Die Coronakrise hat den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz in erhebliche Turbulenzen gestürzt, der Einzelhandel leidet unter Nachfrageeinbrüchen und dem gestiegenen Online-Handel. Doch auch seit dem Ende des Lockdowns bessert sich die Lage nur langsam: Die Verbraucherstimmung in Deutschland bewege sich „nach wie vor auf niedrigem Niveau“ und bleibe auch im Juli noch im Corona-Tief, meldete gerade der Einzelhandelsverband – es drohe eine Insolvenzwelle in den Innenstädten. Der Städtetag Rheinland-Pfalz fordert nun mehr Unterstützung vom Land. „Ich wünsche mit mehr Hirnschmalz“, sagte der Geschäftsführende Direktor Michael Mätzig der Internetzeitung Mainz&.
„Die Kundenfrequenz in den Innenstädten ist deutlich zurückgegangen, teilweise ist nur noch die Hälfte der Kunden unterwegs“, berichtet Mätzig im Gespräch mit Mainz&: „Man sieht immer öfter, dass die Leute an den Geschäften vorbeigehen, kurz reinsehen – und weitergehen. Das ist der allgemeine Trend.“ Die Beobachtung ist flächendeckend, Wiesbaden, Mainz, überall ist es das Gleiche: „Die Leute sind noch sehr vorsichtig, die Konsumlaune ist noch nicht da“, sagte die Mainzer Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) im Gespräch mit Mainz&.
In Wiesbaden klagte kürzlich der Ordnungsdezernent, die Kunden kehrten nur zögerlich in die Mainzer Innenstadt zurück. Mehr als ein Drittel der Nicht-Lebensmittelhändler sei geschäftlich „in Lebensgefahr“, die Umsätze erreichten vielerorts kein auskömmliches Niveau, klagte der Handelsverband Rheinland-Pfalz schon Mitte Juni. Es drohe eine Insolvenzwelle in den Innenstädten, das Bild der Einkaufszonen könne sich dramatisch verändern.
In Mainz gibt es die ersten Vorboten schon, gerade schockte das Hintz & Kuntz am Mainzer Dom mit seiner Geschäftsaufgabe. Ein wichtiger K.O.-Faktor: Die extrem hohen Mieten in der Mainzer Innenstadt, bei denen Kosten von bis zu 10.000 Euro pro Monat keine Seltenheit sind. Schon in der Vergangenheit diskutierte Mainz wiederholt über Leerstände in der Innenstadt, an denen immer wieder die hohen Mieten Schuld waren – solvente Vermieter ließen ihre Lände lieber leer stehen, anstatt Abstriche beim Mietpreis zu machen.
Gerade jetzt, kurz nach der Wiederöffnung der Geschäfte, seien Anreize für Gäste wichtig, in der Innenstadt zu verweilen, Einkaufen und Bummeln zu gehen, sagt die Mainzer Wirtschaftsdezernentin Matz. Es brauche Unterstützung für Wirtschaft und Einzelhandel und Aktionen zur Belebung der Innenstadt. Das Problem dabei: Feste sind bis Ende Oktober weiter verboten, verkaufsoffene Sonntage aber ohne solche Feste gerade nicht erlaubt – ein Teufelskreis.
„Momentan läuft gar nichts an Events, Kultur und Festen, auch die Geschäftsleute fehlen“, sagt auch Mätzig, „wir haben in den vergangenen Monaten noch mal deutlich gespürt, dass vieles Richtung online geht, gerade auch bei Kleidung, Büchern und solchen Dingen.“ Die Sorge sei groß, dass es erhebliche Verwerfungen gebe – zulasten der Innenstädte. Ideen wie Nacht-Shopping könnten da gute Ansätze sein, aber auch die Koblenzer Stadtkampagne „Koblenz packt’s“ sei ein Beispiel, wie man Menschen wieder Mut machen könne, in die Städte zu kommen, lobte Mätzig: „Ein Riesenthema ist jetzt gerade, den Leuten zu sagen: Kommt zu uns.“ Es gehe auch darum, den Menschen die Angst vor Ansteckungen in Menschenansammlungen zu nehmen.
„Wir brauchen aber auch von Landesseite mehr Unterstützung als bisher“, fordert der Städtetags-Vertreter. So bewerbe die Tourismus-Kampagne des Landes zwar „Wald und Wiese und die Weite des Landes“, die Städte aber habe man vergessen, kritisierte Mätzig: „Gerade Mainz, Trier und Koblenz sind echte touristische Zugpferde, da wird viel verschenkt durch die Landesregierung.“
Auch die 10-Quadratmeter-Regel in den Geschäften würde Mätzig gerne fallen sehen, so wie es in Hessen gerade geschehe: „Das wird zu einer Belebung in den Städten führen“, glaubt er, das Land müsse ernsthaft prüfen, ob hier nicht eine weitere Lockerung möglich sei. „Ich wünsche mir da mehr Hirnschmalz“, sagte Mätzig, in anderen Ländern gebe es interessante Initiativen zur Belebung von Innenstädten. Nordrhein-Westfalen bereite etwa gerade eine Initiative zum Leerstandsmanagement vor, dabei sollen Städte leere Gebäude anmieten und zum halben Kreis weiter vermieten können, die Differenz trage dann das Land. „Das wird in NRW ernsthaft diskutiert, das wird kommen“, sagte Mätzig.
In anderen Ländern funktionieren zudem Business Improvement Disctricts zur Belebung von Innenstädten sehr gut, sagt Mätzig weiter: „Wer so etwas hat, ist aus unserer Sicht gerade jetzt in der Krise klar im Vorteil.“ In Rheinland-Pfalz aber blockiere Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) eine wichtige Maßnahme vor sich her, die den Städten helfen könnte: Seit fünf Jahren gebe es das Landesgesetz für lokale Entwicklungs- und Aufwertungsprojekte, die sogenannten Business Improvement Districts, sagte Mätzig, „aber wir können es nicht anwenden.“
Das Hindernis ist die Berücksichtigung privaten Wohneigentums, Wissing habe bereits eine Änderung für Mitte 2019 angekündigt, doch passiert sei nichts, kritisiert Mätzig. Mit den BIDs „bekommt man alle aus dem Quartier an einem Tisch, kann Ressourcen bündeln und Maßnahmen voranbringen“, erklärte er, „in mindestens sieben anderen Bundesländern funktioniert das wunderbar.“ In Rheinland-Pfalz hingegen sei weiter keine Anhilfe in Sicht. „Dabei“, sagt Mätzig, „ist das ein Instrument, das hätte uns jetzt gerade in der Krise strukturell sehr geholfen.“
Info& auf Mainz&: Was die Stadt Mainz zur Belebung der Innenstadt und gegen Leerstände tut, könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen.