Am heutigen Mittwoch dürfen Restaurants und Gaststätten in Rheinland-Pfalz erstmals seit acht Wochen wieder öffnen, doch begeistert ist davon beileibe nicht jeder Wirt: „Ich werde dieses Szenario aus Überzeugung erstmal nicht mitmachen“, schreibt etwa der Mainzer Restaurantbetreiber Bruno Lambri auf seiner Homepage. Die rigiden Vorschriften zu Mindestabstand und Hygiene würden doch eher zu chaotischen Situationen und zu unkalkulierbar hohen Kosten führen, eine Kombination mit Essen to Go sei realistisch nicht organisierbar, begründet Lambri seine Haltung – er ist nicht der einzige Wirt, der so denkt. Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) sagte hingegen im Wirtschaftsausschuss des Landtags: „Ich glaube, dass die Öffnung der Gastronomie jetzt gut laufen wird.“

Mainzer Gastwirte kämpften mit Aktionen wie "Leere Stühle" für die Wiederöffnung, doch die strengen Regeln ernüchtern viele. - Foto: gik
Mainzer Gastwirte kämpften mit Aktionen wie „Leere Stühle“ für die Wiederöffnung – hier Laurenz Burkardt vom Aposto -, doch die strengen Regeln ernüchtern viele. – Foto: gik

Das Land Rheinland-Pfalz hatte vergangene Woche entschieden, dass Restaurants und Gaststätten ab dem 13. Mai wieder öffnen dürfen – auch auf massiven Druck der Branche hin. Doch seit das Land vergangenen Freitag die genauen Regeln für die Wiederöffnung bekanntgab, herrscht vielerorts Ernüchterung: Strenge Abstandsregeln und Zugangskontrollen, dazu Beschränkungen für den Toilettengang, aber auch für Biertische, Bars dürfen gar nicht benutzt werden – viele Wirte fragten sich da: Wie soll das gehen?

Die Folge: In Mainz kündigten wie in vielen anderen Orten auch bereits mehrere Wirte an, unter diesen Bedingungen nicht wieder zu öffnen. „Ich werde dieses Szenario aus Überzeugung nicht mitmachen“, schreibt etwa der Betreiber des Restaurants „Bei Bruno“ aus Mainz-Hechtsheim. Auch wenn viele Gastronome die Lockerungen gewünscht hätten, die Abläufe seien „einfach nicht umsetzbar und führen nur zu chaotischen Situationen.“ Die „erwünschte Flut an Gästen“ werde sowieso erst einmal nicht kommen, die Größe seines Restaurants in Kombination mit Essen zum Mitnehmen gebe „ein ordentliches Arbeiten dann einfach nicht mehr her.“

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Auch Lambri hatte wie viele seiner Kollegen in der Coronakrise statt Essen im Haus auf Essen außer Haus umgesattelt – viele fahren damit gar nicht mal so schlecht. Die Möglichkeit Essen zum Abholen anzubieten, „ist der Grund das es uns noch gibt“, betont der Gastronom weiter. Das jetzt zu riskieren, während mit der Öffnung ein unkalkulierbarer Umsatz drohe, er aber gleichzeitig hohe Kosten habe, halte er für unverantwortlich: „Ich werde in der Ausübung meiner Passion massiv eingeschränkt, einen wirtschaftlichen Vorteil bringt das auch auf keinen Fall“, schreibt der Wirt weiter: „Chaos, Verwirrung und in meinen Augen mit 25 Jahren Berufserfahrung ist es falsch jetzt aufzumachen.“

Wie viele der kleinen Restaurants in Mainz, wie hier in der Gaustraße, werden ab Mittwoch überhaupt öffnen? - Foto: gik
Wie viele der kleinen Restaurants in Mainz, wie hier in der Gaustraße, werden ab Mittwoch überhaupt öffnen? – Foto: gik

Lambri ist beileibe nicht der einzige: Auch das Mainzer Kult-Café „Dicke Lilli, gutes Kind“ will nach Mainz&-Informationen erst einmal nicht wieder aufmachen. „Ich gebe Dir uneingeschränkt Recht, wir im ‚Esszimmer‘ in Bodenheim werden es genauso machen“, kommentierte Sebastian Rinck unter Lambris Facebook-Post, und schimpfte: „Mit dieser Entscheidung hat die Politik lediglich die Verantwortung von sich geschoben, und das ist gegenüber dem Gast und unserem Personal total unverantwortlich jetzt zu diesen Bedingungen zu öffnen.“

Bei der Industrie- und Handelskammer Rheinhessen (IHK) heißt es hingegen, man sei sehr optimistisch, was die Öffnungen angehe. „Wir haben darum gekämpft und Hygieneregeln entwickelt, wir wollen der Gastronomie helfen“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Günter Jertz am Dienstag gegenüber Mainz&. Die Gastronome wollten „wieder ran an die Kundschaft, ich glaube schon, dass es ihnen hilft“, sagte Jertz, räumte aber auch ein, das sei „ein erster Step, noch keine Normalität.“

