Auf dem Tisch stehen Wein, Oliven und Schafskäse, es ist der 1. Juni – und Neptun erinnert an eine 2000 Jahre alte Tradition: „Wir feiern heute, wie vor 2000 Jahren, das Fest der Göttin Carna“, spricht „Neptun“ alias Christian Vahl – die „Unsichtbare Römergarde“ hat wieder zugeschlagen. Die jüngste Aktion: Eine altrömische Göttin dem Vergessen zu entreißen. Für solche und andere Aktionen erhält die Initiative Römisches Mainz am Mittwoch den Tourismuspreis 2022. Die passende Frage dazu stellte der erste „Ehrensenator der „Unsichtbaren Römergarde“, Peter Krawietz: „Stören die Römer in Mainz?“
Es war vor 2000 Jahren, als im römischen Mogontiacum mal wieder eines der vielen Feste stattfand: An den Kalenden des Iunius gedachte man der Göttin Carna, es gab Oliven in Massen, Gerichte aus Speck und Bohnen, und natürlich floss der Wein in Strömen. 2000 Jahre später, eine Straßenecke in der Mainzer Neustadt: Es treffen sich „Neptun“, einige römische Legionäre – und drei Schwellköppe. Auf dem Tisch stehen Schafskäse und Oliven, es wird Brot gereicht – und natürlich Wein.
Es ist der 1. Juni 2022, und die Initiative Römisches Mainz (IRM) lässt eine uralte Tradition wieder aufleben: Gedacht wird Carna, einer fast vergessenen Gottheit der Römer. „Sie war die Göttin des Herzens, Schutzgöttin der Gesundheit, und sie war über die Eingeweide der Menschen gesetzt“, erklärt Christian Vahl, Vorsitzender der IRM und Erfinder der „Unsichtbaren Römergarde“. Die IRM hat sich zur Aufgabe gemacht, das antike römische Erbe für Mainz mehr in den Fokus zu heben.
Die „Unsichtbare Römergarde“ ist ein Projekt, das dabei helfen soll: In unregelmäßigen Abständen tauchen römische Legionäre samt Streitwagen und in Begleitung von Gott Neptun im Mainzer Straßenbild auf – die Mainzer wissen inzwischen: Dann gibt es wieder einen Baustein des römischen Mogontiacum zu entdecken. So wies die Unsichtbare Römergarde schon auf den vernachlässigten Fundort der Römerschiffe hinter dem Mainzer Hilton hin, und hielt beim Festumzug zum Rheinland-Pfalz-Tag die Fahne der Römerstadt Mainz hoch.
An diesem 1. Juni nun feiert die Römergarde das Fest der Göttin Carna – und hat sich moderne Verstärkung geholt: Drei Schwellköppe flankieren die römischen Legionäre, und das sei durchaus passend, findet Vahl – schließlich seien die Markenzeichen der Mainzer Fastnacht „die Götter der Mainzer Fastnacht im Dienste von Gott Jokus.“ Und so posieren „Schambes“, „Quatschkopp“ und „Es Babettsche“ stolz mit den Repräsentanten von vor 2000 Jahren, in denen mit Sicherheit auch schon in den Straßen des antiken Mogontiacum die Narrenzeit gefeiert wurde.
Auch der Göttin Carna wurde im antiken Mainz wohl schon gehuldigt, Sie war eine der kleineren und ältesten Gottheiten im altrömischen Pantheon, verdrängt wurde sie in späteren Zeiten durch die Göttin Salus, der Personifikation des Wohlergehens. „Nach Ovid war Carna ursprünglich eine lachende, aber spröde Nymphe“, erklärt Vahl: Sie bat die Freier in eine Höhle und narrte sie dort mit Verstecken – allein der doppelköpfige Gott Janus durchschaute ihr Spiel, denn mit seinen zwei Gesichter sieht Janus auch das, was hinter ihm vorgeht. So wird Carna heute auch als Frau des Janus in den Annalen geführt.
Im alten Rom aber war Carna die Schutzgöttin der Eingeweide und der Verdauung – und zuständig für die Abwehr der Strygen, jener gruseligen Geiervögel, die das Blut von Neugeborenen saugen wollen. So wäre der Legende nach der fünf Tage alte König von Alba Longa – einer legendären Stadt südöstlich von Rom – um ein Haar Opfer der Strygen geworden, wäre nicht Carna zu seiner Rettung geeilt: „Sie berührt dreimal den Türpfosten, besprengte das Kind mit Wasser und opfert die Eingeweide eines Schweines“, weiß Vahl zu berichten. Die blutsaugerischen Dämonen vertrieb endgültig ihr Segen.
