Ausgerechnet mitten in der Fastnachtszeit muss sich die Mainzer Fastnacht von einem ihrer ganz Großen verabschieden: Joe Ludwig, legendärer Fastnachtsredner, Songschreiber und Chef der Gonsbachlerchen, ist am Dienstagabend einen Tag vor seinem 93. Geburtstag gestorben. Das bestätigte nun der Gonsenheimer Carneval Verein (GCV) auf Mainz&-Anfrage. Ludwig gehörte zu den Großen der Mainzer Fastnachtsszene, der nach dem Zweiten Weltkrieg die Fastnacht in seiner Heimatstadt zu neuer Blüte führte. Er war einer der legendären Redner der politisch-literarischen Fastnacht, er textete Hits für Margit Sponheimer wie „Wähle 06131“ und blieb bis ins hohe Alter hinein aktiv als Journalist und Autor. Mainz verneigt sich vor einer Fastnachts-Legende.

Joe Ludwig in seiner berühmtesten Rolle als "Domschweitzer" bei "Mainz bleibt Mainz" 19081. - Screenshot: gik
Joe Ludwig in seiner berühmtesten Rolle als „Domschweitzer“ bei „Mainz bleibt Mainz“ 19081. – Screenshot: gik

Herbert Bonewitz, Ernst Neger, Margit Sponheimer – es waren die Großen der Mainzer Fastnacht, mit denen Joe Ludwig gemeinsam auf den närrischen Bühnenbrettern stand. Geboren wurde Joe Ludwig am 9. Februar 1929 in Mainz, 1946 gründete er die Gonsbachlerchen, dort war unter anderem ein gewisser Herbert Bonewitz mit von der Partie. In den 1960er Jahren baute er die Öffentlichkeitsarbeit des Polizeipräsidiums Mainz auf und arbeitete als Pressesprecher für insgesamt sechs Polizeipräsidenten.

Bekannt und berühmt aber wurde Ludwig durch seine Büttenreden in der Mainzer Fastnacht: Mit dem „Schneeräumer“ oder dem „Würstchenverkäufer“ brachte er echte Typen auf die närrische Rostra, die genau so schwätzten wie ihr Urheber: Geradlinig, klug beobachtet, pfiffig und Meenzerisch. Der politisch-literarischen Fastnacht in ihrer besten Form gehörte sein Herz. Seine Reime waren geschliffen und liefen so rund, dass man erst gar nicht merkte, dass da einer in Reimen sprach.

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Legendäre Reden der politisch-literarischen Fastnacht: damit wurde Joe Ludwig weit über Mainz hinaus berühmt. - Screenshot: gik
Legendäre Reden der politisch-literarischen Fastnacht: damit wurde Joe Ludwig weit über Mainz hinaus berühmt. – Screenshot: gik

Legendär wurde sein Auftritt als „Domschweitzer“ bei „Mainz bleibt Mainz“ im Jahr 1981, denn Ludwig nahm ausgerechnet den Papstbesuch in Mainz-Finthen aufs Korn. Dass sich ein Fastnachter an Papst und Kirche traute, das war damals noch neu und unerhört – die Kirche nahm es ihm indes nicht krumm: Das Bistum Mainz ehrte Ludwig mit einem eigens für den Papstbesuch geschaffenen Orden, berichtete einmal die Kirchenzeitung.

Doch Ludwig war nicht nur Redner und Autor von Vorträgen: Für die Gonsbachlerchen und für die Mainzer Fastnachtsikone Margit Sponheimer schrieb er Liedtexte, später verfasste er Hörspiele und kommentierte über viele Jahren hinweg den Mainzer Rosenmontagszug im Fernsehen. „Er war einer der kreativsten Menschen, die ich je kennengelernt habe“, sagte einmal der spätere Sitzungspräsident von „Mainz bleibt Mainz“, Hans-Peter Betz, in einem Fastnachts-Rückblick des SWR über Ludwig. Nach seinem Eintritt in den „Ruhestand“ widmete sich Ludwig mit vollem Eifer dem Lokaljournalismus und schrieb mit Begeisterung Kolumnen in seiner geliebten Meenzer Mundart – am liebsten über Mainz.