Viele Stühle in der Mainzer Gastronomie werden auch ab Mittwoch noch leer bleiben. - Foto: gik
Viele Stühle in der Mainzer Gastronomie werden auch ab Mittwoch noch leer bleiben. – Foto: gik

Auch Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) sagte am Montag im Wirtschaftsausschuss des Landtags: „Ich glaube, dass die Öffnung der Gastronomie jetzt gut laufen wird.“ Durch die Öffnung der Gastronomie würden nun „gute Chancen“ entstehen, er hoffe zugleich, „dass die Regeln alle eingehalten werden“, betonte Wissing. Der Minister räumte zugleich aber auch ein, dass jede Menschenansammlung in einem geschlossenen Raum ein erhöhtes Infektionsrisiko bedeute: „Man kann ein Infektionsrisiko nicht vollständig ausschließen, das ist nicht so“, sagte Wissing. Wenn man sich mit einem Coronaerkrankten in einem geschlossenen Raum aufhalte, bestehe ein erhöhtes Risiko, das gelte aber auch für den ÖPNV. Eine Lockerung sei deshalb immer eine Abwägung.

Virologen wie der SPD-Politiker Karl Lauterbach warnen, die Viren könnten sich lange in der Raumluft halten, weil sie an Luftteilchen, den sogenannten Aerosolen, lange schweben könnten. Die Wissenschaft ist sich inzwischen sicher, dass das neuartige Virus SARS-CoV-2 vor allem stark durch die Luft übertragen wird: Das Virus docke an winzige Partikel in der Luft an, die sogenannten Aerosole könnten mehrere Stunden in der Luft schweben und das Virus so von Person zu Person übertragen, erklärte SPD-Gesundheitsexperte und Virologe Karl Lauterbach jüngst erneut in der ZDF-Talkshow „Lanz“. Lauterbach warnte auch: Gerade in der Gastronomie sei in den engen Räumen eine Ansteckungsgefahr besonders hoch, Klimaanlagen verbreiteten nachweislich das Virus von einem Ende zum anderen.

Enge Räume, viele Vorschriften - wohl dem Gastronom, der eine Außenfläche sein eigen nennt. - Foto: gik
Enge Räume, viele Vorschriften – wohl dem Gastronom, der eine Außenfläche sein eigen nennt. – Foto: gik

Das Problem vieler Mainzer Gastronome: Ihre Gaststätten sind klein und eng, die Abstandsregeln nur mit großen Einbußen einzuhalten – manch ein Gastronom bekommt nicht mehr als zehn Gäste gleichzeitig unter. Um dafür den Aufwand eines Küchenteams und einer Gaststättenöffnung zu betreiben, für viele rechnet sich das schlicht nicht. Mit den neuen Abstandsregeln könne er nur rund fünf Gäste gleichzeitig in seine Kneipe „Good Times“ lassen, berichtete etwa der Mainzer Gastronom Michael Vogt dem Onlinemagazin „Boostyourcity“. Gleichzeitig müsse er aber Personal für die Einlasskontrollen und die Theke abstellen und alle Kosten für den Abend wie Strom und Material erwirtschaften – eine Rechnung, die nicht aufgehe: „In dem Moment wo ich auf mache, mache ich zur Zeit mehr Minus, als wenn ich zu lasse“, berichtet Vogt, der in Mainz vor allem für seinen Rockkeller „Alexander the Great“ bekannt ist.“

Viele Gastronome haben zudem Angst, dass mit der Öffnung die Politik die Probleme auf die Gastwirte abwälzt: Solange die Schließung von der Politik verordnet war, greifen Kurzarbeiterregelungen, staatliche Hilfen und Versicherungen – mit der Erlaubnis zu öffnen, kann das alles schlagartig wegfallen. Vogt plädiert deshalb für ein anderes System staatlicher Hilfen, eine monatliche Existenzsicherungssumme, die das Gastronom dem Staat nachweist. Und diese monatlichen Hilfe brauche es auch noch nach den Öffnung, da durch die geringe Gästeanzahl der Unternehmer weniger Umsatz macht – bei gleichbleibenden Kosten.

„Mit der heutigen Vorstellung der Lockerung in der Gastronomie wurde bei vielen der letzte Sargnagel eingeschlagen“, glaubt Vogt deshalb auch, und schrieb genau das am 6. Mai in einem Brief an Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) – seinen Parteifreund. Der Stadt wirft Vogt vor, die Gastronome im Stich zu lassen und mit dem System der Außenbewirtschaftung eine Drei-Klassen-Gesellschaft zu schaffen. „Fast alle anderen Bundesländer und auch zahlreiche Städte wie beispielsweise Ingelheim zahlen weitere Gelder, um die Unternehmen zu unterstützen“, sagt Vogt – das täten aber weder Mainz noch das Land Rheinland-Pfalz: „Letztendlich scheint es der Stadt egal zu sein.“

Info& auf Mainz&: Die strengen Regeln zur Wiederöffnung der Gastronomie könnt Ihr hier noch einmal bei Mainz& nachlesen, den Brief des Gastronom Lambri an seine Kunden findet Ihr hier im Internet. Das ganze Gespräch von Boostyourcity mit Wirt Michael Vogt könnt Ihr hier lesen.

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