Man könnte meinen, dass Römer und Autos herzlich wenig miteinander zu tun haben, doch vergangenen Samstag wurden die Gäste beim Fest der Göttin Carna eines besseren belehrt: Nicht nur, dass „Omnibus“ ein lateinisches Wort ist, die Römer legten mit ihren Straßen auch den Grundstein für Wohlstand und Weltherrschaft. Im „Ollohof“, wo einst eine der größten und frühesten Autovermietungen Deutschlands ihre Heimat hatte, wurde der Präsident des Mainzer Automobilclubs zum Ehrensenator der Unsichtbaren Römergarde gekürt und unter den Schutz des Weißdorns gestellt. Dessen Segen wurde auch für das Projekt Ollohof selbst erfleht – die Göttin Carna soll nun böse Geister der Stadt vertreiben.

Festmahl zu Ehren der Göttin Carna 2022. - Foto: gik
Festmahl zu Ehren der Göttin Carna 2022. – Foto: gik

Immer am 1. Juni feierten die Römer in der Antike das Fest der Göttin Carna, einer eher kleineren Gottheit in ihrem Pantheon, die aber gleichwohl wichtig war: Carna nämlich war die Schutzherrin der Gesundheit, an ihrem Fest wurden Bohnen, Oliven und Schafskäse verzehrt, die alle als gesunde Nahrungsmittel galten. Dazu wurde der Wein vom Vorjahr ausgetrunken, um Platz in den Kellern für die neue Ernte im Herbst zu schaffen – es war ein fest der Lebensfreude und Ausgelassenheit, man verkleidete sich sogar, vornehmlich in Tiergestalten.

Dass Carna vor 2.000 Jahren auch im antiken Mogontiacum verehrt wurde, darf als sicher gelten, schließlich wurde im Oktober 2020 bei Ausgrabungen im Mainzer Zollhafen die antike Statue der Göttin Salus gefunden, die ebenfalls für Wohlergehen, Sicherheit und Gesundheit verehrt wurde, oft gemeinsam mit Carna. Vor zwei Jahren rief deshalb die Initiative Römisches Mainz (IRM) das Fest der Göttin Carna erneut ins Leben – mitten in Mainz, mitten im 21. Jahrhundert.

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Dritte Carnarien im Ollohof – mit Hauch von Benzin in der Luft

Nun fanden die „Carnarien“ bereits zum dritten Mal statt, und brachten erneut ein Stück römischen Alltag in das moderne Mainz – und das dieses Mal an einem höchst ungewöhnlichen Ort: in einem Hinterhof der Boppstraße in der Mainzer Neustadt, einem Ort mit viel rustikalem Industriecharme, einem halben Dutzend Garagentoren und dem größten historischen Autoaufzug von Mainz. „Ich rieche hier noch etwas Benzinduft in der Luft“, sagte Oliver Sucher vergangenen Samstag.

Im Zeichen des Streitwagens: IRM-Vorsitzender Christian Vahl beim Fest der Göttin Carna am Samstag in Mainz. - Foto: gik
Im Zeichen des Streitwagens: IRM-Vorsitzender Christian Vahl beim Fest der Göttin Carna am Samstag in Mainz. – Foto: gik

Der Rechtsanwalt Sucher ist nicht nur ehemaliger SPD-Kommunalpolitiker, sondern heute vor allem „Präsident des größten fahrenden Museums von Rheinland-Pfalz“, wie IRM-Vorsitzender Christian Vahl betonte: Der Mainzer Automobilclub (MAC) vereint die wohl größte Oldtimer-Sammlung seiner Mitglieder im Land. Im Dezember 1926 wurde in Mainz „ein soliden, motorwirtschaftlich und motorsportlich ausgerichteter Automobilclub“ gegründet, wie es auf der Homepage heißt – mit seinen 90 Jahren Bestehen ist der MAC selbst ein Stück Mainzer Geschichte.

Den Mainzern ist der MAC heute wohl vor allem durch seine große Oldtimer-.Ausfahrt am letzten August-Wochenende bekannt, die immer auf dem Mainzer Weinmarkt endet. Nun wurde MAC-Präsident Oliver Sucher beim Fest der Carna von der „Unsichtbaren Römergarde“ zum Ehrensenator ernannt – nur: Was um der Götter willen, haben Automobile und Römer miteinander zu tun?

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Römer und Mobilität: Straßen, Wirtschaftsmacht und Omnibus

Nun, eine ganze Menge: „Die Römer kannten natürlich kein Auto, trotzdem haben sie von Mobilität profitiert“, sagte Torsten Kirchmann, Vorsitzender des Presseclubs Mainz und Pressesprecher der „Unsichtbaren Römergarde“. Denn ein herausragendes Merkmal des antiken Römischen Reiches war schlicht sein Straßennetz: Zum ersten Mal in der Geschichte wurden durch die Römer gut gepflasterte, breite Straßen gebaut, und das vom Mittelmeer bis zur Nordsee und weiter nach Großbritannien, von Gibraltar bis Ägypten.

