Er war fraglos einer der ganz Großen in der Kabarettszene der Bundesrepublik, eine Legende sogar – in Mainz erst Recht: Hanns Dieter Hüsch. Im Mai 2025 wäre der legendäre Kabarettist vom Niederrhein 100 Jahre alt geworden, das nimmt nun der Buchautor und Persönlichkeitstrainer Malte Leyhausen zum Anlass für ein besonderes Projekt: Unter dem Titel „Und er bewegt mich noch!“ sammelt Leyhausen derzeit persönliche Erinnerungen an Hüsch, denn er sagt: Hanns Dieter Hüsch droht in Vergessenheit zu geraten. Und er bittet: Schreibt auf, was Ihr mit Hüsch verbindet und schickt es ihm!
Er war der Meister der feinsinnigen Beobachtung, der Eulenspiegel des Alltags, der Mann, der mit scheinbar endlosen Satzgebilden die Realität der Menschen sezierte, aufdröselte und schließlich ihre Absurdität entlarvte. Geboren wurde Hanns Dieter Hüsch am 6. Mai 1925 in Moers am Niederrhein, eine Missbildung seiner Füße bewahrte ihn vor dem Wehrdienst im Nationalsozialismus. Nach dem Krieg kam Hüsch nach Mainz, studierte hier Theaterwissenschaften, Literaturgeschichte und Philosophie – doch vor allem begann er zu schreiben.
Sein Weg führte ihn schnell ins Kabarett: Hüsch „beteiligte sich am Mainzer Studenten-Kabarett „Die Tol(l)eranten“ und trat bereits 1949 als Chansonnier mit seinem ersten Soloprogramm „Das literarische Klavier“ auf“, wie es bei Wikipedia heißt: !Bis zu seiner letzten Tour im Jahr 2000 folgten diesem Programm mehr als 70 weitere.“ Was Wikipedia nicht vermerkt: Hüsch hatte selbst Ende der 50er Jahre mit der „arche-nova“ das erste politische Kabarett in Mainz gegründet.
Hüschs Glocke läutet bis heute im Mainzer Unterhaus
Der „Arche“ war nur eine kurze Fahrt beschieden, vom Schiffbruch übrig blieb indes eine Glocke an einem Ständer, ein Geschenk der Stadt Mainz zur „Arche“-Gründung. 1971 vermachte sie Hüsch seinen legitimen Nachfolgern – den Gründern des Kabarett–Theaters Unterhaus, das fortan zum Mekka von Kabarett und Kleinkunst werden sollte. Fortan rief die Unterhaus-Glocke vor jeder Vorstellung die Besucher auf ihre Plätze – und Hüsch selbst wurde hier Stammgast mit seinen Bühnenprogrammen.
Sein Markenzeichen: Ein einfaches Pult, ein Mikrofon oder auch eine Mini-Orgel, darauf handgeschriebene Notizseiten – und ein etwas kahlköpfiger Mann mit Brille und Bart, der beinahe ununterbrochen redete. Seine Texte: feine, poetische Beobachtungen des menschlich-allzumenschlichen Alltags. Den „poetischsten aller Kabarettisten“ nannte ihn einem der spätere Bundespräsident Johannes Rau (SPD). „Es gibt Sätze bei Hüsch, die sind von einer poetischen Kraft und zugleich von einer Konkretheit, dass sich ein Vergleich mit Tucholsky aufdrängt“, schrieb einmal der Publizist Henryk M. Broder, das war bereits im Jahr 1978.
Tatsächlich gehörten Tucholsky, aber auch Bert Brecht und Thomas Bernhard zu den Lieblingsautoren Hüschs, wie er selbst in seinem „Psychogramm“ verriet. „Gedichte lernen“ und „Klavierstunden“ vermerkt dieses Psychogramm, eine Ehe und eine Tochter und sieben Katzen. Es war dieser Blick ins scheinbar Banale, dieser liebevolle und doch so hintergründige Laserblick in die menschlichen Seelen, Eitelkeiten und Abgründe, die Hüsch beherrschte wie kein Zweiter. „Die einen spielen Tennis, die anderen spielen Aufklärung“, sagte er einmal in einem seiner Programme – zu finden hier auf Youtube:“Die polyphonische Krankheit“.
