zeit nicht erreicht wird, gibt es derzeit keine Notwendigkeit der Nutzung.“ Die Politik dürfe die Wiederaufnahme der Nutzung nicht genehmigen.
Die Fluglärmkommission selbst forderte, das Wiederanwachsen des Luftverkehrs müsse zukunftsfähig und nachhaltig organisiert werden: „Bei aller Dramatik brigt die Coronakrise auch Chancen“, betonte der Vorsitzende der Fluglärmkommission, der Raunheimer Bürgermeister Thomas Jühe (SPD): „Für ein Umdenken ohne erheblichen wirtschaftlichen Schaden besteht jetzt eine historische Chance.“ Die Kommission wolle nun Vorschläge erarbeiten, „wie der Flugverkehr auch unter Lärmschutzgründen qualitativ deutlich besser aufgestellt werden“ könne, kündigte Jühe an.
Thema der Sitzung war zudem die während des Shutdowns stark gestiegenen Nachtflüge: Es habe vielfältige Beschwerden über verstärkt wahrnehmbare Nachtflüge auch im geschützten Mediationsnachtzeitraum zwischen 23.00 Uhr und 5.00 Uhr morgens gegeben, berichtete die Kommission, der Grund dafür waren Ausnahmegenehmigungen, die für Rückholflüge für im Ausland gestrandete Deutsche, aber auch für Flüge zum Transport von medizinischem Material galten. So seien die Flüge zum Teil zur Beschaffung dringend benötigter medizinischer Produkte wie Atemschutzmasken notwendig gewesen.
Nachdem nun die pandemiebedingten Einschränkungen in vielen Ländern sukzessive wieder aufgehoben wurden, habe sich die Zahl von Flügen in der Mediationsnacht zuletzt jedoch wieder deutlich reduziert, betonte die Kommission, es werde ein strenger Maßstab an Genehmigungen für solche Flüge angesetzt. Diese Flüge müssten auch die Ausnahme bleiben und dürften nicht zum „Einfallstor für regelmäßige Nachtflüge“ werden, mahnte die Kommission der Anreinerkommunen aber zugleich auch. „Wir müssen sehr wachsam bleiben“, warnte die Mainzer Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne): „Geschäftsmodelle, welche die Kernzeit der Nacht bedienen würden, haben am Flughafen Frankfurt auch bei anhaltender Krise keinen Platz.“
Info& auf Mainz&: Mehr zum Ausblick der Fraport auf die Zukunft könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen, über den Einbruch der Luftfahrtbranche und das Sparpaket der Fraport haben wir hier berichtet. Die Unterlagen der Fluglärmkommission könnt Ihr selbst nachlesen, Ihr findet sie hier im Internet.