Ende März kippte die Dienstaufsicht ADD den Haushalt der Stadt Mainz für das laufende Jahr 2025, Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) monierte damals, die kommunalen Haushalte litten unter einer „strukturellen Unterfinanzierung“ durch Land und Bund – es entfalte sich „eine globale Finanzkrise der Kommunen.“ Nun bestätigt das Deutsche Institut für Urbanistik diese Analyse: 36 Prozent der Kommunen bewerteten ihre wirtschaftliche Situation als „mangelhaft“, so eine neue Studie, in größeren Städten sind es sogar 56 Prozent. Die Zukunftsaussichten: negativ. Die CDU klagt, die ADD legen den Kommunen „Daumenschrauben an“ und mache „absurd hohe Vorschläge“ für Umlagen.

Der Mainzer OB Nino Haase (parteilos) musste Ende März die Rüge der ADD für den Haushalt der Stadt Mainz verkünden. - Foto: gik
Der Mainzer OB Nino Haase (parteilos) musste Ende März die Rüge der ADD für den Haushalt der Stadt Mainz verkünden. – Foto: gik

Die Stadt Mainz hatte bei der Dienstaufsicht ADD in Trier einen Haushalt für das Jahr 2025 beantragt, der ein Minus von rund 134 Millionen Euro aufwies, das sah die ADD nicht als genehmigungsfähig an – und kippte nach dem Nachtragshaushalt für 2024 Ende März auch den Haushalt der Stadt Mainz für 2025. Interessant dabei: der Haushalt wurde „global beanstandet“, also in seiner Gänze gekippt, in einer Sondersitzung am 21. Mai will der Mainzer Stadtrat nun ein neues, hoffentlich genehmigungsfähiges Zahlenwerk verabschieden.

In Mainz nahm man die Beanstandung vergleichsweise gelassen: „Stand jetzt wurden in allen Oberzentren in Rheinland-Pfalz – darunter Worms, Speyer, Koblenz und Kaiserslautern –  alle Haushalte von der ADD global beanstandet“, sagte Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) damals auf einer Pressekonferenz. Als Ursachen nannte Haase unter anderem immer mehr notwendiges Personal zur Erledigung der Aufgaben, die Land und Bund den Kommunen übertragen, gepaart mit einer „erheblichen Unterdeckung für soziale Aufgaben“. Allein diese Unterdeckung mache in Mainz pro Jahr mehr als 200 Millionen Euro aus, rechnete Haase vor – alleine damit wäre das Mainzer Defizit ausgeglichen.

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Haase: „Laufen auf eine globale Finanzkrise der Kommunen zu“

Der Mainzer OB warnte damals, „wir laufen auf eine globale Finanzkrise der Kommunen zu, und sie entfaltet sich gerade in Echtzeit vor uns.“ Denn die strukturelle Unterfinanzierung hätten die Kommunen nicht zu verantworten, der Bund und vor allem das Land müssten für eine ausreichende Finanzierung sorgen. Rheinland-Pfalz ist davon besonders betroffen: Seit Jahren liegen hier die am höchsten verschuldeten Landkreise der Republik, und die meisten davon.

CDU-Landes- und Fraktionschef Gordon Schnieder am Rednerpult im Mainzer Landtag. - Foto: gik
CDU-Landes- und Fraktionschef Gordon Schnieder am Rednerpult im Mainzer Landtag. – Foto: gik

Das Land Rheinland-Pfalz hatte deshalb 2023 seinen Kommunalen Finanzausgleich überarbeitet, seither stünden den Kommunen rund 357 Millionen Euro mehr zur Verfügung, argumentiert die Landesregierung. Die Opposition kritisiert jedoch, das sei lediglich ein Tropfen auf einem sehr heißen Stein und alles andere als ausreichend: „Schon lange sehen wir den neuen Finanzausgleich als völlig unzureichend an“, kritisierte CDU-Landes- und Fraktionschef Gordon Schnieder gerade wieder, die Landesregierung betreibe „Augenwischerei“ – es brauche „endlich einen echten Neustart bei den Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen.“

Nun bekommen all die Warner Recht von einer neuen Untersuchung des renommierten Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu). Das erstellt seit 2009 jedes Jahr im Auftrag der KfW-Bank eine repräsentative Befragung der Kämmereien nach ihrer Einschätzung der Finanzlage. Bei dem KfW-Kommunalpanel 2025 wurden im ersten Quartal 2025 insgesamt 2839 Kommunen mit mehr als 2.000 Einwohnern befragt, die Rücklaufquote lag bei 34 Prozent. Die Gesamtergebnisse des KfW-Kommunalpanels 2025 wird die KfW voraussichtlich Ende Juni vorstellen, erste Ergebnisse gab das Difu aber bereits jetzt bekannt.

