Heute feiert der Landtag Rheinland-Pfalz Geburtstag: Vor genau 75 Jahren, am 18. Mai 1947, wählten die Rheinland-Pfälzer zum ersten Mal ein Landesparlament, seither gingen hier 828 Abgeordnete ein und aus, wurden 2.037 Gesetze verabschiedet – und Haushalte mit einem Finanzvolumen von 721.825.946.453 Euro beschlossen. Zum Jubiläum ist der Landtag tief in sein Archiv gestiegen – und hat allerlei amüsante Anekdoten, Kuriositäten und spannende Fakten zusammengetragen: „Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit“ heißt die unterhaltsame Broschüre – sie berichtet auch, wer Weinköniginnen küsste, und wem nachgesagt wurde, sie zu beißen.

Das alte Plenarrund im Landtag Rheinland-Pfalz vor dem Umbau. - Foto via Wikipedia
Das alte Plenarrund im Landtag Rheinland-Pfalz vor dem Umbau. – Foto via Wikipedia

Wusstet Ihr, dass sich der rheinland-pfälzische Landtag in seiner 1. Wahlperiode mit der Wiederbelebung der Marmeladenherstellung beschäftigte? Dass die längste Plenarsitzung mehr als 20 Stunden dauerte, und dass alle Plenarsitzung seit der Gründung zusammengenommen sich auf 384 Tage summieren? Der Landtag ist das Herz der Demokratie, im Plenarrund wird über die Ausrichtung des Landes gestritten, wird gefeiert, gewählt – und es werden grundlegende Entscheidungen getroffen.

An diesem Mittwoch feiert der Landtag Rheinland-Pfalz seinen 75. Geburtstag, denn genau heute vor 75 Jahren – am 18. Mai 1947 – wählten die Rheinland-Pfälzer ihren ersten Landtag. Und sie nahmen die Verfassung des Landes an, damit war das Bundesland Rheinland-Pfalz offiziell gegründet. Und die Herzkammer der demokratischen Auseinandersetzung, das sind nun einmal die Plenarsitzungen .- und in denen geht es auch schon einmal kurios zu:

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„Die Mitternacht zieht näher schon, (Heiterkeit im Hause) doch hier dröhnt noch das
Mikrofon; denn hier im alten Deutschhausschloss, da ist noch immer etwas los. Hier oben in dem Plenumsaal, da reden sie noch allzumal. (Zuruf von der CDU) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesen Versen, frei nach Heinrich Heine, wollte ich versuchen, nach fast 13stündiger Debatte Ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.“ So steht es im Plenarprotokoll des Landtags aus der 11. Sitzungsperiode – es sprach der Abgeordnete Willi Schmidt (SPD), ein Jahr vermerkt der Landtag bei seinem Zitat leider nicht.

Das Deutschhaus in Mainz ist der Sitz des Landtags Rheinland-Pfalz, hier bei der Einweihung nach der Renovierung. - Foto: gik
Das Deutschhaus in Mainz ist der Sitz des Landtags Rheinland-Pfalz, hier bei der Einweihung nach der Renovierung. – Foto: gik

Tatsache ist: Im Mainzer Landtag sitzen heute 101 Abgeordnete, in der 75-jährigen Geschichte des Hauses waren es insgesamt 828 Abgeordnete – davon 341 von der CDU, 317 von der SPD, 99 von der FDP, 39 von den Grünen, 16 der AfD und 6 der Freien Wähler, die vor einem Jahr erstmals in den Landtag einzogen. In dem ehrwürdigen Haus saßen aber auch schon 10 Abgeordnete der KPD 5 von der NPD und ein Vertreter der DRP. Männer sind dabei weit in der Mehrheit: weibliche Abgeordnete zählte die Geschichte bisher 149.

Bildete man einen durchschnittlichen Abgeordneten aus allen Vertretern der 75 Jahre, so wäre „Max Mustermann“ männlich (82 %), katholisch, etwa 49 Jahre alt, besäße ein Abitur (53 %) und übte einen Dienstleistungsberuf aus. Er ist Mitglied der CDU-Fraktion (45 %) und bleibt im Durchschnitt rund neun Jahre Abgeordneter. Auch der am längsten amtierende Landtagsabgeordnete war ein CDU-Mann: Paul Wingendorf war vom 18. Mai 1951 bis zum 31. Mai 1986 Mitglied des Landtags, also stolze 35 Jahre.

 

Bis zum Jahr 1979 konnte man übrigens erst ab 25 Jahren für den Landtag gewählt werden, erst seit 1979 gilt die Altersgrenze ab 18. Jahren. Bis 1987 gaben die Wähler bei der Landtagswahl übrigens nur eine Stimme ab, erst seit 1991 sind es zwei Stimmen. Und die heute so beliebte Briefwahl gibt es immerhin schon seit 1959. In der ganzen Geschichte des Landtags gab es übrigens nur drei Abgeordnete, außerhalb von Europa geboren wurden: Der heutige Justizminister Herbert Mertin (FDP) wurde am 29. April 1958 in
Temuco, Chile geboren. Der frühere Landtagsabgeordnete Rahim Schmidt von den Grünen wurde am 1. Februar 1959 in Mianeh im Iran geboren, und der frühere SPD-Abgeordnete Paulus Skopp kam am 22. Mai 1905 in Chicago/Illinois, USA, zur Welt.

Malu Dreyer (SPD) direkt nach ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin 2016. - Foto: gik
Malu Dreyer (SPD) direkt nach ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin 2016. – Foto: gik

Die vornehmste Aufgabe des Parlaments ist die Wahl des Ministerpräsidenten oder der Ministerpräsidentin – dieser Vorgang fand genau 24 Mal bisher im rheinland-pfälzischen Landtag statt. Der erste Ministerpräsident war nicht etwa der langjährige Regierungschef Peter Altmaier (CDU) – sondern Wilhelm Boden (CDU), der nur kurz im Jahr 1947 amtierte. Danach regierte Altmeier von 1947 bis 1969), ihm folgte Helmut Kohl (CDU, 1969 – 1976), der spätere Bundeskanzler.

