Einmal im Jahr stellt der Landesrechnungshof der Landesregierung Rheinland-Pfalz ein Zeugnis für ihre Finanzführung aus, ausgerechnet wenige Wochen vor der Landtagswahl am 14. März enthält der Bericht in diesem Jahr eine ganze Reihe miserabler Noten: Die Prüfer rügen reihenweise rechtswidrige Sonderurlaube für Beamte in hohen Positionen, die Beurlaubten wurden teilweise während ihrer Abwesenheit auch noch befördert. Üppige Gehälter gibt es auch bei Lotto Rheinland-Pfalz – und freigebige Einladungen in VIP-Logen und auf Stadiontribünen bei Fußballspielen im Wert von rund 500.000 Euro. In Mainz rügen die Prüfer vor allem den Bau der neuen Radbrücke über die Saarstraße und stellen dazu dem Landesbetrieb Mobilität ein verheerendes Zeugnis in Sachen Baumanagement aus.
Jedes Jahr legen die Prüfer des Landesrechnungshofs den Finger in Wunden von Geldverschwendung und rechtswidrigen Vorgängen in der Landesverwaltung, dieses Jahr aber kommt es ganz dicke: Nach dem Beförderungsskandal in zwei Landesministerien deckt der Rechnungshof nun auch noch reihenweise rechtswidrige Gewährung von Sonderurlauben für Beamte auf: In 30 Fällen habe das Land Rheinland-Pfalz Sonderurlaube von mehr als sechs Jahren bewilligt, das aber durfte das Land nicht. Laut Urlaubsverordnung des Landes dürfen Sonderurlaube von mehr als drei Monaten nur „aus besonders wichtigem Anlass und nur in begründeten Fällen“ bewilligt werden.
Das scherte die Landesverwaltung aber in mindestens 30 Fällen nicht, bei 21 Beamten dauerte der Sonderurlaub sogar mehr als zehn Jahre – das sei klar rechtswidrig, rügte Rechnungshofpräsident Jörg Berres am Donnerstag in Mainz. Sonderurlaub kann einem Beamten nach der Urlaubsverordnung des Landes unter Wegfall der Dienstbezüge gewährt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. 244 Fälle von Sonderurlauben prüfte der Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht für die Jahre 2019 und 2020, 182 Fälle waren unproblematisch, berichtete Berres, etwa weil Lehrer einen Auslandsdienst antraten.
30 Fälle aber beanstandeten die Prüfer als rechtswidrig, acht Personen wurden gleich für 15 bis 30 Jahre an Unternehmen ausgeliehen, an denen das Land mehrheitlich beteiligt ist. Die Fälle betreffen unter anderem die Finanzverwaltung und das Gesundheitsministerium, das Wirtschaftsministerium und das Umweltministerium. Im Integrationsministerium habe man keine Fälle gefunden, sagte Berres, Prüfungen für das Wissenschaftsministerium und die Landtagsverwaltung seien noch nicht abgeschlossen.
Die Sonderurlaube wurden mehrfach verlängert und endeten in acht Fällen nur wenige Monate vor oder mit Eintritt in den Ruhestand, drei Beamten wurden gar unbefristet freigestellt. Eine solche auf Dauer angestrebte Freistellung sei aber nicht zulässig, rügte Berres. Begründungen für die Verlängerungen seien in den vorgelegten Unterlagen „überwiegend nicht enthalten.“ Dazu wurde Beamten die Sonderurlaubszeit für ihre Pensionen anerkannt, obwohl sie in ihren neuen Jobs zwischen 150.000 Euro und mehr als 220.000 Euro pro Jahr verdienten, und damit deutlich mehr als bei ihren regulären Beamtenbezügen.
Mehr noch: Während ihrer Sonderurlaube wurden 15 Beamte in ihrer Abwesenheit sogar befördert, teilweise bis zu dreimal und bis hinauf in hohe Besoldungsgruppen wie A16, R2 oder B3. In allen Fällen sei das jeweilige Beförderungsamt „auf absehbare Zeit nicht oder überhaupt nicht wahrgenommen“ worden, rügte Berres: „Man wird befördert, um ein höheres Amt wahrnehmen zu können“ – sonst könne auch nicht befördert werden.
Der Bund der Steuerzahler (BdSt) zeigte sich „schockiert“: Gerade erst hätten Gerichtsurteile aufgedeckt, dass „das Prinzip der Bestenauslese in zwei Ministerien jahrelang mit Füßen getreten“ worden sei, nun kämen noch mehrfache Rechtsbrüche zum Schaden der Steuerzahler hinzu, kritisierte BdSt-Geschäftsführer René Quante: „Was ist eigentlich in unserem Landesdienst los?“ Es stelle sich nun die Frage nach der politischen Verantwortung und nach dem finanziellen Schaden, betonte Quante, denn „rechtswidrige Beförderungen ergeben nach der Beendigung des Sonderurlaubs höhere Saläre“ und damit auch höhere Pensionen, „die so nicht anfallen dürften.“ Das müsse aufgeklärt werden, „ungeeignete Günstlinge und Parteigänger kann sich Rheinland-Pfalz weder in den Amtsstuben noch auf dem Sofa leisten“, schimpfte Quante.