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KfW-Kommunalreport: Finanzlage „nochmals stark verschlechtert“

Und die sehen alles andere als gut aus: „Die Finanzlage der Kommunen in Deutschland hat sich in den vergangenen zwei Jahren nochmals stark verschlechtert“, konstatiert das Difu. Denn inzwischen bewerteten 36 Prozent der Kommunen ihre wirtschaftliche Situation im Haushaltsjahr 2024 als „mangelhaft“, das seien zwei Prozentpunkte mehr als ein Jahr zuvor – und sogar acht Prozentpunkte mehr als noch 2022. Weitere 24 Prozent der Kommunen ihre Finanzlage im vergangenen Jahr als lediglich „ausreichend“ an, und nur 40 Prozent bezeichneten ihre Situation als „befriedigend“ oder besser. Das waren 10 Prozent weniger als vor zwei Jahren.

Der damalige SPD-Politiker und Ex-Finanzminister von Rheinland-Pfalz, Carsten Kühl, im Bundestagswahlkampf in Mainz. - Foto: gik
Der damalige SPD-Politiker und Ex-Finanzminister von Rheinland-Pfalz, Carsten Kühl, im Bundestagswahlkampf in Mainz. – Foto: gik

Dabei zeige sich, dass der Anteil der Kommunen mit „mangelhafter“ Lagebeschreibung mit steigender Einwohnerzahl zunehme, so die Prüfer weiter: Je größer die Kommunen, umso schlechter die Haushaltslage. Während es bei den kleinen Kommunen (2000 bis 5000 Einwohner) 34 Prozent seien, liege der Anteil bei den Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern bei 56 Prozent. Das heißt im Klartext: Mehr als die Hälfte aller Städte und Gemeinden in Deutschland gibt ihrer Finanzlage die Note 5 – ein Alarmsignal. Das hatte auch Haase angemahnt, als er sagte: „Wir laufen auf eine globale Finanzkrise der Kommunen zu, und sie entfaltet sich gerade in Echtzeit vor uns.“

Pikant dabei: Wissenschaftlicher Leiter des Difu ist ausgerechnet der ehemalige rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl von der SPD. Und der warnt nun, 2024 hätten die Kommunen in Deutschland „ein Rekorddefizit in Höhe von 24,3 Milliarden Euro im Kernhaushalt zu beklagen.“ Neben gezielten Maßnahmen „wie einer schnell wirksamen Altschuldenregelung, bedarf es einer strukturellen Umverteilung der Steuereinnahmen zugunsten der Kommunen“, forderte Kühl zudem.

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Landkreistag: „Absurde Forderungen“ der ADD bei Finanzumlagen

Denn 84 Prozent der Kämmereien rechneten für das laufende Haushaltsjahr 2025 mit einer weiter „eher nachteiligen“ oder „sehr nachteiligen“ Haushaltslage, so der KfW-Kommunalreport weiter. Der Anteil der Kommunen, der in den kommenden fünf Jahren eine Verschlechterung der Lage erwarte, sei damit deutlich höher als noch vor zwei Jahren. Das werde sich in deutlich weniger Investitionen in den Kommunen niederschlagen, befürchtete Difu-Projektleiter Christian Raffer – schon jetzt klagen viele Bürger in Kommunen in Rheinland-Pfalz über kaputte Straßen, marode Schulen und Sanierungsstau in Schwimmbädern.

Schlaglöcher in Mainzer Straßen, hier in Mainz-Zahlbach - kein Einzelfall. - Foto: gik
Schlaglöcher in Mainzer Straßen, hier in Mainz-Zahlbach – kein Einzelfall. – Foto: gik

Die Verantwortung sieht Kühl in erster Linie bei den Ländern: „Da sind zunächst die Länder gefordert“, sagte der Finanzprofessor weiter: „Und wenn es einzelne Länder finanziell überfordert, müssen die Bund-Länder-Finanzbeziehungen so verändert werden, dass auch finanzschwache Länder ihre Kommunen angemessen finanziell ausstatten können.“ Das dürfte Wasser auf die Mühlen der Opposition sein, hatte Schnieder doch diesen Dienstag noch geschimpft: „Rheinland-Pfalz steht vor dem kommunalen Kollaps und Schuld daran ist die kommunalfeindliche Politik der Landesregierung.“