Überhaupt verhieß das Regierungsamt in Mainz weitere Aufstiegschancen zu anderen Weihen: Bernhard Vogel (CDU) wurde nach seiner Amtszeit als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz (1976 – 1988) noch Ministerpräsident in Thüringen, Rudolf Scharping (SPD 1991–1994) immerhin Kanzlerkandidat und Verteidigungsminister. Glücklos blieb allerdings Carl-Ludwig Wagner (CDU, 1988 – 1991), der nach dem Sturz von Bernhard Vogel nur drei Jahre im Amt blieb. Scharpings Nachfolger Kurt Beck (SPD) hingegen regierte stolze 19 Jahre das Land, von 1994 – 2013 – mit Malu Dreyer (SPD) wurde die erste Frau Ministerpräsidentin.

 

98 Regierungserklärungen gaben die Regierungschefs insgesamt im Parlament ab, hier wurden 2.037 Gesetze verabschiedet – und Haushalte mit einem Finanzvolumen von 721.825.946.453 Euro beschlossen. In der parlamentarischen Arbeit fanden außerdem 9.793 Ausschuss-Sitzungen statt, wurden 81.019 Drucksachen veröffentlicht und 142.202 Petitionen eingereicht. Und: Es gab bislang 31 Untersuchungsausschüsse.

Der Landtag Rheinland-Pfalz bei seiner konstituierenden Sitzung am 18.05.2016 in der Steinhalle des Landesmuseums in Mainz. - Foto: Landtag RLP
Der Landtag Rheinland-Pfalz bei seiner konstituierenden Sitzung am 18.05.2016 in der Steinhalle des Landesmuseums in Mainz. – Foto: Landtag RLP

Insgesamt kam das Landesparlament auf 1.587 Sitzungstage, damit dauerten alle Plenarsitzungen zusammengenommen rund 384 Tage, also länger als ein Jahr. Die kürzeste Plenarsitzungen dauerte übrigens ganze zwei Minuten, das war am 12. September 1960 und am 19. Mai 1964 – den Grund vermerkte die Landtagsverwaltung in ihrer Broschüre nicht. Die längste Sitzung dauerte 20 Stunden und 51 Minuten, das war am 12. Dezember 1985: Die Eröffnung der Sitzung fand um Mitternacht statt, das Ende der Sitzung wurde mit 20.51 Uhr vermerkt, Pausen inklusive.

Oft geht es im Plenarrund alles andere alt unterhaltsam oder spannend zu, doch legendäre Aussprüche gibt es auch so einige: „Herr Minister Brüderle hat alle Weinköniginnen
geküsst. Herr Minister Bauckhage beißt die Winzer“, sagte einst der legendäre Eifeler CDU-Landtagsabgeordnete Michael Billen, der bereits verstorben ist. Sein Spruch galt dem damaligen Wirtschaftsminister Hans-Artur Bauckhage (FDP), dessen Vorgänger Rainer Brüderle (FDP) tatsächlich den offiziellen Weltrekord im Küssen von Weinköniginnen hält – es waren genau 1.368 Weinmajestätinnen.

Insgesamt wurden in den 75 Jahren 38.898 Kleine Anfragen an die Regierung gerichtet, sowie  1.725 Große Anfragen. Die meisten Kleinen Anfragen stellte Matthias Lammert (CDU) mit 1.484 Anfragen. Die meisten Fragen enthielt eine Große Anfrage der FDP
vom 23. Februar 2018 zur Zukunft des ländlichen Raums – die Liberalen stellten
209 Fragen. Die erste Gedenksitzung für die Opfer des Nationalsozialismus fand übrigens erst am 27. Januar 1998 statt – in der Gedenkstätte Osthofen.

Der neue Plenarsaal heute im sanierten Deutschhaus. - Foto: gik
Der neue Plenarsaal heute im sanierten Deutschhaus. – Foto: gik

Und ja, der Landtag hat sich in seiner 1. Wahlperiode tatsächlich mit der Wiederbelebung der Marmeladenherstellung beschäftigt: „Die schlechte Ernährungslage war in den ersten Nachkriegsjahren immer wieder Gegenstand der parlamentarischen Beratungen“, heißt es in der Broschüre. Deshalb habe die CDU am 7. Februar 1948 beantragt, „angesichts der Fruchtmarkreserven in den Fabriken im Land, die Marmeladenherstellung wieder in Gang zu bringen (Drucksache 1/282).“ Der Antrag wurde am 7. April 1948 einstimmig angenommen.

Info& auf Mainz&: Solche Anekdoten und viele mehr, dazu Rede-Bonmots sowie weitere spannende Zahlen und Fakten findet ihr in der Broschüre „Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit – Zahlen, Daten, Anekdoten aus 75 Jahren Parlament“ im Landtag. Die Broschüre wird an den Tagen der Offenen Tür des Landtags vom 20. bis 22. Mai 2022 verteilt und kann ab dem 18. Mai 2022 auch bereits auf der Website des Landtags unter www.landtag.rlp.de abgerufen werden. Mehr zum Tag der Offenen Tür des Landtags am Rheinland-Pfalz-Tag vom 20. bis 22. Mai findet ihr hier bei Mainz&. zur Grund-Sanierung des 300 Jahre alten Deutschhauses lest Ihr hier bei Mainz&:

Homecoming: Landtag RLP zurück im Deutschhaus – 300 Jahre altes Palais steht für “Ringen um die Demokratie”