Mit Herbert Bonewitz, hier als Clown am Flügel, stand Joe Ludwig bei den Gonsbachlerchen auf der Bühne. Foto: Privatarchiv Bonewitz
Mit Herbert Bonewitz, hier als Clown am Flügel, stand Joe Ludwig bei den Gonsbachlerchen auf der Bühne. Foto: Privatarchiv Bonewitz

„Joe Ludwig gehört zu den zweifelsohne bekanntesten Fastnachtspersönlichkeiten unserer Stadt“, würdigte ihn der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) 2019 zu Ludwigs 90. Geburtstag: „Er hat als Domschweizer, Schneeräumer, Postensteller, Rheinhessen-Bauer oder Drehorgelmann mit seinen zahlreichen Auftritten Fastnachtsgeschichte geschrieben. “ Auch in seinen letzten Jahren sei Ludwig „nach wie vor ein brillanter Beobachter unserer geliebten Stadt“, geblieben, betone Ebling: „Ich schätze seinen nimmermüden Geist und seine scharfe Feder und lese seine kritisch-humorvollen journalistischen Beiträge immer wieder gerne, insbesondere dann, wenn er sie in Form einer Mundart-Glosse verfasst.“

Ludwigs „Kraftquelle, das kann jeder leicht erkennen, war immer der Humor, mit dem ihn der liebe Herrgott besonders reichlich gesegnet hat“, sagte Ebling – Joe Ludwig habe „so selbstverständlich zur Meenzer Lebensart gehört wie Weck, Worscht und Woi.“ Mainz verliert damit binnen kurzer Zeit einen weiteren Großen der Mainzer Fastnacht – erst vor knapp einem Jahr war Ur-Fastnachter und MCV-Ehrenpräsident Rudi Henkel gestorben.

Joe Ludwig. - Foto: GCV
Joe Ludwig. – Foto: GCV

„Die Nachricht vom plötzlichen Tod Joe Ludwigs hat den Gonsenheimer-Carneval-Verein tief getroffen“, sagte am Abend auch GCV-Präsident Martin Krawietz: „Joe war über Jahrzehnte die prägende Persönlichkeit unseres Vereins.“ Ludwig sei „Vorstandsmitglied, Motor und ideenreicher Mittelpunkt, geistreicher, humorvoller und künstlerischer Geist“ gewesen, er habe als Sitzungspräsident und Protokoller „durch grandiose Rhetorik und schlagfertigen Humor Maßstäbe gesetzt, seine Büttenvorträge und Lieder gehörten jahrzehntelang zum Besten, was die Mainzer Fastnacht ausgezeichnet hat.“

Immer habe sich Ludwig seiner Vaterstadt Mainz und seinem Heimatsstadtteil Gonsenheim tief verbunden gefühlt. „Die ganze GCV-Familie ist Joe Ludwig zu großem Dank verpflichtet“, sagte Krawietz: „Wir werden sein Andenken in Ehren halten. Unser Mitgefühl gilt seiner Frau, seinen Kindern und Enkeln.“ Ludwig dichtete im Übrigen auch die Ur-Gonseheimer-Hymnae: „Wir Gunsenumer sind die scheenste Leit…“

Margit Sponheimer als trauriger Clown im Jahr 2017 bei der GCV-Jubiläumssitzung - das Lied schrieb Joe Ludwig für sie. - Foto: gik
Margit Sponheimer als trauriger Clown im Jahr 2017 bei der GCV-Jubiläumssitzung – das Lied schrieb Joe Ludwig für sie. – Foto: gik

Tief betroffen zeigte sich am Abend auch Margit Sponheimer von der Nachricht vom Tod Joe Ludwigs. „Ich habe einen Freund verloren, das trifft mich sehr tief“, sagte die Mainzer Ehrenbürgerin gegenüber Mainz&. Seit den 1960er Jahren habe sie Ludwig gekannt, „die ganzen letzten Jahre hat er meine Liedtexte geschrieben“, erzählt sie. „Einen ganzen Korb voll Grünes“ schrieb Ludwig für die bekannteste Fastnachtssängerin der Republik, das Lied vom traurigen Clown, und natürlich den Hit „Wähler ß06131 – dann hast Du Mainz an der Strippe.“

„Er hatte tolle Ideen, er war kritisch“, erzählt Sponheimer, und er habe sie auch dazu gebracht, „dass ich auch mit zeitkritischen Texten anfing“ – etwa als sie als Waschfrau auf der Bühne stand. „Sein Tod geht mir sehr nah“, sagte Sponheimer weiter, „heute hätte er seinen 93. Geburtstag gefeiert.“ Und dann zitiert sie spontan eine Liedzeile aus dem Lied vom traurigen Clown: „Sagt Ja, sagt dreimal Ja zu Eurem Leben.“

Info& auf Mainz&: Das Lied vom traurigen Clown, gesungen von Margit Sponheimer könnt Ihr selbst anhören: Hier auf dem Youtube-Kanal von Mainz&.