Anlass war da eine Mitteilung des Landkreistages Rheinland-Pfalz, nach immer noch zehn der 24 rheinland-pfälzischen Kreishaushalte ohne Genehmigung dastünden. Von einer „angemessenen Finanzierung“ über den Kommunalen Finanzausgleich sei gerade die kreisebene „dieser Tage weiter entfernt denn je“, klagte der Landkreistag, und verwies darauf, dass allein die Landkreise ein Defizit von rund 380 Millionen in 2025 erwarte. Gleichzeitig erhebe die ADD „absurde Forderungen“ zum Ausgleich der Haushalte – so werde derzeit vom Landkreis Germersheim „offenbar ein durchschnittlicher Umlagesatz von mehr als 50 Prozent für eine Haushaltsgenehmigung gefordert.“

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CDU: Landesregierung füllt „Kriegskasse“ für Landtagswahlkampf

Damit würde „der nächste Negativrekord in Rheinland-Pfalz gebrochen“, schimpfte der CDU-Finanzsprecher in der Landtagsfraktion, Christof Reichert. Der kommunale Handlungsspielraum sei doch bereits „maximal eingeschränkt, die gesetzlichen Aufgaben machen 99 Prozent der Ausgaben aus“, kritisierte er. Gleichzeitig gingen die Kosten der Pflichtaufgaben „durch die Decke, freiwillige Leistungen müssen auf Eis gelegt werden – was bleibt, ist Frust und die Vorgaben von oben.“

Aktuelle Baustelle auf der Alicenbrücke im Mai 2025: Brückenerneuerung nötig. - Foto: gik
Aktuelle Baustelle auf der Alicenbrücke im Mai 2025: Brückenerneuerung nötig. – Foto: gik

Die Gesamtausgaben der Kommunen stiegen Jahr für Jahr, Rheinland-Pfalz bilde bei der kommunalen Verschuldung „das Schlusslicht im bundesweiten Vergleich“, schimpfte auch Schnieder – und warf gemeinsam mit seinem Finanzexperten dem Land vor, sich auf dem Rücken der Kommunen die Taschen zu füllen: „Während das Land mit einem erneuten Überschuss im Jahr 2024 von 1,1 Milliarden Euro glänzt, rutschen die Kreise, Städte und Gemeinden immer tiefer ins Finanzierungs-Defizit“, kritisierte Reichert: „Das Land füllt seine Kriegskasse tüchtig weiter“, fügte er mit Blick auf den anstehenden Landtagswahlkampf hinzu.

Ähnlich äußerte sich auch der Finanzdezernent des Landkreistages, Beigeordneter Jürgen Hesch: „Was muss noch geschehen, damit das Land nicht an die eigene Haushaltssicherungsrücklage denkt“, schimpfte er, „sondern die Finanzierung der Kreise, der Kommunen insgesamt, aufstockt?“ In Mainz werden derzeit wegen der Sparvorgaben der ADD massiv Steuern und Abgaben erhöht, dazu gehören etwa die Einführung einer Übernachtungsabgabe, die Anhebung der Gewerbesteuer, deutlich höhere Eintritte in Museen, sinkende Zuschüsse im Kulturbereich sowie Sparpläne beim Mittagessen in Schulen und bei den Öffnungszeiten in Kitas.

Gestiegen sind auch bereits die Gebühren für Straßeneinigung und Abwasser, auch eine weitere Anhebung der Grundsteuer B ist weiter nicht vom Tisch. Mit dem Jahr 2025 waren die Grundsteuerkosten für die Wohnhäuser in Mainz bereits wegen der Grundsteuerreform explodiert, auch weil die Stadt nicht wie ursprünglich von der Politik versprochen, den Hebesatz so senkte, dass die Einnahmen aufkommensneutral blieben – sondern 8 Millionen Euro mehr einnimmt. Grund: das Haushaltsloch – und Forderungen der ADD.

Info& auf Mainz&: Mehr zu der Streichliste der Stadtverwaltung für den Mainzer Haushalt lest Ihr ausführlich hier bei Mainz&. Die ganze Geschichte mit dem gekippten Haushalt 2025 findet ihr noch einmal hier auf Mainz&. Mehr zu der Finanzlage der Kommunen und dem KfW-Kommunalreport findet Ihr hier im Internet.