Ovid machte Carna zur Göttin der Scharniere, die öffnet, was geschlossen ist, und schließt, was offen ist. Daraus wurde in späteren Zeiten die Göttin der Türangeln und des Schutzes gegen Vampire, das wiederum sei der Grund, warum man noch heute die Göttin Carna „an allen gotischen Kathedralen abgebildet finden“, betont Vahl. Tatsächlich war Carnas wichtigste Aufgabe aber wohl die Schutzmacht über Magen und Darm, ihr Fest am 1. Juni ist denn auch markiert von guten Dingen für das Wohlbefinden der Eingeweide: Bohnenpürree mit Speck galten als gut für die Verdauung, und Bohnen wurden im alten Rom ab Anfang Juni geerntet.
„Die letzten Oliven in Rom wurden im März geerntet, dann gewässert, und standen ab Juni zur Verfügung“, weiß Vahl weiter zu berichten, Schafskäse galt als Grundnahrungsmittel, und auch der Wein hatte eine jahreszeitliche Komponente: „Der alte Wein musste geleert werden, damit Platz für den neuen Wein war“, dessen Ernte bevorstand – ein Fest war die beste Form, Keller zu leeren und im Überfluss zu schwelgen.
Geht es nach der IRM und der „Unsichtbaren Römergarde“, soll das Fest der Göttin Carna im modernen Mainz wieder zur Tradition werden, der Ort seiner ersten Austragung bewusst gewählt: Das „Bistro 23“ in der Adam-Karillon-Straße. Genau hier fand 1984 in der Baugrube des vom Architekten CJ Pfeiffer errichteten Hauses ein RAMA-Schüler eine Römische Münze, die auf der Vorderseite die Göttin Fortuna, hinten aber Postumus zeigt, den Soldatenkaiser, der im Jahre 269 von seinen eigenen Soldaten in Mainz ermordet wurde.
Ein altes Sprichwort besagt schließlich: „Wenn Du in Mainz eine Grube gräbst, fällt immer ein Römer heraus“, und so fragte Pater Krawietz, früherer Mainzer Kulturdezernent der CDU denn auch pointiert: „Stören die Römer in Mainz?“ Krawietz, der auf dem Fest der Carna zum Ehrensenator der „Unsichtbaren Römergarde“ ernannt wurde, gab auch gleich die Antwort: „Aber Hallo, so was von Stören – ja doch!“
Der Römische Aquädukt in Zahlbach, das Ehrengrabmal für Feldherrn Drusus auf der Zitadelle, das Römische Bühnentheater am Südbahnhof: Die Römer bauten einfach mal auf, „ohne Genehmigung beim städtischen Bauamt und Grünamt – eine Unverfrorenheit“, lästerte Krawietz ungeniert. Nun habe man in Mainz „daran zu Knabbern: was soll mit den Resten geschehen?“ Und irgendetwas halte die Stadtzuständigen „qualvoll davon ab, ihren Willen zu formulieren, kund zu tun und endlich zur Tat zu schreiten“, kritisierte der frühere Dezernent: „Man hat Angst vor Entscheidungen, davor, ausgelacht zu werden – lieber nicht regieren, als falsch regieren.“
https://mainzund.de/40-jahre-fund-der-mainzer-roemerschiffe-unsichtbare-roemergarde-kritisiert-fundort-am-hilton-als-nicht-erlebbar-genug/Auch an den monatelangen Baustopp durch den Fund der Römerschiffe erinnerte Krawietz, an das Isisheiligtum, das beim Bau der Römerpassage gefunden wurde – und so sehr störte, dass „vernunftgeleitete Amtsträger“ gegen seinen Erhalt argumentierten, wie Krawietz in Erinnerung rief, und mahnte: „Enthusiastische Privatleute halten derweil die römische Fahne in den Wind.“ Und genau diese enthusiastischen Privatleute werden dafür am heutigen Mittwoch geehrt: Die Initiative Römisches Mainz erhält den Mainzer Tourismuspreis 2022 – Grußwort und Scheck überbringt Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). Den Festvortrag hält Krawietz – mit der Frage: „Stören die Römer in Mainz?“
Info& auf Mainz&: Mehr zur Initiative Römisches Mainz findet Ihr hier im Internet, mehr zum Thema vergessener Fundort der Mainzer Römerschiffe könnt Ihr noch einmal hier nachlesen: