In der rheinland-pfälzischen FDP tobt offenbar ein harter Machtkampf um die künftige Ausrichtung der liberalen Partei. Nach dem völlig überraschenden Abgang von Bundesverkehrsminister Volker Wissing im November 2024, müssen sich die Liberalen in Mainz nun neu aufstellen. Und dabei gibt es offenbar Versuche, die Mainzer Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt als neue FDP-Chefin zu verhindern. Schmitt muss sich aktuell Vorwürfen wegen Begünstigung ihres Ehemannes stellen. Zudem sorgte die FDP dafür, dass die rheinland-pfälzische FDP im Bundesrat gegen das Schuldenpaket in Berlin stimmte. Beobachter sprechen von einem „Machtkampf“, führende Liberale übten druck auf Schmitt aus – womöglich ziehe auch Wissing noch „Strippen“.

Die FDP wurde nach dem Ampel-Aus mit ihrem Bundeschef Christian Lindner zu Bruchpiloten. - Foto: gik
Die FDP wurde nach dem Ampel-Aus mit ihrem Bundeschef Christian Lindner zu Bruchpiloten. – Foto: gik

Die FDP hatte bei der Bundestagswahl am 23. Februar ein Debakel erlebt: Mit ganzen 4,3 Prozent der Stimmen flogen die Liberalen zum zweiten mal in ihrer Geschichte aus dem Deutschen Bundestag. Die FDP zahlte damit neben den beiden anderen Ampel-Parteien SPD und Grünen – die von den Wählern ebenfalls abgestraft wurden – den höchsten Preis, und muss nun um ihre politische Existenz kämpfen. Dabei kommt vor allem den Landesverbänden eine besondere Bedeutung zu, die noch in Parlamenten sitzen – oder sogar in einer Regierung.

Aktuell ist die FDP noch in acht von 16 Länderparlamenten vertreten, an Regierungen ist sie aber nur noch in zwei Ländern beteiligt – in Sachsen-Anhalt und in Rheinland-Pfalz. In beiden Bundesländern aber wird im Frühjahr 2026 neue gewählt, in Rheinland-Pfalz wird das am 22. März 2026 der Fall sein. Für die FDP könnte sich dann erneut die Schicksalsfrage stellen: Auch hier liegen die Liberalen in Umfragen derzeit lediglich zwischen 4 und 5 Prozent – und Ampel-Koalitionen erfreuen sich derzeit keiner besonders großen Beliebtheit bei den Wählern.

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FDP: Absturz bei der Bundestagswahl, Bangen vor Landtagswahl 2026

In Rheinland-Pfalz stehen die Liberalen dabei vor besonderen Herausforderungen: Als am 6. November 2024 die Ampel in Berlin mit einem Riesenkrach zerbrach, entschied sich Volker Wissing lieber dafür, aus der FDP auszutreten, anstatt sein Ministeramt niederzulegen. Wissing aber war auch Landeschef der Liberalen in Rheinland-Pfalz, der FDP-Landesverband ist seither ohne Führung, durch den Bundestagswahlkampf führten den verband mehr oder weniger die beiden Stellvertreterinnen: Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt und die Bundestagsabgeordnete Carina Konrad.

Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) gerät derzeit heftig unter Druck. - Foto: MWVLW-RLP/ Jan Hosan
Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) gerät derzeit heftig unter Druck. – Foto: MWVLW-RLP/ Jan Hosan

Von besonderem Erfolg war das nicht gekrönt: In Mainz, eigentlich einer liberalen Hochburg, kam die FDP noch gerade auf 5,1 Prozent der Zweitstimmen, das waren satte sechs Prozentpunkte weniger als 2021. Am 5. April will sich die FDP Rheinland-Pfalz nun neu aufstellen, gerade erst hatte auch Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt kurz vor knapp ihre Kandidatur für den Landesvorsitz angemeldet – doch offenbar regt sich Widerstand.

