Nach Großdemos in Berlin, Bonn und München wollen Landwirte nun auch am Mittwoch in Mainz demonstrieren. Rund 500 Traktoren und etwa 700 Teilnehmer würden zu der Kundgebung auf dem Ernst-Ludwig-Platz erwartet, teilte die Mainzer Polizei am Dienstag mit. Die Demo soll zwischen 11.00 Uhr und 15.00 Uhr stattfinden, rund um den Platz zwischen Abgeordnetenhaus und Schloss werde es erhebliche Verkehrsbeeinträchtigungen geben. Zu der Kundgebung hat das Bündnis „Land schafft Zukunft“ aufgerufen, wer dieses Bündnis ist, ist noch weitgehend unklar. Die Landwirte protestieren gegen das neue Agrarpaket der Bundesregierung, was genau sie aber für die Zukunft wollen, bleibt unklar.
„Wir kämpfen weiter für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum“, heißt es im Demonstrationsaufruf, der vor allem über Facebook verbreitet wurde: „Wir WOLLEN Landwirtschaft verändern und zukunftsfähig erhalten, brauchen dabei aber eine faire und sachbezogene Grundlage ohne rein ideologische Vorgaben.“ In dem Aufruf wendet sich das Bündnis ferner gegen das Außenhandelsabkommen Mercosur, fordern Abbau von Bürokratie und kritisieren, das Nitratmessnetz sei „mit seiner geringen Messdichte nicht repräsentativ“. Man rufe deshalb zur Demonstration auf, „wir sind gesprächsbereit, erwarten aber auch Antworten“, heißt es weiter.
Das Bündnis „Land schafft Verbindung“ ruft bereits seit Wochen zu Protesten auf und schafft es regelmäßig, Innenstädte mit ihren Traktoren-Korsos lahm zu legen. Am Dienstag kamen zu einer Kundgebung in Wiesbaden nach Angaben der Polizei rund 2.800 Teilnehmer mit etwa 1.500 Traktoren. Wer das Bündnis genau ist, dazu gibt es aber kaum Informationen. Auf Facebook existiert kein Impressum, eine allgemeine Seite im Internet lässt den Zugang von normalen Besuchern nicht zu. Mit der Presse redet man offenbar ebenso nicht besonders gerne: „Auf kritische Berichterstattung reagiert man dünnhäutig, fühlt sich schnell in eine Ecke gestellt“, berichtet etwa der Bayrische Rundfunk: „Das Gefühl, als Bauern in Sachen Umweltschutz zu den Sündenböcken der Nation gemacht zu werden, ist für viele der Grund zu demonstrieren.“
Tatsächlich redet das Bündnis „Land schafft Verbindung“ gerne pauschal von „Bauern Bashing“ und klagt weithin, Bauern seien „die Buhmänner“ der Nation. In Aufrufen wird die Verschärfung der Düngeverordnung kritisiert und ein Verbot von Pflanzengiften wie Glyphosat pauschal abgelehnt. Gegenvorschläge unterbreitet das Bündnis aber nicht: Dass Deutschland von der EU wegen viel zu hoher Nitratewerte im Grundwasser verklagt wird, dass drastische Strafen von 800.000 Euro drohen, und das pro Tag – dazu findet man auf der Facebookseite des Bündnisses kein Wort. Die Landwirte seien doch gar nicht die alleinigen Verursacher des Nitrats im Grundwasser, heißt es stattdessen.
Dabei ist gerade in Gebieten mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung die Belastung des Grundwassers mit Nitraten zum Teil extrem hoch, seit Jahren ist das bekannt. „Die höchsten Nitratgehalte des oberflächennahen Grundwassers werden in Rheinland-Pfalz mit 200 bis 350 mg/Liter an Messstellen in den Gemüseanbaugebieten um Frankenthal und Ludwigshafen gemessen“, heißt es auf der Internetseite des Mainzer Umweltministeriums. Der EU-weite Grenzwert für Nitrat im Grundwasser liegt bei 50 Milligramm pro Liter. Deutlich erhöhte Nitratwerte gebe es ferner „in den Wein- und Obstbaugebieten am Haardtrand bzw. in der Rheinhessischen Rheinniederung.“
Die bundesweit höchsten Nitratwerte werden regelmäßig in Gönnheim im Kreis Bad Dürkheim gemessen – genau im sogenannnten „Gemüsegarten“ von Rheinland-Pfalz. Nitrat in Gewässern stammt meist aus Gülle, die zur Düngung auf die Felder gebracht wird. Nitrat ist ein wichtiger Nährstoff für die Pflanzen, ein Zuviel jedoch kann zu gesundheitsschädlichem Nitrit umgewandelt werden – und das kann Kleinkinder schädigen oder auch Krebs auslösen. 42 der 117 Grundwasserkörper in Rheinland-Pfalz seien derzeit aufgrund der Nitratbelastung in keinem guten Zustand, und das Problem entstehe in erster Linie durch Überdüngung, warnt das Umweltministerium schon seit Jahren.
