Als die Corona-Pandemie zuschlug und im Sommer 2020 klar wurde, die Fastnachts-Kampagne 2021 würde keine normale werden, sinnierten manche Kreativen: Das könne auch eine Chance für die Mainzer Fastnacht sein. Der Zwang zum Digitalen könne auch neue Fastnachtsformate ins Leben rufen – bewiesen hat das nun ausgerechnet eine Mainzer Garde: Die Mainzer Füsiliergarde 1953 e.V. lud am Freitagabend zum Fastnachtsstream „Gelock(e)t“ – und heraus kam ein kurzweiliger Fastnachtsabend, der nicht nur ein Wiedersehen mit geliebten Aktiven und höchst aktuelle Seitenhiebe auf Coronavirus und Corona-Politik brachte, sondern auch die Garde an sich in den Blickpunkt rückte. Ein absolut zukunftsweisendes Format.

Fastnachts-Talk der Mainzer Füsiliergarde mit Tobias Mann (Mitte). - Screenshot: gik
Fastnachts-Talk der Mainzer Füsiliergarde mit Tobias Mann (Mitte). – Screenshot: gik

Auf den Bildschirmen marschieren sie zumeist vorbei, winken in die Kameras, absolvieren eine flotte Ballettnummer oder sorgen für die Musik im Fastnachtsumzug – doch generell bleiben sie stumm: Garden sind für den außenstehenden Fastnachtsbeobachter schmückendes Beiwerk, doch irgendwie auch immer „nur“ der Hintergrund, das Bühnenbild der Fastnacht sozusagen. Die großen Reden, die gefeierten Nummern – das sind die anderen. Die Garde marschiert und schweigt, könnte man sagen – wie gut, dass das an diesem Freitagabend anders war.

Zwei Stunden lang stellte die Füsiliergarde aus Mainz-Gonsenheim einmal die Menschen in den bunten Uniformen in den Mittelpunkt eines Fastnachtsstreams – ein absolutes Novum, zumindest in der Mainzer Fastnacht. Dabei sind die Garden das Rückgrat der Mainzer Fastnacht: Stolze 24 Vereine dieser Art zählt die Mainzer Fastnacht – mindestens. Ihr einheitliches Merkmal: die Uniform, die von Garde zu Garde in Farben und Ausstattung variiert. Gedacht war das als eine Parodie aufs Militär, insbesondere die Preußen im 19. Jahrhundert, doch längst wird die Uniform mit Stolz als Zeichen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe und zur Mainzer Fastnacht im allgemeinen getragen – die Rot Rock Rapper der Mainzer Prinzengarde setzen dem mit ihrer Hymne „Ich hab‘ Uniform“ ein grandioses musikalisches Denkmal.

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Fastnacht im heimischen Wohnzimmer mit Weingenuss und Ballett-Augenschmaus der Füsiliergarde. - Foto: gik
Fastnacht im heimischen Wohnzimmer mit Weingenuss und Ballett-Augenschmaus der Füsiliergarde. – Foto: gik

Im Mittelpunkt stehen Garden trotzdem nur selten, am Freitagabend war das anders: Da wurde ein bunter Einmarsch gezeigt, die Darbietung eines Musikzugs vor dem Mainzer Staatstheater oder Auftritte des Füsiliergarde-Balletts, und auf einmal wurde dem Zuschauer unwillkürlich klar, was in diesem dunklen Corona-Winter so schmerzlich fehlt: die bunten Farben der Uniformen, das Trommeln und Flöten der Musikzüge, das Wirbeln der Tänzerinnen – auf einmal stand die Fastnacht im Wohnzimmer.

Was Gardisten denn ohne Kampagne so machten, wurden sie gefragt. „Fastnachtsorden sortieren, Luftschlangen bügeln“, seufzte Marcus Schwalbach von der Kürassiergarde, und man sah ihm an: Dem Mann fehlt aktuell eine ganze Menge. Eine „unfastnachtliche Zeit“ sei das, klagte auch Prinzengardist Florian Sitte, „nur der Weinkonsum ist gleich…“ In Einspielern und mit kleinen Talkrunden kamen Gardisten zu Wort und gaben Einblicke in das Seelenleben, aber auch die Hintergründe des Gardentreibens, souverän moderiert von Füsiliergardechef Oliver Kohl und seinem Moderationspartner – das hätte für den unbedarften Zuschauer gerne noch mehr sein können.

So ging es munter weiter: Kleine Talks mit Ex-Fastnachts-Größen wie Kabarettist Tobias Mann und aktuellen Aktiven wie Hofsänger-Kapitän Christoph Clemens – „Es ist eine Katastrophe“ – wechselten sich ab mit Musiknummern und Mini-Auftritten. Da brillierten Adrian Werum am Klavier und Daniel Stelter mit seiner Gitarre mit einem wunderbaren Corona-Blues und einer genialen Rucki-Zucki-Version, und Köchin Muriel Stadelmann seufzte musikalisch: „Schau, die Menschen ringsumher, vermissen dich so sehr – Meenzer Fastnacht!“

Närrische Vortragsnummer von und mit GCV-Altstart Michael Emrich. - Screenshot: gik
Närrische Vortragsnummer von und mit GCV-Altstart Michael Emrich. – Screenshot: gik

GCV-Altstar Michael Emrich machte den Corona-Wein-Test, impfte mit Riesling und wunderte sich ganz allgemein, dass in der Corona-Pandemie auf einmal „negativ ist, wenn ich positiv bin, und positiv ist negativ – ich glaub, ich spinn!“ Ja, der Narrenmund hat es schwer in diesen Tagen, denn der gesunde Menschenverstand ist rar geworden, und „die größte Gefahr, sag‘ ich voller Graus“, seufzte Emrich, „geht eindeutig von Arschlöchern aus.“ Und so bleibt dem Narr nur zu mahnen: „Tragt Masken all‘, aber geht bloß nicht auf einen Maskenball“ – so ist die Fastnacht im Corona-Lockdown.