Archäologe Andreas Puhl zeigt auf die Reste der alten Römerstraße in der Mainzer Neustadt. – Foto: gik
Archäologe Andreas Puhl zeigt auf die Reste der alten Römerstraße in der Mainzer Neustadt. – Foto: gik

Das die gesamte damalige Welt umspannende Straßennetz diente natürlich in erster Linie den militärischen Eroberungen, doch wurden die gut gebauten Straßen ebenso zur Grundlage von Handel, Völkeraustausch und Innovation. Viele der alten römischen Straßen existieren bis heute – auch in Mainz wurden 2019 bei Ausgrabungen in der Neustadt Reste einer alten römischen Handelsstraße entdeckt.

„Die Mobilität war der Schlüssel zu Wohlstand und Reichtum“, betonte Kirchmann – Reisen, Ideen austauschen und andere Orte kennenzulernen wurde zum Schlüssel für Fortschritt und Freiheit. Und es ist kein Zufall, dass der gute alte „Omnibus“ aus dem Lateinischen stammt: „Allen, für alle“ wurde zum Synonym für ein Verkehrsmittel, das alle und jeden transportiert.

MAC-Präsident Oliver Sucher und die Route 66 der Römer

„Mobilität ist immer ein Stück Freiheit, und Oliver Sucher steht genau dafür“, lobte Kirchmann den Automann. Dazu habe Sucher „stets im Hintergrund die Römische Identität von Mainz gefördert“, betonte Kirchmann: „Ohne ihn gäbe es den römischen Meilenstein hinter dem Theater nicht.“ Tatsächlich hatte der MAC vor einigen Jahren die Aufstellung des kleinen Meilensteins hinter dem Kleinen Haus des Staatstheaters samt Infostele gefördert, und damit „Route 66 des Altertums in Erinnerung gerufen“, wie IRM-Chef Christian Vahl herausstrich.

Im Zeichen des Weißdorns: MAC-Präsident Oliver Sucher wurde zum Ehrensenator ernannt und hielt seines Dankesrede aus einem römischen Streitwagen. - Foto: gik
Im Zeichen des Weißdorns: MAC-Präsident Oliver Sucher wurde zum Ehrensenator ernannt und hielt seines Dankesrede aus einem römischen Streitwagen. – Foto: gik

Sucher ist nach dem früheren Mainzer Kulturdezernenten Peter Krawietz und dem Journalisten Bernd Funke bereits der dritte Ehrensenator der Unsichtbaren Römergarde. Mit ihm werde „eine Persönlichkeit geehrt, die immer bereit war, Verantwortung für das Gemeinwohl zu übernehmen, ganz im römischen Sinne“, würdigte Vahl den Geehrten: „Er hat nie Sachen vor Menschen gestellt, ganz im Sinne von Cicero, und er hat sich selbst nie in den Vordergrund gestellt, sondern lautlos, freundlich, moderierend und vermittelnd auch im politischen Raum die Rolle eines Senators angenommen.“

Der neue Ehrensenator betonte, die Ehre sei nicht für ihn allein, sondern für den gesamten Club, der sich „zur Aufgabe gemacht hat, in die Stadt hinein zu wirken.“ Mainz habe dem römischen Erbe „viel zu verdanken, nämlich, dass es Mainz überhaupt gibt“, sagte Sucher: „Mainz steht auf den Fundamenten dieses römischen Erbes.“ Und dann wurde der neue Ehrensenator von den anwesenden römischen Soldaten mit frischem Weißdorn gesegnet, denn diese Pflanze sei der Göttin Carna besonders heilig gewesen, wusste Vahl zu berichten.

Die segnende Kraft des Weißdorns – auch für den Ollohof

Der Weißdorn nämlich rege Kreislauf und Blutdruck an, „schon im antiken Rom wusste man von seiner heilenden Wirkung“, berichtete der Herzchirurg Vahl. Bei dem Segnungsritual werde über der Person, die geschützt werden solle, drei Mal der Weißdorn geschwungen – und diese Ehre wurde am Samstag nicht nur Sucher zuteil: Auch der Ollohof selbst wurde gesegnet – aus guten Gründen. Hier wurde Ende des 19. Jahrhunderts eine der ersten Autovermietungen Deutschlands gegründet, die um 1915 eine der größten ihrer Art in ganz Deutschland war.

Der Ollohof in der Mainzer Neustadt war einst die älteste Autovermietung von Mainz und eine der größten ihrer Art in Deutschland. - Foto: gik
Der Ollohof in der Mainzer Neustadt war einst die älteste Autovermietung von Mainz und eine der größten ihrer Art in Deutschland. – Foto: gik

„Dieses Gebäude war schon einmal wegweisend – und könnte es auch wieder sein“, sagte Martin Henatsch, Rektor der Kunsthochschule Mainz. Denn Henatsch hegt seit Jahren eine Idee, die das sei  30 Jahren leer stehende Areal wiederbeleben soll: Die ehemaligen schauräume der ersten Automobile zur Produktion von Kunst zu nutzen. „Seit Langem sind wir, die Hochschule, auf der Suche nach einer Dependance, um die verschiedenen Kunstklassen, die über die Stadt verstreut sind, unterzubringen“, sagte Henatsch, dessen Hochschule für bildende Künstler am Taubertsberg zuhause ist.

