Seit Anfang des Jahres demonstrieren Schüler aus ganz Mainz bei den Fridays for Future-Protesten für deutlich mehr Klimaschutz und einen Bewusstseinswandel in Sachen Umweltschutz. Nun hat die Schule wieder begonnen, die AGs laufen wieder an – und es stellt sich die Frage: Was können Schulen eigentlich für mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz tun? Die Antwort lautet: Viel. „Wir brauchen einen Nachhaltigkeits-Mainstream“, forderte Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) im Juni dieses Jahres, „es muss zur Regel werden nachhaltig zu denken.“ Am Mainzer Schlossgymnasium tun sie das schon lange: Recycling und Nachhaltigkeitscoaches, Umweltwettbewerbe – und seit Kurzem eine Pfandsammelbox für Plastikflaschen und Dosen. Ins Leben gerufen hat sie eine Schülerin: Ellie Vogl musste ihr Projekt gegen erhebliche Widerstände durchboxen. Mainz& hat sie vor den Ferien kennengelernt.

Die Mainzer Schülerin Ellie Vogl mit der von ihr entworfenen Pfandsammeltonne. - Foto: gik
Die Mainzer Schülerin Ellie Vogl mit der von ihr entworfenen Pfandsammeltonne. – Foto: gik

Ellie Vogl kommt gerade vom Main, doch die 17-Jährige war nicht etwa Baden: Bei fast 40 Grad fischten sie und ihre Schulkameraden Plastik aus dem Wasser und sammelten Mikroplastik in Netzen und Wasserproben. „Plastikpiraten“ heißt das Projekt des Bundesforschungsministerium, bei dem Schulklassen und Jugendgruppen die Verschmutzung der Flüsse bundesweit mit Plastikmüll erforschen helfen. „An unserem Schlossgymnasium gab es schon vor den Fridays for Future-Protesten viele Umweltaktionen“, sagt Vogl: Klassenwettbewerbe zum Umweltschutz, Papierdienst, Stofftaschen-Tausch.

Ellie Vogl geht in die 11. Klasse – inzwischen ist sie in der 12. – und sagt: Die Fridays for Future-Proteste brächten das Problem einfach auf den Punkt. „Es geht um unsere Zukunft, wir können doch nicht lernen für eine kaputte Welt“, sagt die 17-Jährige und kritisiert: „Die Generation meiner Eltern hätte viel mehr machen können, es war schon längst Zeit dafür.“ Sie bekomme ja jetzt schon viele Klimaveränderung mit, sagt Vogl. Die junge Mainzerin hat Verwandte in Indien, dort habe es dieses Jahr bereits eine Hitzewelle mit 50 Grad gegeben, die Monsunzeit verspätete sich. „Das führt zu Dürreperioden“, berichtet Vogl, „viele Leute sterben an der Hitze.“ Bei Besuchen dort im Norden des Landes habe sie die Umweltverschmutzung gesehen, „den ganzen Müll“, sagt sie.

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Am Mainzer Schlossgymnasium kümmern sie sich schon lange um mehr Umweltschutz, Sozialkundelehrer Daniel Kreußer ist Leiter der Umwelt-AG und zudem Berater für BNE-Schulen in Rheinland-Pfalz. BNE steht für „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“, die Schulen gibt es in Deutschland schon seit den 1990er Jahren. Das Programm hat zum Ziel, Verständnis für nachhaltige Entwicklungen an Schulen wecken. Es geht um Umweltschutz und Ressourcenschonung sowie um Verhaltensänderungen in Konsum- und Lebensgewohnheiten. Bei den Schülern soll Verständnis für Zusammenhänge zwischen Umweltschutz, Wirtschaftswachstum und sozialer Gerechtigkeit geweckt werden.

Mainzer Schüler bei der Fridays for Future-Demonstration im Februar 2019. - Foto: gik
Mainzer Schüler bei der Fridays for Future-Demonstration im Februar 2019. – Foto: gik

Seit Jahren mache das Schlossgymnasium bereits an Wettbewerben wie „Cash und Klick“ zum Einsparen von Energie und Wasser mit, regelmäßig gewinne man dabei so um die 1.500 Euro Preisgeld, erzählt Kreußer. Das Geld investiert die Schule wieder in andere Nachhaltigkeitsprojekte, so wie den Stofftaschen-Tausch: 250 selbst gestaltete Stofftaschen produzierten sie und verteilten die in der Mainzer Fußgängerzonen an Passanten. Die Fairtrade-Stofftaschen gab es allerdings nur im Tausch gegen eine Plastiktüte: „Wir haben Passanten angesprochen, wenn sie eine Plastiktüte in der Hand hatten und sie gefragt, ob sie wissen, dass das die Umwelt schädigt“, berichtet Ellie Vogl.