„Hüsch droht in Vergessenheit zu geraten“: Erinnerungsbuch
„Alles, was wir machen, machen wir uns vor, und alles, was wir uns vormachen, vom Kartoffelschälen bis zur Kunst, alles, was wir uns vormachen, ist wichtig, wir könnten sonst nicht leben“, lautete so ein typischer Hüsch-Satz – vielleicht war der Mann vom Niederrhein ja darin auch ein wenig inspiriert von der Mainzer Fastnacht mit ihrem „aufs Maul schauen“ und „den Spiegel vorhalten.“ Seine Wortkunst hingegen war unnachahmlich und wohl einmalig – heute, in der Zeit der durchflirrenden Bilder, Reels in sozialen Netzwerken, dem flüchtigen Dahinwischen wirkte er womöglich ein wenig aus der Zeit gefallen. Hüsch starb 2005 im Alter von 80 Jahren.
„Hanns, Dieter Hüsch, der große Kabarettist droht vollständig in Vergessenheit zu geraten“, befürchtet jedenfalls der Buchautor und Persönlichkeitscoach Malte Leyhausen – und hat deshalb nun ein ungewöhnliches Projekt ins Leben gerufen: Zum 100. Geburtstag von Hüsch soll ein Erinnerungsbuch erscheinen, angefüllt mit persönlichen Reminiszenzen von Fans, Freunden und Beobachtern. „Wer ihn noch kennt und schätzt ist eingeladen, seine Verbindung zu ihm aufzuschreiben“, sagt Leyhausen – und wandte sich mit seiner Bitte an Mainz&.
Schließlich lebte Hüsch bis 1988, nach dem Tod seiner ersten Frau in Mainz, das Unterhaus läutet bis heute seine Glocke. Leyhausen war selbst eine Zeitlang Profi-Kabarettist und lebt heute als Systemischer Therapeut und Berater sowie Betreuer in der Jugendhilfe an der Hessischen Bergstraße. Bis zum 21. Dezember könnt Ihr Eure Beobachtungen und Erinnerungen an Hüsch an ihn schicken. „Das kann ein einziger Berührungspunkt mit seiner Kunst sein oder eine Sammlung von Begebenheiten wie ein Kabarettbesuch, eine Radiosendung, ein Buch oder ein Fernsehauftritt“, sagt Leyhausen: „Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.“
Die Texte können kostenlos über die Plattform von story.one eingereicht werden, dort findet sich auch ein Beispielkapitel von Leyhausen, die seine Geschichte mit Hüsch erzählt. Der Beitrag sollte nicht länger als eine DIN A4-Seite sein mit maximal 3105 Zeichen inklusive Leerzeichen. Wahrscheinlich werde nicht jeder eingereichte Text in das Buch aufgenommen werden können, sagt Leyhausen, verspricht aber zu jeder Einsendung eine Rückmeldung. Der Erlös des Bandes geht an den Freundeskreis Hanns Dieter Hüsch e.V., der die Erinnerung an den großen Kabarettisten wachhält.
Info& auf Mainz&: Wer eine Erinnerung an Hanns Dieter Hüsch teilen will, kann dies entweder auf dieser Internetseite tun, oder auch per Email an info@malte-leyhausen.de. Der Einsendeschluss ist leider schon der 21. Dezember 2024 – aber vielleicht verschiebt Leyhausen den ja noch einmal… Den Hüsch-Auftritt „Die polyphone Krankheit“, aus dem wir hier zitiert haben, findet Ihr hier auf Youtube. Unseren Rückblick auf 50 Jahre Unterhaus samt Hüsch-Reminiszenz könnt Ihr noch einmal hier auf Mainz& nachlesen.
Zum Lachen in den Keller – Mainzer Unterhaus wird 50 Jahre alt