Vor fünf Jahren sei der große Wurf beinahe gelungen: Der Ollohof sollte zum Kunstcampus werden, die Hochschule hier einziehen. „Alle waren begeistert“, berichtete Henatsch, die Pläne waren gemacht, die Mietkosten errechnet die Freude groß – und das Land Rheinland-Pfalz gab seine Zustimmung. Mitten in „einem der vibrierendsten Viertel der Stadt hätten dringend benötigte Ateliers geschaffen und kultureller Austausch initiiert werden können“, sagte Henatsch – „und das ohne jegliche Kosten für die Stadt.“

Projekt Kunstcampus scheiterte „an der Phalanx der Stadt“ Mainz

Am Ende hätte es lediglich der Zustimmung der Stadt Mainz bedurft, den 30 Jahre alten Bebauungsplan für das Viertel zugunsten eines projektbezogenen Bebauungsplans abzuändern, betonte Henatsch – doch die Stadt unter dem damaligen Oberbürgermeister Michael Ebling und Baudezernentin Marianne Grosse (beide SPD) sagte Nein. „Auch ein Spitzengespräch mit der Stadtführung konnte daran nichts ändern“, berichtete Henatsch: „Wir sind an der nicht kompromissbereiten Phalanx der Stadt gescheitert, das war einer der schwärzesten Tage meiner Tätigkeit – was für eine verlorene Chance.“

Legionäre mit Fanfare. - Foto: gik
Legionäre mit Fanfare. – Foto: gik

Und damit war der Rektor der Kunsthochschule dann doch wieder bei den Römern angelangt: Im Jahr 50 vor Christus, 37 Jahre vor der Gründung von Mainz durch die Römer, habe es da dieses kleine gallische Dorf gegeben, in dem sich unbeugsame und schlaue Gallier, „gepaart mit einer gehörigen Portion Anarchie, den scheinbar übermächtigen Römern widersetzten – und die zeichneten sich eben „durch Humorlosigkeit, Dekadenz, Überheblichkeit, Arroganz und strenge Hierarchie aus“, wie Henatsch betonte.

„Wir wollen weder die Römer, noch die Gallier verhauen“, stellte Henatsch klar, „aber wir stehen in einem Konflikt, der sich manchmal ein wenig anfühlt wie das ungläubige Staunen der Gallier angesichts der Regeln der Römerlords.“ Denn die gallischen Kunstschaffenden stemmen sich weiter gegen Goliath Stadt: Der frühere Eigentümer des Ollohofs verkaufte das Gelände vor zwei Jahren an zwei Mainzer Architekten – und die versuchen derzeit mit aller Kraft, das Projekt Kunstcampus doch noch zu verwirklichen.

Die Gallier vom Ollohof: Nun muss Göttin Carna helfen

Die Stadt poche zwar immer noch auf den alten Bebauungsplan, der einst erlassen wurde, um das Projekt einer Tiefgarage auf dem Areal zu verwirklichen, berichtete Henatsch., Die Tiefgarage kam nie, die damit verbundenen Wohnungen auch nicht – doch der alte Bebauungsplan gilt weiter, und verhindert die Nutzung der alten Auto-Schauräume oberhalb des Erdgeschosses als Kunstateliers.

Die Gallier vom Ollohof: Die Architekten Jochen Schrauth und Axel Rentschler im Nachbau eines römischen Streitwagens. - Foto: Schrauth
Die Gallier vom Ollohof: Die Architekten Jochen Schrauth und Axel Rentschler im Nachbau eines römischen Streitwagens. – Foto: Schrauth

„Die Kunsthochschule versteht sich als aktiver Teil der Stadtgesellschaft, wir wollen eine offene Kommunikation, die ist am Taubertsberg aber eher schwierig“, betonte Henatsch. Im Ollohof wolle man den Innenhof begrünen, ein Café oder Bistro einziehen lassen, einen Ausstellungsraum für Kunst einrichten, und die Garagentore durch gläserne Fenster ersetzen – ja, sogar von einer Abfolge von Kunsthöfen analog zu den Hackeschen Höfen in Berlin träumte Henatsch.

„Wir glauben fest daran, dass sich ein solches Konzept langfähig durchsetzen muss“, betonte er – denn „eigentlich können es ja nur die bösen Geister sein, die das Projekt verhindern…“ Und so bleibe vorerst nur, das Wohlwollen der Göttin Carna zu erbitten, in deren Namen sich die Römer von bösen Geistern befreiten: „Wir laden Römer und Gallier ein zu unserer Schutzmacht“, beschwor Henatsch: „Wir hoffen, dass die Göttin Carna uns dabei hilft, diesen Konflikt zu entschärfen.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum Fest der Göttin Carna könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen, mehr zum Römischen Meilenstein hier. Infos zur Initiative Römisches Mainz gibt es hier im Internet.