Reinigungskräfte schütten getrennten Müll wieder zusammen

Auch in den Schulklassen selbst wird auf Nachhaltigkeit und Umwelt geachtet: „Wir achten auf die Heizung, ob die Fenster zu sind, wir machen Mülltrennung“, berichtet Vogl. Der Haken dabei: „Die Reinigungskräfte schütten den Müll beim Aufräumen dann wieder zusammen“, berichtet Kreußer: „Das ist ein systemischer Fehler.“ Grund sei der enorme Zeitdruck, den die Reinigungskräfte hätten, da bliebe für Sachen wie Mülltrennung keine Zeit. „Die Stadt Mainz müsste solche Dinge in den Ausschreibungen für die Reinigungsdienste berücksichtigen“, fordert Kreußer.

Ellie Vogl und Lehrer Daniel Kreußer sorgen sich um Umweltschutz und Nachhaltigkeit am Mainzer Schlossgymnasium. - Foto: gik
Ellie Vogl und Lehrer Daniel Kreußer sorgen sich um Umweltschutz uind Nachhaltigkeit am Mainzer Schlossgymnasium. – Foto: gik

„Wir haben das im Biokurs so geregelt, dass eine Person nach der Stunde den Papiermüll mit runternimmt und ihn direkt entsorgt“, sagt Vogl, „die Schüler können da auch mehr tun.“ Eine Sache ging der Gymnasiastin besonders gegen den Strich: Die Flut der Aludosen und Einwegplastikflaschen. „Wir haben leider um die Schule herum ganz viele Möglichkeiten einzukaufen“, sagt Vogl. Ihre Mitschüler gingen täglich in den Supermarkt um die Ecke, kauften Dosen oder Plastikflaschen und schmissen sie einfach in den Müll. „Ich fand es erschreckend, dass es so viel Einweg gibt“, sagt Vogl – die Schülerin schaute sich um.

Pfandbox gegen die Flut von Plastikflaschen

An einer Nachbarschule sah sie Pfandboxen zur Sammlung von Plastikflaschen, Vogl wunderte sich, dass es so etwas an ihrer Schule nicht gab. Sie startete eine Initiative, sprach den Kunstlehrer an – im Kunstunterricht gestalten sie zwei große Pfandsammelboxen in Form einer Aludose und einer Flasche. „Wir wollten nicht einfach einen Karton hinstellen, sondern sie auffällig machen und ansprechend“, sagt Vogl.

Kampf gegen die Müllberge, die der Erde aus dem Rachen quellen - hier beim Mainzer Motivwagen 2019. - Foto: gik
Auch Schulen können beim Kampf gegen die Müllberge mithelfen, die der Erde aus dem Rachen quellen – hier beim Mainzer Motivwagen 2019. – Foto: gik

In die Boxen darf nun alles rein, was ein Behälter ist, Einwegflaschen entsorgt Vogl selbst, die Pfandflaschen werden im Supermarkt abgegeben. Das Geld spendet sie an den Naturschutzbund: „Wir sind Meerespaten bei Projekten zum Schutz von Robben, Möwen und Küstentieren“, berichtet sie. Die ganze Aktion organisierte sie selbst, schrieb an den Nabu, legte Prospekte zur Information aus, stellte das Projekt auf Schülerversammlungen vor.

Als nächstes Steuer für Müll beim Schulprojekttag

In der Umsetzung erlebte Vogl dann die Tücken der Bürokratie: Der Hausmeister war nicht begeistert von den neuen Sammelboxen. „Es ist frustrierend, wenn man hin und her geschickt wird, es werden einem richtig Steine in den Weg gelegt“, berichtet sie, es hagelte Verordnungen und ein Wirrwarr von Zuständigkeiten. „Ich habe daraus gelernt, dass Verantwortung immer abgegeben werden kann – und dann ändert sich nichts“, sagt Vogl trocken. Doch die 17-Jährige wollte das Projekt unbedingt und kämpfte sich durch – „am Ende musste ich die Direktorin überzeugen, die Verantwortung dafür zu übernehmen“, sagt sie.

Aktion gegen Elterntaxi und für einen eigenständigen Schulweg. - Foto: gik
Schon der Schulweg kann nachhaltig und umweltfreundlicher werden: Das Elterntaxi ist alles andere als ökologisch, Radfahren zudem viel gesünder. – Foto: gik

Die Sammelboxen stehen, das System funktioniert – und die Schule überlegt nun, beim nächsten Aktionstag „Staat in der Schule“ eine Steuer für Müll zu erheben. „Ich glaube, viele Schüler sind aufmerksamer geworden“, sagt Vogl: „Es tut sich auf jeden Fall was.“ Den Schülern werden immer bewusster, dass es Zeit sei zu handeln, „und ich glaube, das kommt auch bei den Eltern und den Politikern an“, sagt sie. Wenn man eine Idee habe, sagt sie noch, „dann kann man auch etwas umsetzen.“ Sie selbst ertappe sich jetzt immer öfter dabei, an ihre Freunde zu appellieren: „Heb‘ mal deinen Müll auf!“