Am Donnerstag berichtet plötzlich das Internetportal Business Insider, die FDP-Ministerin gerate aktuell „unter Filz-Verdacht“. Ihr Ehemann, ebenfalls ein FDP-Mitglied, habe 2020 „unter fragwürdigen Umständen“ Fördergelder der landeseigenen Investitionsbank ISB erhalten, in der Schmitt zu der Zeit stellvertretende Verwaltungsratschefin war. Dazu berichtete der SWR, Schmitt habe ihren Mann, der eigenständiger Unternehmer ist, mit auf eine Brasilienreise genommen, dort sei er als Mitglied der Wirtschaftsdelegation mitgereist.

Vorwürfe gegen Wirtschaftsministerin Schmitt: Ehemann bevorzugt?

Schmitt wies die Vorwürfe entschieden zurück: Sie habe in ihrer damaligen Funktion als stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende „schon zu Beginn des Prozesses größtmögliche Transparenz hergestellt“, teilte die Ministerin auf Mainz&-Anfrage über einen Sprecher mit: „Obwohl dies nach Prüfung der Rechtsabteilung der ISB nicht erforderlich gewesen wäre, bestand Frau Schmitt im konkreten Fall darauf, zusätzlich den Verwaltungsrat der ISB informieren zu lassen, um die persönliche Beziehung zwischen ihr und dem Antragsteller offenzulegen.“

Die rheinland-pfälzische FDP beim Wahlkampfauftritt von FDP-Chef Christian Lindner in Mainz. - Foto: gik
Die rheinland-pfälzische FDP beim Wahlkampfauftritt von FDP-Chef Christian Lindner in Mainz. – Foto: gik

Alle Entscheidungen der ISB zu diesem Engagement sollten zudem dem Compliance-Beauftragten der ISB und dem Vorstand zur Kenntnis gegeben werden, „um auch in Zukunft jeglichen Anschein entgegenzuwirken“, so die Stellungnahme weiter. Schmitt habe ihren Ehemann auch nicht auf die Brasilienreise „mitgenommen“: Die Wirtschaftsreise nach Brasilien im Jahr 2024 sei eine Reise im Rahmen des Außenwirtschafts-Programms „Gemeinsam auf Auslandmärkte 2024“ des Wirtschaftsministeriums Rheinland-Pfalz gewesen.

Für die Reise hätten sich Unternehmen bewerben können, zu den 15 interessierten Unternehmen habe auch die Firma EnterpriseMind GmbH gehört – alle Interessierten hätten an der Reise teilgenommen, eine Auswahl sei nicht erfolgt. Die Teilnehmer hätten die Reisekosten zudem selbst getragen, die weiteren Kosten der Delegationsreisen hätten sich pro Unternehmen auf 3.492 Euro belaufen, und seien über eine Deminimis-Förderung  von der Außenwirtschaftsförderung des Landes Rheinland-Pfalz übernommen worden.

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CDU fordert „volle Transparenz“ und beantragt Sondersitzung

Doch die CDU-Opposition griff das Thema auf und forderte auch von Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD), Transparenz herzustellen. „Ministerin Schmitt muss lückenlos aufklären, wir verlangen absolute Transparenz“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Marcus Klein. Brisant dabei auch: Schmitt war zu dem Zeitpunkt Staatssekretärin im rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerin – unter Minister Volker Wissing. „Uns interessiert auch, welche Rolle Volker Wissing in den Angelegenheiten genau gespielt hat: War er in die Entscheidungen seiner Staatssekretärin eingebunden?“, will die CDU deshalb wissen.

Zieht Ex-FDP-Landesvorsitzender Volker Wissing weiter die Kreise im Machtkampf der rheinland-pfälzischen FDP? - Foto: gik
Zieht Ex-FDP-Landesvorsitzender Volker Wissing weiter die Kreise im Machtkampf der rheinland-pfälzischen FDP? – Foto: gik

„Im Moment sehen wir in der Angelegenheit viele Fragen, die dringend überzeugende Antworten erfordern“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Helmut Martin. Die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz und die Menschen im Land hätten „ein Recht auf Aufklärung der Einzelheiten der steuerfinanzierten Wirtschaftsförderung des Unternehmens von Schmitts Ehemann sowie die Gründe für seine Teilnahme an der Delegationsreise“, betonte Martin. Die CDU-Landtagsfraktion hat deshalb für kommende Woche eine Sondersitzung des rheinland-pfälzischen Wirtschaftsausschusses beantragt, dort soll Schmitt Stellung nehmen.

