Die Mitte Juli anstehende Neuwahl für das Mainzer Umwelt- und Verkehrsdezernat hat nun noch eine weitere Kandidatin: Die Mainzer ÖDP schickt überraschend die Weisenauerin Gitta Weber ins Rennen. Weber ist Diplom-Chemikerin und leitet eine Messstelle für Gefahrenstoffe, pikant an der Personalie: Die Weisenauerin ist SPD-Mitglied und sitzt für die Sozialdemokraten im Ortsbeirat Weisenau. Und sie engagiert sich in der Bürgerinitiative Mainz 21 gegen eine Bauschuttdeponie im Weisenauer Steinbruch. Damit wächst das Feld der prominenten Kandidaten, die offiziell von einer Stadtratsfraktion nominiert wurden, nun auf drei. UPDATE&: Die Mainzer SPD reagierte am Dienstag und bekräftigte, man werde an der Kandidatin der Ampel-Fraktion festhalten.
Am 13. Juli soll der Mainzer Stadtrat eine Nachfolgerin für die langjährige Mainzer Umwelt- und Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) wählen, die im Mai als Staatssekretärin in die Landespolitik wechselte. Die Grünen haben das Vorschlagsrecht für die Nachbesetzung, so will es die Koalitions-Arithmetik, sie schicken die Frankfurter Grüne Janina Steinkrüger ins Rennen. Die 46 Jahre alte studierte Historikerin arbeitet seit neun Jahren als Referentin für die Frankfurter Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne), Steinkrüger kennt Mainz jedoch nur wenig – ihre Wahl hängt davon ab, ob die Ampel-Koalition aus Grünen, SPD und FDP ihre Kandidatur geschlossen mitträgt.
Eine Garantie ist die Wahl nicht, wie die überraschenden Turbulenzen um den ausgeschiedenen FDP-Wirtschaftsdezernenten Christopher Sitte Ende 2018 zeigten – statt einem FDP-Mann bekleidet seither die CDU-Unternehmerin Manuela Matz den Posten der Mainzer Wirtschaftsdezernentin. Für den Posten im Dezernat für Umwelt, Grün, Energie und Verkehr konnte sich bis Ende Mai jeder Kandidat bundesweit bewerben – eine, die das ebenfalls tat: Gitta Weber.
Die promovierte Chemikerin lebt seit 1992 in Mainz-Weisenau und studierte Chemie an der University of California, Irvine, der Universität Bayreuth, der Johannes Gutenberg-Universität sowie am Mainzer Max Planck Institut für Polymer-Forschung. „Mit diesem naturwissenschaftlichen Hintergrund eignet sich die Bewerberin aus Sicht der ÖDP-Fraktion für das Umwelt- und Verkehrsdezernat ganz hervorragend“, sagte ÖDP-Chef Claudius Moseler am Montag bei der Vorstellung der Kandidatin. Weber, Jahrgang 1963, sei seit Jahren im Arbeits-, Umwelt- und Gesundheitsschutz tätig und leite seit 2010 eine Akkreditierte Messstelle für Gefahrenstoffe, dort habe sie auch Führungserfahrungen gesammelt.
Weber sei aber auch „im gesellschaftlichen Leben unserer Stadt engagiert“, so etwa im Turnverein Weisenau, immer vertrete sie dabei „konsequent ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse“, betonte Moseler weiter – Weber setzt sich in der Bürgerinitiative Mainz 21 gegen die geplante Mülldeponie im alten Weisenauer Steinbruch ein und brachte dort mit ihren hervorragenden Kenntnissen zu chemischen Vorgängen und Gefahrenstoffen schon manches mal Dezernentin Eder in Erklärungsnot. Webers Kandidatur ist daher durchaus pikant, steht sie doch für eine klare Absage an die Deponie. Das gilt auch noch aus einem zweiten Grund: Weber ist SPD-Mitglied, Ortsbeiratsmitglied in Weisenau und als stellvertretende Ortsvorsteherin aktiv, nominiert aber wird sie von der ÖDP.