Üppige Gehälter und Eintrittskarten für VIP-Logen bei Lotto RLP
Es ist indes nicht der einzige Fall: Auch bei Lotto Rheinland-Pfalz rügen die Prüfer einen üppigen Umgang mit Geldern und Gehältern, die Gesellschaft gehört zu 51 Prozent dem Land. So wuchs die Zahl der Führungskräfte in den vergangenen Jahren von 3 auf 12 Prozent, in Alttarifverträgen würden noch immer Gehälter gezahlt, die zu 46 Prozent über dem öffentlichen Tarifvertrag lägen. 2020 habe die Lotteriegesellschaft 21 Geschäftsführer, Prokuristen, Abteilungsleiter und leitende Mitarbeiter, die außertariflich vergütet wurden.
Dazu vergab Lotto Rheinland-Pfalz Eintrittskarten für VIP-Logen und Tribünenplätze im Wert von rund 500.000 Euro pro Jahr für Heimspiele von Fußballclubs „an Externe und Interne“, schriftliche Kriterien dafür habe es aber nicht gegeben, so der Bericht weiter. Stattdessen wurden 10.0000 Euro in die Hand genommen, um die Empfänger von der Pflicht der Steuererstattung einer geldwerten Leistung zu befreien. Im Gegenzug wurden Einsparpotenziale von mehr als 200.000 Euro nicht genutzt und vereinbarte Einsparziele von allein 7,5 Millionen Euro in 2019 nicht umgesetzt.
Zuschläge für Professoren nach eigenem Gusto
Gelder verteilt wurde indes auch an den Hochschulen im Land: 2019 seien von Universitäten und Fachhochschulen besondere Leistungsbezüge in Höhe von 3,6 Millionen Euro gezahlt worden – doch die Kriterien für die Vergabe seien „vielfach unzureichend geregelt“ oder gleich gänzlich ungeeignet gewesen. Da seien Bezüge, die eigentlich für herausragende Leistungen gewährt werden sollten, schlicht für die gesetzlichen Aufgaben der Professoren vergeben worden, wie etwa die Betreuung von Studierenden und von Abschlussarbeiten. Der Rechnungshof hatte 250 Fälle an allen wichtigen Hochschulen des Landes überprüft, darunter auch an der Universität Mainz. Welche Fälle hier genau vorkamen, weist der Rechnungshofbericht nicht aus.
Die Leistungsbezüge sollen eigentlich als Anreiz für besondere Leistungen in Forschung oder Lehre dienen, stattdessen bewilligte etwa die Hochschule Koblenz 67 Professoren pauschal einen Zuschlag von 90 Euro pro Monat, ohne Antrag und unabhängig von Leistungen. Koblenz gewährte zudem Zuschläge in Stufen von 400 Euro bis zu 1.600 Euro pro Monat, schlicht auf Grundlage einer Selbsteinschätzung: Die Professoren konnten selbst angeben, ob sie „überdurchschnittliche“, „außergewöhnliche“ oder „exzellente Leistungen“ abgeliefert hatten, „die anschließende Bewertung durch den Dekan entsprach in allen Fällen dieser Selbsteinschätzung.“
Mangelhaftes Baumanagement beim Landesbetrieb Mobilität
Besonders scharf geht der Landesrechnungshof in seinem Bericht 2021 für die Jahre 2019 und 2020 aber auch noch mit einem anderen Bereich des Landes ins Gericht: Dem Landesbetrieb Mobilität (LBM) bescheinigen die Prüfer ein absolut mangelhaftes Baumanagement. Mangelhafte Planungen, ungenaue Kostenschätzungen, das Dreifache der Bauzeit oder gar gravierende Mängel bei der Bauausführung – die Prüfer ließen kein gutes Haar bei ihren Checks. Bei 32 der 46 geprüften Landesstraßen mit überwiegend einfachen Umbau- und Sanierungsmaßnahmen seien die abgerechneten Kosten um mehr als 13 Millionen Euro von den Kostenansätzen abgewichen – das seien ein Drittel höhere Kosten gewesen, als vom Landtag bewilligt.