Inzwischen berichtete der „Business Insider“ aber auch, Schmitt habe mittlerweile eingeräumt, ihr Mann habe sie sogar bei insgesamt vier Delegationsreisen begleitet: Neben Brasilien gehe es dabei um drei weitere ähnliche Reisen, nämlich 2023 nach Ruanda sowie 2024 nach Indien und Paris. Die Enterprise Mind GmbH hat ihren Sitz in Mainz, laut ihrer Homepage bietet sie SAP-Lösungen für „Rechnungswesen, Finanzen und Controlling“ an. Eine besondere internationale Ausrichtung oder Geschäftspartner in anderen Ländern sind auf der eher einfach gehaltenen Homepage nicht zu erkennen.

SWR: Gruppe in FDP will Schmitt als neue Landeschefin verhindern

CDU-Generalsekretär Jo Steiniger sprach denn auch von einem „Machtkampf“ in der rheinland-pfälzischen FDP, und warf den Liberalen vor, damit auch die Handlungsfähigkeit der Mainzer Ampel-Regierung zu blockieren. Die hatte am Freitag für eine Enthaltung der Mainzer Ampel zum Schuldenpaket im Bundesrat gesorgt, was einem faktischen Nein gleichkam. Steiniger kritisierte, das Nein aus Rheinland-Pfalz sei „enttäuschend“ – dabei habe Ministerpräsident Schweitzer „noch am Dienstag am Rednerpult des Deutschen Bundestags betont, wie wichtig diese Änderung für unser Land und die finanziell angeschlagenen Kommunen ist.“

Gegenspielerin von Daniela Schmitt: Die FDP-Bundestagsabgeordnete Carina Konrad bei einer FDP-Veranstaltung in Mainz. - Foto: gik
Gegenspielerin von Daniela Schmitt: Die FDP-Bundestagsabgeordnete Carina Konrad bei einer FDP-Veranstaltung in Mainz. – Foto: gik

Tatsache ist: Vor der Landtagswahl muss die FDP in Rheinland-Pfalz neue Wege finden, sich gegenüber den Wählern zu profilieren, Ministerin Schmitt aber wird schon seit Langem vorgeworfen, viel zu blass im Amt zu agieren, und in wichtigen inhaltlichen Positionen – wie etwa der Migrationspolitik – zuletzt „abgetaucht“ gewesen zu sein. Der SWR berichtet zudem am Samstag, in der FDP gebe es eine Gruppe, die massiv Druck auf Schmitt ausübe, auf den Parteivorsitz und sogar auf ihr Amt als Wirtschaftsministerin zu verzichten. Zu dieser Gruppe sollten der FDP-Fraktionsvorsitzende Philipp Fernis, Wirtschafts-Staatssekretär Andy Becht und Carina Konrad gehören – die Fäden im Hintergrund ziehe Wissing.

Wissing wies das zwar gegenüber dem SWR zurück, doch die meisten FDP-ler in Spitzenpositionen verdanken Wissing in der Vergangenheit ihre Karriere in der rheinland-pfälzischen FDP – gerade Konrad. Dazu gehörte allerdings auch Schmitt. Einen klaren und starken Nachfolger baute der früher allmächtige Landeschef Wissing aber auch nicht auf, bis zuletzt zog der Pfälzer aus der Hauptstadt die Strippen. Wer als Führungsposition die FDP nun also in die kommenden Landtagswahl führen soll, ist völlig unklar. Eine profilierte und bekannte Führungsperson ist nicht in Sicht.

Info& auf Mainz&: Wie sich die FDP im Bundestagswahlkampf präsentiert hatte, könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen.