UPDATE: Der Fall ist geklärt: Der Landesbetrieb Mobilität hat sich heute bei uns gemeldet – und die volle Verantwortung für das Foto übernommen. Tatsächlich hat der Landesbetrieb versehentlich und ohne die Absicht, jemandem schaden zu wollen, ein Foto fälschlicherweise für seine Präsentation verwendet. Der LBM übernimmt die volle Verantwortung, es sieht aus, als ließe sich die Sache einvernehmlich klären. Wir sind unendlich erleichtert und danken allen, die uns unterstützt haben!
Der Hintergrund: Mainz& wird derzeit von dubiosen Rechtsanwälten wegen der Verwendung von Fotos verklagt, die wir legal und auf offizielle Anfrage hin erhalten haben – von einer öffentlichen Stelle. Dem Landesbetrieb Mobilität nämlich. Wir hatten eine Grafik aus einer öffentlichen Präsentation des LBM vor Pressevertretern verwendet, zur Illustration eines Artikels über den Ausbau des Autobahnkreuzes Mainz-Süd. Wir hatten selbstverständlich die Quelle ordnungsgemäß angegeben: Landesbetrieb Mobilität Worms. So, wie es auf der Präsentation angegeben war. Trotzdem werden wir abgemahnt und mit Klage bedroht, die Kosten belaufen sich auf mindestens 1.500 Euro. Wir haben den Landesbetrieb Mobilität um Klärung gebeten – der Landesbetrieb hatte sich leider 12 Tage nicht gemeldet, obwohl ihm bekannt war, dass hier Fristen abzulaufen drohen. Der Vorgang bedrohte unsere komplette Arbeit bei Mainz& und die Zukunft unserer Internetzeitung. Wir denken, Ihr solltet das wissen.
Wir hatten am 29. Juni 2017 den Landesbetrieb Mobilität Worms um die Zusendung der offiziellen Presseunterlagen zu einer offiziellen Pressekonferenz zum Ausbau des Autobahnkreuz Mainz-Süd angefragt und diese erhalten. Nach Presserecht durften wir davon ausgehen, dass eine öffentliche Behörde NUR Fotos herausgibt, deren Freigabe und Urheberrecht geklärt ist. Wir haben eine offizielle Anfrage gestellt, eine offizielle Antwort bekommen und dabei eine Präsentation zugeschickt bekommen, auf der „Pressetermin“ explizit ausgewiesen ist. Dass die Fotos nicht zur Verwendung gewesen sein sollten, wurde uns nicht mitgeteilt. Damit durften wir – gerade bei einer öffentlichen Behörde – davon ausgehen, dass die zur Verfügung gestellten Informationen zur Veröffentlichung frei gegeben sind – so wird es seit Jahrzehnten zwischen Journalisten und Pressestellen gehandhabt.
Wird diese Praxis aufgekündigt, hat das schwerwiegende Folgen für die Arbeit sämtlicher journalistischer Publikationen, vor allem aber für kleine, unabhängige Zeitungen wie Mainz&. Wir dürften in Zukunft kein einziges Foto und letztendlich auch keine einzige Information mehr verwenden, die uns von dritter Seite zur Verfügung gestellt wurde, es sei denn, die Herausgeber unterzeichnen eine schriftliche (!) Erklärung, dass sie die Rechte besitzen und sämtliche Urheberrechtsfragen im Vorfeld geklärt haben. Wie praktizierbar das im täglichen Geschäft ist, kann man sich vielleicht vorstellen: gar nicht.
Und um es ganz deutlich zu sagen: So, und genau so macht man kleine, unabhängige Presse platt. Wir als kleines Medium können uns nicht dauernd kostspielige Gerichtsverfahren und Anwaltskosten leisten – wir müssten Mainz& einstellen. Das dürfte übrigens auch ein Ergebnis der neuen DSGVO sein – das Foto steht seit Juni 2017 unbeanstandet auf Mainz&, erst jetzt erreichen uns Abmahnungen dazu. Das bestätigt exakt unsere Warnungen: Die Abmahnwelle in Sachen Verwendung von Fotos durch die neue DSGVO rollt, die Leidtragenden sind genau kleine, unabhängige Publikationen wie Mainz&.
Im Übrigen sind wir kein Einzelfall: Auch Zeitungen werden derzeit mit Abmahnungen wegen angeblich unrechtmäßiger Fotos überzogen – wegen Fotos, die ihnen von Veranstalterseite extra zur Verfügung gestellt wurden. Zu Veröffentlichungszwecken. Erste Konsequenzen werden bereits in Redaktionen diskutiert, etwa: keine Fotos mehr von Veranstaltern zu verwenden. Das heißt für die: Keine Veranstaltungshinweise mehr. Keine Ankündigungsartikel mehr. Eventuell sogar: keine Berichterstattung mehr. Die DSGVO-Abmahnwelle rollt.
Vor einem halben Jahr übrigens, als die DSGVO in Brüssel beschlossen wurde, schrieben sogenannte „Experten“ dies: „Die vielbeschworene Abmahngefahr wird stark übertrieben. (…) Die Aufsichtsbehörden werden Blogger, wenn überhaupt, zunächst anhören, auf Verstöße hinweisen und ggf. kostenfrei verwarnen. Es ist kaum damit zu rechnen, dass es hier bei einem Erstverstoß zur Verhängung von Geldbußen kommen wird.“ Dass dies eine Fehleinschätzung ist in Zeiten gut gerüsteter Abmahnindustrien, das war schon damals klar, und darauf wurde auch explizit hingewiesen. Nur: Es wurde ignoriert.
Gerade heute veröffentlichte die Verbraucherzentrale RLP einen Jubelpost auf Facebook, wie positiv sich die DSGVO sei. Darin heißt es: „Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind der Meinung, dass sich mit der #DSGVO überhaupt nicht geändert hat – außer, dass kleine Unternehmen und Betreiber von weniger prominenten Webseiten unter Druck geraten sind. Das stimme so nicht“ – es gebe „mehr Rechte“ für Privatpersonen. Ach so. Und der „Druck“ auf die „kleinen Unternehmen und weniger prominenten Webseiten“ – der ist offensichtlich egal. Den Post der Verbraucherzentrale findet Ihr hier.
Wir haben gestern den Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz und das Land Rheinland-Pfalz aufgefordert, umgehend die Sachlage zu klären, sich uns gegenüber zu erklären – und sämtliche eventuell entstehende Kosten zu übernehmen. Andernfalls hätten wir Mainz& wohl einstellen müssen. Dieser Brief geht auch an Tabea Rößner und den Berufsverband Freischreiber sowie an den DJV Rheinland-Pfalz. Denn hier geht es um nichts weniger als die Arbeitsfähigkeit von freier Presse und die Frage: Kann ich noch Informationen verwenden, die mir eine Pressestelle (!) zur Verfügung stellt? Wenn die Antwort „Nein“ lautet – gute Nacht Pressefreiheit, Pressevielfalt und Demokratie.
Info& auf Mainz&: Dieser Vorgang legt übrigens Mainz& jetzt schon lahm – es ist der Grund, warum Ihr heute kein Adventskalendertürchen und keinen weiteren Artikel bekommen habt. Tut uns sehr Leid.