Die Mehrkosten seien entstanden, weil Planungen „häufig in einer unzureichenden Planungstiefe“ und mit ungenauen Kostenschätzungen erstellt worden seien, dazu kamen Mängel in der Bauvorbereitung und Änderungen des Leistungsumfangs während der Bauausführung. In Bauverträgen seien die zur Vertragserfüllung erforderlichen Leistungen „oftmals nicht vollständig erfasst“ gewesen, mehr als die Hälfte der Bauprojekte dauerte länger als geplant. Jedes dritte Projekt brauchte sogar 25 Prozent mehr Zeit, manche Bauvorhaben gar dreimal so lange wie vorgesehen.
Ein Beispiel dafür ist der Bau von zwei Autobahnbrücken im Autobahnkreuz Mainz-Süd: Hier wurden 2020 so erhebliche Risse in dem gerade erst errichteten Brückenbauwerk entdeckt, dass die gesamte Betondecke der Brücke abgetragen und erneuert werden musste – offenbar kein Einzelfall: „Viele fertiggestellte Baumaßnahmen wiesen Mängel auf, die sich nachteilig auf die Verkehrssicherheit und Lebensdauer der Straßen auswirken können“, rügt der Landesrechnungshof.
„Das Baumanagement ist beim LBM zu verbessern“, forderte Landesrechnungshofpräsident Jörg Berres denn auch. Die Bewertung trifft vor allem Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP), der vor fünf Jahren unter anderem mit dem Versprechen angetreten war, den Landesbetrieb Mobilität moderner und leistungsfähiger zu machen. Nun kritisieren die Prüfer, beim LBM seien zahlreiche Bauprojekte der vergangenen Jahre noch gar nicht abgerechnet, noch immer fehlten rund 110 Techniker und Ingenieure. Vor allem aber fehle dem LBM ein IT-gestütztes Projektmanagementsystem, mit dem Daten zu Projekten strukturiert und aktuell abrufbar seien. Eine systematische Auswertung von Kosten, Termintreue und Ausführungsqualität finde nicht statt, Lehren aus Fehlern würden deshalb nicht gezogen.
„Versagen beim Straßenbau, höchste Verschuldung und hohe Personalzuwächse“ – der Landesrechnungshof stelle der Landesregierung „ein verheerendes Zeugnis aus“, kritisierte der Finanzexperte der CDU im rheinland-pfälzischen Landtag, Christof Reichert. Straßen, Brücken, öffentliche Gebäude, „überall in Rheinland-Pfalz gibt es einen erheblichen Investitionsstau“, kritisierte er, das sei auch „ein Management-Versagen“ im Verkehrsministerium. 2,1 Milliarden Euro habe das Land inzwischen an Finanzreserven angehäuft, anstatt die Gelder in wichtige Projekte zu investieren, kritisierte Reichert weiter.
Auch der Rechnungshof rügte diese Rückstellungen zum wiederholten Mal. Gleichzeitig ist Rheinland-Pfalz Schlusslicht bei den Investitionen: Die Investitionsquote von 5,8 Prozent sei die zweitniedrigste Investitionsquote aller Flächenländer, „das ist kein schöner Platz“, kritisierte Berres. Eine Milliarde Euro an Investitionen fehlten noch immer beim Straßenbau, „höhere Investitionen sind notwendig“, betonte er.
Brücke am Kisselberg über die Saarstraße gerügt
Auch ein Projekt in Mainz zog derweil die Kritik des Rechnungshofs auf sich: Die Rad- und Fußgängerbrücke am Kisselberg über die Saarstraße sei von der Stadt deutlich teurer geplant gewesen als notwendig, rügten die Prüfer. So habe die Stadt die Brücke ursprünglich als Stahlbeton-Rahmenbauwerk mit einer Gesamtlänge von 40,5 Metern und einer Gesamtbreite von 4,7 Meter geplant. „Die Herstellungskosten von 750.000 Euro lagen erheblich über den aus wirtschaftlicher Sicht vertretbaren Herstellungskosten von Brücken vergleichbarer Größe“, kritisiert der Rechnungshofbericht.
Der Landesbetrieb Mobilität habe aufgrund der Warnung des Rechnungshofs die Stadt Mainz daraufhin zur Umplanung aufgefordert, die neue Planung habe für die geänderte Brückenkonstruktion noch Kosten von 578.000 Euro vorgesehen – 23 Prozent weniger. Zufrieden sind die Prüfer indes noch nicht: Das nach innen geneigte Geländer der Brücke verkleinere die nutzbare Breite der Brücke deutlich – der LBM habe nun angekündigt, für die durch die Schrägstellung des Geländers verursachte Mehrbreite der Brücke einen Abzug bei der Förderung vorzunehmen.
Info& auf Mainz&: Mehr zur neuen Brücke am Kisselberg lest Ihr hier bei Mainz&, den gesamten Rechnungshofbericht könnt Ihr hier im Internet mit allen Themen und Details nachlesen.