UPDATE& — Der Krach in der Berliner Ampel zwischen FDP und Grünen hat nun unerwartete Nebenwirkungen für die Menschen im Ahrtal: Das Gesetz mit Erleichterungen zum Wiederaufbau im Ahrtal wurde in dieser Woche erst blockiert, dann verschoben. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Weeser machte den Vorgang auf Twitter öffentlich und berichtete, die Grünen hätten quasi als Retourkutsche zum Heizungsgesetz die Einbringung in den Bundestag blockiert. Die Grünen sprachen daraufhin von „Lüge“ – es kracht gewaltig in der Bundesregierung, und das Ahrtal wird zum Kollateralschaden. UPDATE: Die Grünen wehrten ab: Es sei alles ganz anders.
„Krass! Die Grünen blockieren als Retourkutsche das bereits fertige Gesetz zur Erleichterung des Wiederaufbaus im Ahrtal!“ Das schrieb am Dienstagabend plötzlich die FDP-Bundestagsabgeordnete Sandra Weeser auf ihrem Twitter-Nachrichtenkanal. Zur Begründung schrieb Weeser weiter: „Nur weil das #GEG nicht schon diese Woche in den Bundestag kommt. Was können die Menschen im Ahrtal dafür? Erklären Sie das, Herr Habeck! Bin sehr wütend!“
„GEG“ steht für „Gebäudeenergiegesetz“ und ist derzeit umgangssprachlich besser als „Heizungsgesetz“ bekannt, weil die Bundesregierung damit Öl- und Gasheizungen in Zukunft dem Grunde nach verbieten will – und das schon ab 2024. Das Gesetz aus dem Hause von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist indes höchst umstritten, die gemeinsam mit den Grünen regierende FDP hatte ihm zwar erst zugestimmt, hält das Gesetz aber in der derzeitigen Form nicht für abstimmungsfähig – und blockiert seither die Einbringung des Gesetzes in den Bundestag.
Retourkutsche: Grüne blockieren Ahrtal-Gesetz nach GEG-Stopp
Daraufhin kam es offenbar im Bundestag zu einer Retourkutsche der Grünen: Weil das GEG durch die Blockade der FDP in dieser Woche nicht mehr Eingang in die parlamentarischen Beratungen fand, strich die Koalition gleich eine ganze Reihe weiterer Gesetze ebenfalls von der Tagesordnung – darunter auch eine Novelle des Baugesetzes. Die aber hatte Erleichterung zum Wiederaufbau in Katastrophengebieten zum Inhalt – und wurde nun verschoben.
„Die Tagesordnung für den Bundestag wird größtenteils auf Arbeitsebene der Fraktionen abgestimmt“, sagte Weeser, die aus Betzdorf in Rheinland-Pfalz kommt, zur Erklärung auf Mainz&-Anfrage. Dabei hätten sich SPD und FDP einigen können, das „Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren“ in dieser Woche zu behandeln – das Ziel: die Gesetzgebung mit der 2. und 3. Lesung noch vor der Sommerpause abzuschließen. An dieses Digitalisierungsgesetz wurde auch die Änderung der Bauordnung angehängt, mit ihr sollte eine „Wiederaufbauklausel“ ins Baugesetz aufgenommen werden.
Diese Wiederaufbauklausel wiederum sieht Erleichterungen bei Planungen und Genehmigungen für einen Katastrophenfall vor, innerhalb eines vorab definierten Katastrophengebietes kann dann von Vorschriften im Baugesetzbuch abgewichen werden. So könnten dann Gebäude leichter neu gebaut oder eben auch leicht verschoben werden, Gemeinden Bebauungspläne im beschleunigten Verfahren aufstellen oder auch dringend benötigte Infrastrukturvorhaben erleichtert und beschleunigt genehmigt werden. Die Wiederaufbauklausel wurde extra wegen der Flutkatastrophe im Ahrtal vor zwei Jahren aufgelegt.
„Menschen im Ahrtal haben endlich Lichtblick verdient“
Viele Gemeinden und auch Privatpersonen im Ahrtal warten händeringend auf diese Erleichterung – auch zwei Jahre nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 stockt es an vielen Stellen im Ahrtal weiter beim Wiederaufbau. „Ich habe das Ahrtal bereits mehrmals besucht und mich mit den Menschen vor Ort ausgetauscht“, betonte Weeser: „Dass die Menschen nach zwei Jahren immer noch im Unklaren gelassen werden, hat mich zutiefst betroffen gemacht – die Menschen vor Ort haben endlich einen Lichtblick verdient.“ Dazu hätten auch die Erleichterungen im Baugesetz gehört, um den Wiederaufbau zu erleichtern und zu beschleunigen.
