Die Linke in Mainz versteht sich konsequent als soziale und wahre linke Alternative zu den anderen Parteien – sie sieht sich als anti-neoliberal, sozialistisch und solidarisch. Verankert ist sie im linken Arbeiter- und Studentenmilieu der Mainzer Neustadt, ihre Themen: ein sozialer Aufbruch, Solidarität, günstiger Wohnraum. Mit diesen Themen zieht die Linke auf in den Kommunalwahlkampf 2019 und hofft auf Zugewinne – im Stadtrat konnte sie in den vergangenen fünf Jahren keine großen Akzente setzen.
4,6 Prozent erzielte die Linke bei der Kommunalwahl 2014, mit dem Zuwachs konnte die Partei ihre Plätze im Mainzer Stadtrat auf drei steigern. Die neue Fraktion bestand zunächst aus der Fraktionsvorsitzenden Waltraud Hingst, Jasper Proske und Katharina Jahn, die später durch Zorlu Üna ersetzt wurde, später schloss sich auch Ex-Pirat Xander Dorn der Linksfraktion an. Fraktionschef war zuletzt Jasper Proske – er gehört auch zu den bekanntesten Gesichtern der Mainzer Linken auf der politischen Ebene, zusammen mit Neustadt-Ortsbeirat Sigi Aubel.
Frontmannn der Linken ist aber Kreischef Tupac Orellana, der 33-Jährige ist seit drei Jahren Kreischef der Linken Mainz-Bingen und seit 2014 Geschäftsführer der Linken-Stadtratsfraktion. Der Mann mit dem markanten Che Guevara-Bart, der auch gerne mal mit einer kubanischen Zigarre posiert, hat einen chilenischen Vater und eine deutsche Mutter. Gerade ist er in Elternzeit – gemeinsam mit der grünen Verkehrsdezernentin Katrin Eder hat Orellana jüngst Zwillingskinder bekommen. Politisch holte Orellana die Linke in Mainz aus ihrem Dahindümpeln, stellte Grabenkämpfe und Streitereien ab und tritt nun konsequenterweise als Spitzenkandidat für den Mainzer Stadtrat an.
„Wir sind die einzige Kraft, die sich gegen soziale Kälte, rechte Hetze und Alternativlosigkeit stellt“, sagte Orellana auf einem Parteitag im Januar 2018. Die Linke müsse „die Erwerbslosen ermächtigen, sich aus der Hartz IV-Falle zu befreien“, sie müsse „Korruption und Profitgier in Politik und Wirtschaft aufdecken.“ Als Erfolge seiner Bilanz als Kreischef nannte er bei seiner Wiederwahl im Januar 2018: „Wir konnten den Kontakt zu den Gewerkschaften stärken, haben uns Vertrauen in der antifaschistischen Szene erarbeitet, uns in der Flüchtlingssolidarität bekannt gemacht und gemeinsam mit der kurdischen Community so manche Demo und Kundgebung gemeistert.“ Gemeinsam mit einem guten Team habe er „den Kreisverband aus der Paralyse geholt“ und bei der Bundestagswahl 2017 das beste Wahlergebnis der linken Parteigeschichte erreicht.
10 Jahre sitzt Die Linke nun im Mainzer Rathaus, eine echte Durchschlagskraft entwickelte sie dort bislang nicht. Ihre natürlichen Koalitionspartner wären am ehesten SPD und Grüne, die koalieren seit zehn Jahren aber lieber mit der FDP – im Oppositionslager mit CDU, Freien Wählern und ÖDP gibt es wenig Gemeinsamkeiten. Die Linke kümmerte sich vorwiegend um Themen wie bezahlbares Wohnen, forderte, Grundstück und Immobilie des Taubertsbergabdes in städtischer Hand zu belassen und fragte kritisch bei der geplanten Deponie im Weisenauer Steinbruch nach. Gemeinsam mit der ÖDP (!) stellte sie im September 2018 die schrittweise Umstellung des Essens in städtischen Kitas auf Frischeküche – vergebens.
In den vergangenen Jahren seien die Anträge der Linken „jedes Mal abgeschmettert“ worden, klagt die Partei. Ihr größter Erfolg: Im April beschloss der Stadtrat auf Antrag der Linken, sich der Initiative „sicherer Hafen für Menschen aus Seenot“ anzuschließen.
Ko-Spitzenkandidatin der Linken ist die auf Platz zwei kandidierende Grafikdesignerin Carmen Mauerer. Die 31-Jährige ist bislang auf der politischen Bühne der Stadt nicht in Erscheinung getreten, sie beschreibt sich selbst als aktiv in der Flüchtlingshilfe und für Umweltschutz, Feminismus und Anti-Rassismus. Sie sei Mitorganisatorin des gemeinnützigen Herzblick-Festivals und des soziokulturellen Treffpunkts „Zum Bauwagen“ an der Planke Nord.
