Das Mainzer Rathaus steht leer, das Licht ist aus – da wollten die Freien Wähler noch einmal das denkmalgeschützte Gebäude für die Bürger öffnen: Einen Tag der Offenen Tür – oder eher: einen Tag der Offenen Baustelle – solle die Stadt doch noch mal veranstalten, plädierte Erwin Stufler. Die Stadt lehnte ab, die übrigen Fraktionen schlossen sich dem an. Rechtliche Gründe und zu hohe Kosten stünden dem entgegen – das Rathaus ist faktisch “als Ruine eingestuft”, wie CDU-Stadtrat Thomas Gerster sagte. Derweil läuft der Abbau der Gitter, an der Rheinseite sind sie schon weg.
Der denkmalgeschützte Arne Jacobsen-Bau ist ein Sanierungsfall, im kommenden Jahr soll das Gebäude in die Grundsanierung gehen, wann genau, ist noch unklar. Ende November verkündete die Stadt indes, man müsse auf der Stelle mit der Demontage der Sonnenschutzgitter an der Fassade beginnen. Diese wiesen so erhebliche Mängel auf, dass “Gefahr im Verzug” sei, und sie auf der Stelle abgebaut werden müssten, um ein Herabfallen zu verhindern – bei einem starken Wind könnten die Gitter aus der Verankerung gerissen werden und zu Boden stürzen.
Inzwischen ist die Fassade des Rathauses auf der Rheinseite praktisch gitterfrei, dass die Fassade des Hauses aus norwegischem Porsgrunner Marmor marode ist, weiß man indes schon seit mindestens sieben Jahren: “Viele Platten sitzen nicht mehr fest, andere brechen bereits auf, was auf ihre geringe Dicke von nur drei Zentimetern zurückzuführen ist”, schrieb schon 2012 die Architekturzeitung “Bauwelt”. “Auch die Gitter vor den Fenstern sind vielfach locker und müssen neu befestigt werden”, hieß es schon damals unter Berufung auf eine Architektenstudie.
Inzwischen haben sich viele der dünnen Marmorplatten verbogen, die Verbiegungen belasteten die Befestigungsanker für die Sonnenschutzgitter “derart, dass sie unter ungünstigen Umständen zu einem Abbrechen der Platten von der Fassade führen”, hieß es in einem Gutachten des Mainzer Instituts für Raumbezogene Informations- und Messtechnik der Hochschule Mainz Mitte 2018. Die Stadt hatte denn auch bereits Anfang 2018 die Fassade mit Fangnetzen zum Schutz vor abfallenden Fassadenplatten versehen lassen.
Gut also, dass das Rathaus bereits sozusagen “evakuiert” ist: Mitte November zogen rund 360 Mitarbeiter in ein neues Stadthaus an der Großen Bleiche, der große Arne Jacobsen-Bau steht inzwischen dunkel und verlassen da. Die Freien Wähler hatten nun am Mittwoch im Mainzer Stadtrat beantragt, noch einmal einen Tag der offenen Tür in dem Gebäude durchzuführen. Mit Führungen könne man den Bürgern das Gebäude mit seinen vielen architektonischen Besonderheiten noch einmal zeigen, bevor es kernsaniert werde, argumentierte Erwin Stufler – die Stadtverwaltung lehnte indes ab: Einem solchen Event stünden rechtliche Hürden entgegen, dazu drohten hohe zusätzliche Kosten für Versicherung und Sicherheit.
“Rein rechtlich gesehen ist das Rathaus einer Ruine gleichgestellt”, seufzte Thomas Gerster von der CDU-Opposition, “wollte man es wieder öffnen, müsste es anders versichert werden.” Gerster hatte selbst vor ein paar Wochen vorgeschlagen, den leer stehenden Bau in den Wintermonaten für Obdachlose zu öffnen, das sei allemal besser als Plätze in der Tiefgarage vor dem Rathaus, argumentierte er – auch das lehnte die Stadt aus denselben Gründen ab.
Die ersten Baufirmen richteten derzeit in den Räumen ihre Maschinen ein, die Teppiche würden aufgerollt und ins Lager gebracht, sagte auch Jana Schneiß (SPD): “Es ist nicht möglich, da Besucher durchzuführen, was wollen sie auch im Rathaus als einem leeren Gerippe?” Die Aufzüge seien ausgestellt, die Lampen würden abgebaut. “Es ist ein leeres Gebäude, da hängen Kabel runter, die Räume sind leer, die Bilder abgehängt”, sagte auch Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD): “Ich weiß nicht, ob wir das als Bilder im kollektiven Gedächtnis zurücklassen wollen.”
Womöglich käme dann dem einen oder anderen Mainzer auch erhebliche Zweifel, ob das Gebäude überhaupt noch zur Sanierung taugt – die CDU argwöhnt schon länger, die Sanierung werde 100 Millionen Euro und mehr kosten, also fast das Dreifache der ursprünglichen Baukosten, die einst bei 40 Millionen lagen. Um “die Liebe zum Rathaus” zu wecken, schlage die SPD Veranstaltungen mit der Architektenkammer und dem Bauforum vor, mit Vorträgen könnten die Historie und die Besonderheiten des Baus Interessierten nahe gebracht werden.
“Die Verwaltung ist gut beraten, weitere Werbemaßnahmen für das Rathaus anzugehen”, sagte Altstadt-Ortsvorsteher Brian Huck (Grüne), für viel wichtiger halte er aber einen anderen Aspekt: “Wichtiger wäre eine Vorgabe für eine Freitreppe zum Rhein für die Parken in Mainz GmbH” bei der anstehenden Sanierung der Tiefgarage vor dem Rathaus, betonte Huck. Bei den Mainzern ist der Bau am Rheinufer ohnehin bis heute umstritten, die Architektur wird von vielen als abweisend und wenig bürgernah wahrgenommen. In den vergangenen 40 Jahren sei im Grunde “jeder Tag ein Tag der offenen Tür” gewesen, sagte Gerster noch, “das Interesse hielt sich trotzdem in Grenzen.”
Info& auf Mainz&: Mehr zur notwendigen Demontage der Gitter am Mainzer Rathaus lest Ihr hier bei Mainz&, mehr zu der Debatte um die Kosten für die Rathaussanierung gibt es hier bei Mainz& zu lesen. Den Artikel zum Mainzer Rathaus aus der Bauwelt im Jahr 2012 findet Ihr hier im Internet. Die Ideen fürs Mainzer Rathaus samt Freitreppe zum Rhein könnt Ihr in diesem Mainz&-Artikel aus dem Jahr 2015 noch einmal nachlesen.