Überhaupt belässt es die Fridays for Future-Bewegung beileibe nicht beim Streiken. Mitte Juni fand ein Runder Tisch im Mainzer Bildungsministerium statt, Ministerin Hubig traf sich dabei mit Vertretern der Fridays for Future-Bewegung aus Rheinland-Pfalz zum Brainstorming. Danach zeigte sich die Ministerin beeindruckt: Einen ganzen Katalog von Maßnahmen hatten die Jugendlichen bereits im Vorfeld ausgearbeitet und mitgebracht. „Die Frage, wie leben wir in zehn Jahren, ist eine so wichtige Frage, das nehmen wir sehr ernst“, sagte Hubig: „Wir wollten sehen, was können wir im Land eigentlich machen.“

Das können Schulen für mehr Nachhaltigkeit tun

Und das ist eine ganze Menge. Da ist zum einen der Schulweg: Mehr Fahrrad fahren und weniger Elterntaxi lautet eine Empfehlung für mehr Umweltbewusstsein auf dem Weg zur Schule, dafür brauche es aber auch bessere Bedingungen für Radwege, räumte Hubig ein. Auch kleine Schüler müssten schon das Fahren mit dem ÖPNV lernen, eine Mitnahmebank als Mitfahrer Richtung Schule sei eine weitere Idee. „Wir brauchen auch die Erwachsenen als Vorbilder, die Lehrer müssen fit sein“, betonte Hubig.

Waffel mit Einwegbesteck und auf Pappunterlage - nachhaltig ist das nicht. - Foto: - Treimann via Wikipedia
Beim Schulfest auf Einwegbesteck verzichten, auch das ist ein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit. – Foto: Treimann via Wikipedia

Die Klassen könnten zudem einen Energie- oder Nachhaltigkeitscoach ernennen, der dafür sorgt, dass Licht und Heizung aus sind und dass richtig gelüftet wird, so eine weitere Idee. Led-Leuchten mit Bewegungsmeldern können Energie sparen, die Klassen Kisten für Elektroschrott aufstellen. Auch die Mülltrennung müsse selbstverständlich sein – Hubig räumte aber auch ein, der Müll dürfe anschließend nicht wieder zusammengekippt werden. Auch gelte es, Hausmeister in energetischem Bewusstsein zu schulen, am Schulkiosk könnte Mehrweggeschirr eingesetzt und Fair Trade-Produkte verkauft werden.

Mitgebrachtes Essen könne umweltgerecht verpackt mitgebracht werden, in Mensen regionales und saisonales Essen angeboten werden, im Idealfall sogar biologisches Essen. Elterninformationen ließen sich digital verschicken, das spare Papier, empfahl die Ministerin zudem. Und Schulen könnten auch Empfehlungen für Schulmaterialien aussprechen: keine Plastikhefter, keine Umschläge aus Plastik, Buntstifte statt Plastikstifte.

Schüler wollen ökologische Themen im Unterricht

Popup-Garten auf dem Hessentag in Rüsselsheim. - Foto: gik
Auch und gerade in Städten sind Schulgärten zunehmend beliebt – es kann ja auch mal ein Popup-Garten sein, wie hier auf dem Hessentag in Rüsselsheim. – Foto: gik

Mehr fächerübergreifende Lerninhalte wünschten sich die Schüler selbst, Themen wie die Rodung von Wäldern oder des ökologischen Fußabdrucks sollten thematisiert werden. Seminare oder Expertengespräche könnten Informationen von außen hereinbringen, der Dreckwegtag am Wandertag Bewusstsein für Müll in der Umwelt schaffen.

Ein Konzept, das stark im Kommen ist, ist der Schulgarten: Hier kann auch für Stadtkinder Verständnis geschaffen werden für Natur, die Produktion von Lebensmitteln und nachhaltigem Leben. In Biologie oder Geografie raus in die Natur gehen, wünschten sich die Schüler zudem: Oft führten Schulwandertage ins Museum oder es werde ein Film, angesehen, aber warum werde nicht einfach raus in die Natur gegangen? In Rheinland-Pfalz gibt es dafür rund 70 außerschulischer Lernorte – von Forstämtern und Umweltschulen bis hin zum Geopark in Gerolstein und zur Zooschule Neuwied.

Info& auf Mainz&: Informationen zu den BNE-Schulen für mehr Nachhaltigkeit findet Ihr hier im Internet. Rechtzeitig zum neuen Schuljahr ist auch das UmweltBildungsZentrum des Mainzer Entsorgungsbetriebs gestartet: In der Wormser Straße in Mainz-Weisenau gibt es einen Müllfreidhof und zwei Erlebniswelten zum Thema Energiequellen und Klimawandel, die interaktiven Welten sollen Schülern die Themen Müll und Recycling näher bringen. Informationen dazu hier beim Entsorgungsbetrieb Mainz.

 

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