Die Grünen reagierten auf Weesers-Tweet indes mit höchster Empörung: „Das ist ganz explizit gelogen“, schäumte etwa die Bundestagsabgeordnete Christina-Johanne Schröder (Grüne), und behauptete: Die FDP habe im Ausschuss der Aufsetzung zur Tagesordnung widersprochen. Weeser konterte indes: Es sei die Fraktion der Grünen gewesen, die der Behandlugn des Gesetzes nicht zugestimmt habe – Weeser ist übrigens Vorsitzende des Bauausschusses im Deutschen Bundestag, und mithin eine Abgeordnete, die durchaus Gewicht hat.
Eine Kollegin derart öffentlich der Lüge zu bezichtigen ist wiederum ausgesprochen unüblich – erst recht, wenn man miteinander regiert. „Die Blockade ist nach Aussagen aus der Fraktion der Grünen auf die fehlende Einigung im Rahmen des GEG zurückzuführen“, bekräftigte Weeser zudem – gleich mehrere Medien bestätigten das inzwischen. So berichteten etwa die Badische Zeitung und die Berliner Zeitung, die Grünen stellten nun wegen der Blockade des GEG im Gegenzug mehrere Gesetzesvorhaben in Frage – darunter Verkehrsprojekte, aber eben auch das Ahrtal-Gesetz.
Wiederaufbaugesetz nun für Juni geplant – Schröder: kein Krach
Die Auseinandersetzung zeigt, wie groß der Krach in der Berliner Ampel-Koalition derzeit ist. Für das Wiederaufbau-Gesetz gibt es indes Hoffnung: Man gehe nach den Aussagen der Grünen-Abgeordneten Schröder nun davon aus, „dass nun doch die Bereitschaft besteht, das gesamte Gesetzesvorhaben in der nächsten Sitzungswoche im Bundestag abzuschließen“, teilte Weesers Büro weiter mit – soll das Gesetz noch vor dem Sommer verabschiedet werden, muss es dem Bundesrat zu seiner nächsten Sitzung am 16. Juni vorliegen.
Schröder hatte getwittert, die Verschiebung sei „unproblematisch“, weil der Bundesrat eben erst am, 16. Juni wieder zusammentrete. Und überhaupt, kommentierte ein unbeteiligter Twitter-Nutzer, sei doch am ehesten die Frage: „Wenn die Menschen im Ahrtal nach der Flutkatastrophe von 2021 jetzt, in 2023, noch von einer Gesetzgebung abhängig sind“ – warum habe man dann „das Nötige nicht schon früher“ erledigt? Von Seiten der rheinland-pfälzischen Landesregierung meldete sich niemand zu Wort.
UPDATE&: Am Freitag meldete sich dann noch Grünen-Abgeordnete Schröder bei Mainz&, und behauptete: Mit einem Koalitionskrach habe der ganze Vorgang nichts zu tun. „Das Gesetz war einfach für eine fristgerechte Aufsetzung nicht fertig – am Montag mussten wir Korrekturen beim Ministerium anmahnen“, behauptete Schröder nun ihrerseits. Das sei kein ungewöhnlicher Prozess und habe mit dem Parlamentsbetrieb nichts zu tun gehabt. Erst am Dienstag dieser Woche hätten „alle Formulierungen des Ministeriums vorgelegen“, die Tagesordnung für den Bundestag werde aber schon in der Sitzungswoche davor aufgesetzt. Was Schröder dabei verschweigt: Kurzfristige Änderungen der Tagesordnung sind sogar noch bis zur Eröffnung der Plenarsitzung möglich.
„Gerne hätten wir Grüne in unserem öffentlichen Ausschuss schon diese Woche die kleine Baugesetzbuchnovelle beraten“, betonte Schröder nun – und wies die Schuld umgehend dem Koalitionspartner zu: „Die Kollegen der FDP wollten sie nicht kurzfristig aufsetzen“ und hätten sich dagegen ausgesprochen, die Novelle im Ausschuss zu beschließen. Die Novelle sei nun „für die kommende Sitzungswoche fristgerecht aufgesetzt“, teilte Schröder weiter mit – es gebe keinen Nachteil für die Menschen im Ahrtal.
Info& auf Mainz&: Alle Artikel und Berichte rund um die Flutkatastrophe im Ahrtal und ihre Folgen findet Ihr hier in unserem großen Mainz&-Dossier.