Auf Platz drei steht die Studentin Leonie Sayer, die 22-Jährige studiert Philosophie und Politik und arbeitet neben dem Studium als Wohngruppenbetreuerin für unbegleitete minderjährige Geflüchtete und in einem Kinderheim. „Die soziale Frage muss wieder mehr in den Vordergrund gerückt werden, um die Missstände in unserer kapitalistischen Gesellschaft anzuprangern“, findet Sayer. Sie wolle sich im Stadtrat „für eine soziale Wende in Mainz einsetzen, die Menschen mit kleinem Geldbeutel nicht gegeneinander ausspielt, sondern gegen gesellschaftliche Spaltungsprozesse entschieden vorgeht und den Mut hat nach oben und nicht nach unten zu greifen.“
Auf Platz vier steht der Rechtsanwalt Martin Malcherek, de 46-Jährige trat schon bei der Bundestagswahl 2017 als Kandidat der Linken an – mit einem unkonventionellen, frischen Wahlkampf. „In der Mainzer Politik muss endlich ankommen, dass die großen Probleme unserer Zeit auch vor Mainz nicht halt machen“, findet Malcherek. Klimawandel, Mietenwahnsinn, Armut und Verdrängung seien längst im Mainzer Alltag angekommen und müssten auch hier bekämpft werden. „Ein „Weiter so“ kann und darf es nicht geben“, fordert Malcherek: „Wir brauchen einen radikalen Politikwechsel.“
Die Linke fordert deshalb auch Autos raus aus der Stadt, den Ausbau des ÖPNV, ein 365-Euro-Ticket sowie ein echtes Sozialticket für Mainz. und die aktive Unterstützung „der Kreativszene von Weltstadtniveau“ mit Ateliers, Proberäumen und Auftrittsmöglichkeiten.
Umfangreichster Antrag der Linken im Stadtrat war zudem ihre Forderung eines Masterplans für Wohnraum im November 2018. Die Linke habe schon im Kommunalwahlkampf 2014 ein Programm zum Bau von mittelfristig 15.000 Wohneinheiten gefordert, „zu Recht, wie sich heute bewahrheitet“, heißt es da. Stattdessen seien von den rund 4.200 durch private Investoren entstandenen Wohnungen lediglich zwei Prozent geförderter Wohnraum – „die städtebaulichen Vorgaben der Stadt Mainz haben sich als untaugliches Instrument erwiesen“, kritisiert die Linke. Besonders die Preisentwicklung im Zollhafen sei „völlig aus dem Ruder gelaufen.“
Die Linke fordert deshalb ein ein wohnungspolitisches Handlungskonzept, das die Bedarfe einzelner Stadtteile und Bevölkerungsgruppen benennt, sowie ein eigenständiges kommunales Wohnungsbauprogramm für den Bau von Sozialwohnungen und den Ankauf von Belegungsbindungen. Ziel sei für 10 Jahre die Schaffung von 2.000 Wohnungen pro Jahr mit Bindungen von mindestens 40 Jahren. Bei allen Neubauvorhaben brauche es einen Pflichtanteil von mindestens 30 Prozent Sozialwohnungen sowie die Einführung sozialer Erhaltungssatzungen, um die Wohn-Zusammensetzung bestimmter Quartiere zu schützen und Mietsteigerungen und Verdrängung offensiv zu begegnen. Eine aktive Bodenpolitik und der Stopp des Verkaufs städtischer Grundstücke runden das Programm ab.
„Für viele soziale Projekte hätte es eine Ratsmehrheit aus SPD, Grünen und Linken gegeben, doch SPD und GRÜNE haben sich lieber hinter der FDP versteckt um ihr Wahlprogramm aus dem Jahre 2014 nicht umsetzen zu müssen“, kritisiert das linke Spitzenduo. Deshalb wolle die Linke 2019 noch mehr Vertreter in den Stadtrat schicken, „um die Blockade der Ampel endlich zu durchbrechen.“ Der Mainzer Stadtrat müsse „wieder relevante Entscheidungen nach der Wichtigkeit für die Menschen in Mainz treffen und nicht nach Parteibuch der Antragstellenden.“ Ob die Mainzer das auch so sehen, zeigt sich am 26. Mai.
Info& auf Mainz&: Mehr zum Wahlprogramm der Mainzer Linken findet Ihr auf dieser Internetseite – ein komplettes Wahlprogramm haben wir da nicht gefunden. Wir hatten übrigens die Linke gebeten, uns weitere Informationen sowie eben dieses Wahlprogramm zu schicken – auf die Email warten wir noch heute…
Kommunalwahl&: Dieser Artikel ist Teil unserer Serie im Vorfeld der Kommunalwahl, dabei stellen wir (nach Möglichkeit) alle bisher im Stadtrat vertretenen Parteien in einer Analyse und mit ihren Wahlprogrammen vor. Die anderen Artikel findet Ihr hier:
- „Mainz für Alle“ – SPD wirbt im Kommunalwahlkampf mit bezahlbarem Wohnen, guten Kitas und besserer Mobilität
- „Wir bauen neue Brücken für Mainz“ – Mainzer CDU zieht mit Infrastrukturprojekten in Kommunalwahl – Endspurt mit Rotem Sofa
- FDP setzt bei Kommunalwahl auf eine neue Rheinbrücke, starke Wirtschaft – und neue Standorte für Wohngebiete
- „Partei der Bürger“, Kampf für Grünflächen, guten ÖPNV, Mainz-Masterplan – ÖDP hofft am Sonntag auf Zugewinne
- Freie Wähler: „Machen statt Meckern“ – Wählergemeinschaft tritt runderneuert zur Wahl an
- „Klar!“: Grüne treten mit Klimaschutz, grüner Mobilität und bezahlbarem Wohnraum zur Kommunalwahl 2019 an
Weitere Artikel zur Kommunalwahl:
- Quartiersprojekte, Leerstände, Wirtschaftsförderung – Fachkräfteforum Mainz befragte Kommunalpolitiker zur Förderung des Mittelstandes
- „Unüberschaubar, undefinierbar, ungerecht“ – CDU und FDP fordern Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, SPD und Grüne dagegen – UPDATE und Kommentar