Auch in Sachen Insektenschutz stellen sich die Landwirte vehement gegen die Pläne der Bundesregierung. Die will ab 2024 das als giftig und vermutlich krebserregend geltende Vollherbizid Glyphosat ganz verbieten und vor allem in Naturschutzgebieten, Biotopen und Nationalparks die Anwendung von Herbiziden und biodiversitätsschädigenden Insektiziden ab 2021 verbieten. Außerdem soll bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ein Mindestabstand von fünf Metern zu Gewässern eingehalten werden – für die Landwirte unzumutbar. Das seien „gravierende Einschränkungen des Pflanzenschutzes“, die „das Aus für viele Kulturen in den betroffenen Regionen bedeuten“ würden, klagte der Bauernverband Rheinland-Pfalz Süd im November. Die Maßnahmen seien fachlich falsch, griffen massiv in die Eigentumsrechte der Landbesitzer ein „und kommen einem Berufsverbot gleich.“
Praktisch mit den gleichen Worten lehnt auch „Land schafft Verbindung“ die Maßnahmen ab, obwohl die Vereinigung sonst betont, man sie unabhängig von Bauernverbänden. Gleichzeitig wird das Gespenst eines umfangreichen Höfesterbens an die Wand gemalt und – wie im aktuellen Demoaufruf für Mainz – über „bewusste Negativdarstellungen in Medien, Politik und NGOs“ geklagt, wegen derer die Verbraucher „den Bezug und den Glauben an eine nachhaltige Landwirtschaft verloren“ hätten. Die linke Tageszeitung taz sieht denn auch deutliche Parallelen zwischen „Land schafft Verbindung“ und Kommunikationsweisen und Haltungen der AfD, teilweise seien frühere oder auch heutige AfD-Mitglieder als Pressesprecher der Bewegung aufgetreten. „Wie im AfD-Milieu ist auch bei den Demo-Veranstaltern das Misstrauen gegenüber „den Medien“ und Umweltschützern groß“, berichtete die taz zum Start der Protestwelle.
Naturschutzverbände werfen dem Bündnis denn auch vor, keine Lösungsvorschläge vorzulegen. Der Imkerverband Rheinland-Pfalz appellierte im Vorfeld der Mainzer Demo nun „an seine bodenständigen Kollegen, sich nicht in die Opferrolle zu begeben, sondern Probleme aktiv anzugehen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.“ Die Klimakrise biete große Potentiale für die Zukunft der Landwirtschaft, es brauche „Kreativität und Gestaltungswillen von jedem Bauern, um diese Möglichkeiten zu erschließen“, betonte 2. Vorsitzende des Imkerverbandes, Franz Botens. Die Imker stünden insbesondere bereit für die Mitarbeit bei der Beseitigung der Kontamination von Blütenpollen mit Wirkstoffen aus der Landwirtschaft. „Da kann die Landwirtschaft einen Beitrag gegen das Insektensterben leisten“, sagte Botens.
Auch beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) ruft man die Landwirte zur Zusammenarbeit auf: Die Proteste der Bauern verstehe man gut, sie richteten sich aber an die falsche Adresse, sagte BUND-Landeschefin Sabine Yakoub: Nicht die Auflagen für Umwelt- und Naturschutz seien an der schwierigen Einkommenssituation der Bauern schuld, „sondern die seit Jahrzehnten verfehlte Agrarpolitik“, sagte Yakoub: Die nämlich sei vor allem „auf das Wachstum von Betrieben, möglichst billige Produkte und den Export ausgerichtet.“ Das aber gehe vor allem zu Lasten der kleinen Betriebe, der BUND fordere deshalb schon seit Jahren eine Politik, „die die kleinen Betriebe stützt und gesellschaftliche Leistungen für Insektenschutz, Klimaschutz, Gewässerschutz, Bodenschutz, Tierschutz und Ähnliches honoriert.“
Noch deutlicher wurde der BUND-Regionalverband Südlicher Oberrhein: Die aktuelle Kampagne mit grünen Kreuzen, Mahnfeuern & Bauerndemos habe schlicht die Zielrichtung „rettet die Bauern durch ein Ja zu Agrargiften, Glyphosat und Massentierhaltung“, schimpft dessen Geschäftsführer Axel Mayer auf der Homepage des Verbandes. Die tatsächliche Not der kleinen und mittleren Landwirtschaft habe andere Ursachen, „und sie wird von Lobbyisten gerade gezielt missbraucht“, kritisiert Mayer. Die Ausrichtung der Kampagne nütze nämlich vor allem „den Agrochemiekonzernen und den giftdominierten Agrarfabriken und schadet Mensch, Natur, Grundwasser und Umwelt – und sie schadet auch den letzten kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland.“ Gemeinsam Lösungen zu finden, die die Artenvielfalt, aber auch die Vielfalt echter bäuerlicher Betriebe erhalte, das sei doch „eine gemeinsame Aufgabe für Umweltverbände und Landwirtschaft.“
„Die Aussage, Naturschützer würden mit Bauern nicht sprechen, ist nachweislich falsch“, betont auch Yakoub. Man rede schon lange und entwickele gemeinsam Modellprojekte und Programme wie etwa das Programm „Blühendes Rheinhessen“ für mehr Blühstreifen an Feldern – und das sowohl mit konventionellen wie auch mit Öko-Betrieben.
Info& auf Mainz&: Mehr zum Problem von Glyphosat und dem Sterben der Insekten lest Ihr bei Mainz&, alle anderen Quellen sind im Text oben angegeben.