Wer eine klassische Sitzung erwartet hatte, der musste enttäuscht werden, doch das hatte die Füsiliergarde auch gar nicht angekündigt: Man wolle Einblicke geben ins Gardeleben, so die Ankündigung, es wurde ein Blick ins Fastnachtsleben, das oft fernab der großen Fernsehkameras stattfindet und vielleicht auch deshalb umso authentischer daherkam. Ganz nebenher wurden Spenden gesammelt für bedürftige Künstler, auch wenn nicht ganz klar wurde, wer damit gemeint war, närrisch moderiert in jedem Fall von Rudi Hube, der auch fleißig Spitzen gegen Oberbürgermeister und wahlkämpfende Ministerpräsidentinnen verteilte – die Spenden jedenfalls flossen üppig.

Närrischer Kokolores in Hochform: "Almerindos" Thomas Becker und Frank Brunswig. - Screenshot: gik
Närrischer Kokolores in Hochform: „Almerindos“ Thomas Becker und Frank Brunswig. – Screenshot: gik

Und dann stand auf einmal doch noch die buntige Sitzungsfastnacht im Raum, in Gestalt der beiden „Almerindos“ Thomas Becker und Frank Brunswig, die wieder einmal mit Kalauern und Gitarre brillierten, was in der urkomischen Nonsens-Hymne „Ich riech am Schläppchen vom Ballett, das findet meine Nase nett“ mündete. Da können nur die Rot Rock Rapper einen drauf setzen, auch wenn deren Neulied arg kurz daherkam, und die Macher des höchst professionellen Streams dafür auf den 2019-er Hit „Zusammen Rot“ aus der Konserve zurückgreifen mussten.

Und schon war es Zeit fürs große Finale, und der Zuschauer seufzte unwillkürlich: Echt jetzt? Schon vorbei? Die Fastnacht sei in den vergangenen Jahren kurzweiliger geworden, hatte zuvor Kürassier Schwalbach konstatiert – es gebe ganz klar einen Trend zu neuen Formaten. Da konnte man am Ende des Fastnachtsstreams wahrlich nur zustimmen: Aus der Not heraus war hier ein Fastnachtsformat entstanden, von dem sehr schnell feststeht: Davon möchte man auch in der Nach-Coronazeit noch mehr sehen.

Mainzer Hofsänger mit Abstand zum Finale. - Screenshot: gik
Mainzer Hofsänger mit Abstand zum Finale. – Screenshot: gik

In der Coronazeit aber müssen die Mainzer Hofsänger noch mit Abstand zueinander singen, was Olé Fiesta oder dem ewigen Sassa keinen Abbruch tut. „Wir trinken noch ein Gläschen Wein“, sang Julian Hagemann, ansonsten Bass am Mainzer Staatstheater, „nur Geduld, bald ist die Krise weg“ – und schmetterte ein beeindruckendes „Eviva Moguntia“ in die Kamera. „Dieser Abend war so schee, jetzt zu scheiden, tut so weh“, seufzte musikalisch Muriel: „Meenzer Fassenacht gibt’s nie genug.“

Was für ein wahres Wort – wie gut, dass dieses Fastnachts-Streaming-Wochenende erst begonnen hat: Am Samstagabend lädt der Gonsenheimer Carneval Verein (GCV) ab 20.15 Uhr zur Streamung, am Sonntag der Mainzer Carneval-Verein (MCV) um 17.11 Uhr zur Fastnachtsshow. Am Altweiber-Donnerstag, den 11. Februar, laden dann Mainzer Carneval Club (MCC) und Prinzengarde am Altweiberdonnerstag zur „DisTanz“, einer Mischung aus Fastnachtsparty, Unterhaltung und Kokolores bei ihrer ersten digitalen Altweiberparty. Am Rosenmontag ist um 14.11 Uhr die „Meenzer Kinder-Fassenacht“ mit Oliver Mager an der Reihe – und all das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem närrischen Streamingprogramm der Mainzer Fastnacht. Da bleibt nur zu sagen: Viel Spaß – und ein dreifach donnerndes H E L A U!

Info& auf Mainz&: Einen kompletten Überblick über alle Fastnachtsstreams der Mainzer Kampagne 2021, den wir hier verlinken könnten, haben wir noch nicht gefunden – die Links zu den Streams der einzelnen Vereine findet Ihr auf der Homepage desjeweiligen Vereins. Einen kleinen Überblick gibt es aber nun auch bei der Mainzplus Citymarketing, die mit ihrem neuen Streaming-Studio aus dem Frankfurter Hof der digitalen Fastnacht ein Zuhause gibt – mehr dazu hier im Netz.  Mehr zu den Innovationen in der Fastnacht durch Corona könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen.

 

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