Es war im Oktober 2020, als Archäologen im alten Mainzer Zollhafen auf eine Sensation stießen: Eine fast 1,50 Meter große Statue aus der antiken Römerzeit von Mainz. Die Statue aus hellem Sandstein ist zwar kopflos, aber ansonsten vorzüglich erhalten – auf den ersten Blick erinnerte sie an die „Venus von Milo“, inzwischen ist klar: Es ist eine Salus, eine Statue der antiken Heilgöttin. Und die können die Mainzer nun erstmals selbst in Augenschein nehmen: Ab dem 13. Januar wird die Statue vom Mainzer Landemuseum präsentiert.
Es war im Herbst 2020, als die Archäologen für einige Wochen ein Grundstück am Mainzer Zollhafen erforschten. Zwischen Rheinallee und der Straße „An den Grachten“ entstand ein neuer Wohnkomplex – auch vor knapp 2.000 Jahren befand sich hier ein Wohngebiet des antiken Mogontiacum. Und offenbar war der Vorort der antiken römischen Stadt zu Füßen des Legionslagers auf dem Kästrich, der sogenannte Dimesser Ort, deutlich größer und bedeutender als bisher angenommen.
Denn in der Mainzer Neustadt wurden in den vergangenen Jahren gleich mehrere Aufsehen erregende Funde gemacht: Hier wurde schon vor 100 Jahren die große Mainzer Jupitersäule gefunden, im September 2019 dann eine ganze „Via Appia“, also eine große Einfahrtsstraße nach Mainz, samt Bürgervillen mit Fußbodenheizung und Wasserbecken. Das Gebiet von der Neustadt bis zum Rheinufer war offenbar ein Viertel gut situierter Handwerker und Kaufleute, gehobenes Bürgertum sozusagen – und das galt auch für den späteren Zollhafen.
Hier wurden bereits 2018 umfangreiche Funde in Form von edlem Essgeschirr gemacht, dessen Ursprünge bis nach Südfrankreich reichen, dazu Schrifttäfelchen, ein bronzener Delphin sowie große Amphoren, eines der wichtigsten Transportbehältnisse damals. Die große Sensation aber trat im Oktober 2020 zutage: In 2000 Jahre altem Bauschutt fanden die Archäologen zwei antike römische Statuen. Der eine Fund war lediglich das Fragment einer menschlichen Figur, von der nur die nackten Füße und Teile der Beine erhalten sind.
Statue zwei aber hatte es in sich: Eine extrem gut erhaltene, 1,49 Meter hohe Frauenfigur mit leicht gedrehtem Oberkörper, bekleidet mit einem Hüftmantel mit elegantem Faltenwurf. „Die weibliche Statue ohne Kopf ist vom Typus her einer Venus sehr verwandt“, sagte die damalige Landesarchäologin Marion Witteyer im Oktober 2023 im Interview mit Mainz& – und geriet regelrecht ins Schwärmen: „Die Statue ist von so exzellenter Qualität“, sagte Witteyer, Faltenwurf, die ganze Herausarbeitung der Körperlichkeit, das habe eine Qualität von in Mainz bisher nicht gefundener Güte.
Es war aber das „Beiwerk“, das die Expertin auf die richtige Schlussfolgerung bei der Deutung der Figur brachte: Die „Venus“ steht nämlich mit einem Fuß auf einem Kalbskopf – und der stand in der römischen Antike für die Kuh als heiliges Tier. Eine Salus-Statue aus Köln zeigte dieselben Merkmale und stammt zudem aus derselben Zeit wie die Mainzer Salus. Die Göttin Salus stand in der antiken römischen Mythologie als Göttin für das Wohlergehen, für Sicherheit und Gesundheit, in der späteren Kaiserzeit wurde sie aber auch mit der Sicherheit des römischen Staates und des Kaiserhauses in Verbindung gebracht.
Salus Augusta stand auch für Wohlergehen der Provinzen
So habe die Göttin als „Salus Augusta“ große Verehrung als Göttin des staatlichen und kaiserlichen Wohlergehens erfahren, heißt es beim Online-Lexikon Wikipedia. Gerade unter Kaiser Vespasian habe es „eine erneute Renaissance“ des Salus-Kultus gegeben, heißt es weiter – Vespasian widmete sich als Kaiser stark der Neuaufstellung der römischen Legionen, baute den ersten Limes und soll auch das römische Legionslager in Mogontiacum stark ausgebaut haben – bei den Truppen genoss Vespasian große Verehrung.
Der Salus-Kult sei in dieser Zeit denn auch als Zeichen der staatlichen Wiederherstellung ausgeübt worden, heißt es bei Wikipedia – und bis in die Zeit Kaiser Hadrians im Zusammenhang mit dem Wohlergehen der Provinzen gefeiert worden. Beide Aspekte würden natürlich sehr gut zu Mogontiacum als Legionslager-Stadt und Provinzhauptstadt passen. Die Experten fanden zudem heraus, dass die Mainzer Salus aus einem weiß-rötlichen Sandstein aus dem Nahetal gefertigt wurde – der Stein sei wohl auf dem Wasserweg über Nahe und Rhein nach Mainz gelangt.
Genaueres über die Statue, den Salus-Kult und die Geschichte ihres Fundes bekommen die Mainzer nun, zwei Jahre nach dem Fund, ausführlich präsentiert: Ab dem 13. Januar 2023 kann die „Salus von Mainz“ im Landesmuseum Mainz besichtigt werden. In die Präsentation führt die Finderin persönlich ein: Am 13. Januar 2023 um 18.00 Uhr erläutert Marion Witteyer den Fund der Heilgöttin ausführlich.
Die Mainzer Salus vom Zollhafen
An der Gesprächsrunde nehmen auch die Generaldirektorin der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE), Heike Otto, die Direktorin des Landesmuseum Mainz, Birgit Heide, sowie die neue Leiterin der Landesarchäologie in Mainz, Stephanie Metz, teil. Metz war im Oktober 2022 zur Nachfolgerin der in Ruhestand gegangenen Witteyer ausgewählt worden, die gerade einmal 35 Jahre junge Archäologin arbeitete bislang bei der GDKE in Trier.
Ebenfalls dabei ist Professor Johannes Lipps vom Institut der Klassischen Archäologie der Johannes Gutenberg-Universität (JGU) Mainz – er hat die „Salus von Mainz“ nach ihrem Fund ausgiebig untersucht und erforscht. Die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Aufarbeitung präsentiert Lipps am 17. Januar 2023 um 18.00 Uhr ebenfalls im Landesmuseum Mainz in einem Hybrid-Vortrag unter dem Titel „Die Mainzer Salus vom Zollhafen“.
Lipps kann dann womöglich auch das Geheimnis der Inschrift der „Salus von Mainz“ lüften: Die Schriftzeichen im Sockel der Figur geben womöglich Aufschluss über den Stifter der Statue – so jedenfalls die Vermutung Witteyers zum Zeitpunkt des Fundes.
Info& auf Mainz&: Mehr zum Fund der „Venus von Mainz“, die eigentlich eine Salus ist, lest Ihr hier bei Mainz&. Infos zum Landesmuseum Mainz samt Öffnungszeiten und Ausstellungen findet Ihr hier im Internet.