„Die ÖDP möchte mit diesen Personalvorschlag beim demokratischen Kampf um die besseren Ideen mitwirken“, unterstrich Moseler, es sei für die ÖDP „nichts Ungewöhnliches, Personen mit einem anderen Parteibuch zu unterstützen, als kleine Fraktion haben wir das schon öfters gemacht. „Die ÖDP möchte zudem eine inhaltliche Alternative anbieten“, betonte Moseler weiter: „Eine Bewerberin, die sich mit Leib und Seele für ihre Überzeugungen einsetzt.“ Die ÖDP sei der Auffassung, „dass Gitta Weber durch ihre örtliche Verankerung, durch ihre breiten naturwissenschaftlichen Kenntnisse und ihre beruflichen Erfahrungen eine Bereicherung für den Stadtvorstand wäre.“
Inhaltlich wolle sich Weber dafür einsetzen, dass konsequente Maßnahmen für einen nachhaltigen Klimaschutz umgesetzt werden, dass in Mainz ein sicheres Radwegekonzept etabliert werde, und dass seitens der Dezernate die Initiativen der Mainzer Ortsbeiräte stärker aufgenommen und umgesetzt werden. „Darüber hinaus muss das 365-Euro-Ticket zeitnah umgesetzt werden und die Nachverdichtung in Mainz muss ein Ende haben.“, betonte Weber bei ihrer Vorstellung. Grünflächen in der City und den Vororten müssten erhalten bleiben. „Dringende Themen im dicht besiedelten Mainz sind bezahlbarer Wohnraum, gute Betreuung für Kinder und vernünftige Verkehrskonzepte“, hatte Weber bei der vergangenen Kommunalwahl bei ihrer Kandidatur für den Stadtrat weiter genannt.
Die Kandidaten der Stadtratsfraktionen werden sich bis zur Wahl nun den anderen Fraktionen vorstellen, am 13. Juli haben sie dann das Recht, im Stadtrat eine Bewerbungsrede zu halten – die Sitzung dürfte interessant werden. Denn neben Steinkrüger schickt die CDU-Opposition ihren Verkehrsexperten Thomas Gerster ins Rennen, der CDU-Mann aus der Mainzer Altstadt geht mit Forderungen nach mehr „Bäumen, Brunnen, Bächen“ sowie ebenfalls gut ausgebauten, sicheren Radwegen sowie eine zusätzliche Rheinbrücke ins Rennen – eine Forderung, die mit dem neuen Brückengau rund um die Salzbachtalbrücke gerade neue Aktualität bekommen hat.
In der Vergangenheit hatte die ÖDP durchaus auch schon Kandidaten und Vorschläge der CDU unterstützt, dieses Mal habe ihn das Konzept von Gerster aber nicht überzeugt, sagte Moseler im Gespräch mit Mainz& – ebensowenig aber das der grünen Kandidatin: „Bei Herrn Gerster ist mir zu wenig Ökologie drin“, sagte Moseler noch, „und bei der anderen Bewerberin zu wenig Mainz.“
UPDATE&: Die SPD reagierte am Dienstag auf die Vorstellung ihrer eigenen Parteifreundin als Kandidatin mit einer kurz angebundenen Pressemitteilung. Weber sei „eine sehr engagierte Genossin mit Fachkenntnissen durch ihre berufliche Tätigkeit“, sei sei dennoch „nicht die Kandidatin der Mainzer SPD für die Wahl zur Umwelt- und Verkehrsdezernentin“, sagte der kommissarische Mainzer SPD-Chef, Sozialdezernent Eckart Lensch. Lensch leitet seit dem Rücktritt des Mainzer SAPD-Chefs Johannes Klomann übergangsweise den Unterbezirk. Für die Besetzung des Dezernentenpostens würden eben „die Regeln gelten, wie wir sie im Koalitionsvertrag gemeinsam vereinbart haben“, das wolle er „im Vorfeld der Wahl mit aller Deutlichkeit klarstellen“, teilte Lensch per Pressemitteilung mit.
Info& auf Mainz&: Unseren Bericht über die Vorstellung der grünen Kandidatin Janina Steinkrüger könnt Ihr hier nachlesen, über den CDU-Kandidaten Thomas Gerster und seine inhaltliche Vorschläge haben wir hier berichtet.